Angeklagte im Prozess gegen Freie Kameradschaft Dresden gestehen - ein wenig
Joachim Kubista ist ein zurückhaltender Verhandlungsführer. Nach zwei Stunden äußert der Vorsitzende Richter im Prozess gegen zwei Mitglieder der »Freien Kameradschaft Dresden« (FKD) am Landgericht Dresden aber doch eine gewisse Unzufriedenheit. »So distanziert, wie sie sich im Moment einlassen«, hätten die beiden Angeklagten dem Nazitrupp nicht gegenüber gestanden, sagt er unter Hinweis auf Ermittlungsakten. Es ist eine dezente Drohung, die es in sich hat: Überzeugen die Aussagen der Männer den Richter nicht, müssen sie länger ins Gefängnis.
Bisher läuft das Verfahren auf einen Deal hinaus, auf den man sich am ersten Verhandlungstag geeinigt hatte. Die 19 und 27 Jahre alten Rechtsextremen müssen mit Haftstrafen von maximal vier Jahren rechnen, wenn sie »vollumfänglich« über die Kameradschaft aussagen. Diese hatte sich im August 2015 gegründet - am Abend nach gewaltsamen Übergriffen von Nazis auf eine Zeltstadt in Dresden, in der Asylbewerber untergebracht waren. FKD-Mitglieder beteiligten sich danach an den Ausschreitungen vor der Asylunterkunft in Heidenau, griffen andere Heime an, attackierten das Wohnprojekt »Mangelwirtschaft« in Dresden und jagten beim Dresdner Stadtfest im Sommer 2016 Asylbewerber. Auch an den gewaltsamen Ausschreitungen im Leipziger Szeneviertel Connewitz im Januar 2016 waren sie beteiligt.
Der Prozess ist nicht zuletzt deshalb aufschlussreich, weil er die Verflechtungen in der sächsischen rechten Szene ab Sommer 2015 erhellen kann. Die Dresdner Kameradschaft, die sich nach Aussage des Angeklagten Florian N. bei ihrer Gründung bewusst in die Tradition früherer Kameradschaften in Dresden stellte, agierte bereits in Heidenau Hand in Hand mit der sogenannten Gruppe Freital, deren Mitglieder sich derzeit am Oberlandesgericht Dresden wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verantworten müssen.
Der Angriff auf das Wohnprojekt im Oktober 2015 wurde von beiden fast wie eine militärische Aktion ausgeführt. Zugleich gibt es Verbindungen zur NPD: Deren Ex-Abgeordneter René Despang war bei der Gründung der FKD anwesend. Deutlich wird auch die Rolle von Pegida als Ausgangspunkt für die eskalierende Gewalt im Raum Dresden im Sommer 2015. Der Angeklagte Robert S. beschrieb die Demonstrationen der islamfeindlichen Bewegung als Treffpunkt einer Szene, die dort den Plan fasste, »etwas Eigenes« zu unternehmen.
Allerdings schildern die Angeklagten die FKD als eher harmlosen Stammtisch, der nur Flugblätter verteilen und zu Demonstrationen fahren wollte. Schon eine Aktion, bei der über einer Autobahn der Slogan »Wenn Meinungsfreiheit zur Mutprobe wird« plakatiert wurde, räumen die Angeklagten erst auf Nachfrage ein. Gewaltsam aufzutreten, sei erst recht »kein Ziel gewesen«, sagte S.; die Straftaten seien »aus der Situation entstanden«, beteuert N. Warum er dann Sturmhauben für die Gruppe bestellt habe, fragte der Richter und zitierte aus einem internen Chat. Dort erwiderte N. auf den Einwand, man bringe sich mit derlei Vermummung bei einer eventuellen Polizeikontrolle in Erklärungsnot: Wenn es erst einmal so weit sei, dass die Ausrüstung zum Einsatz komme, seien die »Sturmhauben noch das kleinste Übel«.
Nicht zuletzt die Einlassungen von N. wirken bisher eher wie ein taktisches Geständnis. Er habe »kein rechtes Gedankengut«, sagte er. »Dafür wurde bei ihnen aber viel gefunden«, erwiderte Kubista und verweist auf 14 CDs mit Nazimusik oder Graffitischablonen mit den Slogans »Ruhm und Ehre« oder »Freiheit für Freital«. Bei den Übergriffen in Heidenau, bei denen S. nach eigenen Angaben Böller und Steine auf Polizisten warf, will sich N. eher im Hintergrund gehalten haben. An den nächsten mindestens vier Prozesstagen wird sich zeigen, ob sich diese Linie durchhalten lässt - und ob das für den in Aussicht gestellten Deal reicht.