Am 29. Juni soll der Kiezladen in der Friedelstraße 54 zwangsgeräumt werden. Nach über 13 Jahren soll dort ein Stück lebendige und widerständige Kiezkultur enden. Wir wissen selbst viel zu gut, wie wichtig linke, selbstverwaltete und emanzipatorische Räume im Kiez sind. Solche Räume sind Rückzugs- und Schutzräume für all diejenigen, die nicht in das „normale“ Kundenraster der gängigen Bars, Cafés und Restaurants fallen. Sie sind Räume der Teilhabe, die unkommerziell all denen einen Zugang zu Filmen, Vorträgen, oder Workshops erlauben, die sich nicht eben mal so 5€ für ein kleines Getränk, oder 15€ für einen Kinofilm leisten können. Und sie sind Räume des Widerstands, weil sie nicht die Schnauze halten, wenn der Kiez um sie herum massiv aufgewertet wird. Oder wenn alteingesessene Bewohner*innen, Gewerbetreibende oder soziale Räume durch die immer weiter steigenden Mieten verdrängt werden. Weil sie sich einmischen, wenn Nazis, oder neue Rechte sich im Kiez breit machen wollen. Weil sie intervenieren, wenn Bullen wieder mal rassistische Kontrollen fahren, oder sich „besorgte Bürger“ gegen Flüchtlingsheime organisieren. Solche Räume bieten die Möglichkeit, sich selbstorganisiert und solidarisch gegen die Unerträglichkeiten des Alltags zu organisieren, ohne Konsumzwang und schiefe Blicke abzuhängen, sich Vorträge anzuhören, oder ohne Eintritt Filme zu schauen.
Voller Trauer und Wut haben wir erfahren, dass der Kiezladen den Profitinteressen einer luxemburgischen Briefkastenfirma weichen soll. Eine Firma, die hunderte Kilometer entfernt operiert, aber dennoch – kraft ihres Kapitals – über die Lebensverhältnisse vieler Menschen hier in Berlin entscheiden kann. Das ist zum kotzen!
Wenn so etwas gesetzlich möglich und konform ist, dann stimmt etwas gewaltig nicht an den herrschenden Verhältnissen. Wenn das Gesetz Eigentümer*innen solch besondere Privilegien einräumt und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Menschen, die in den Häusern leben und arbeiten, scheißt, dann folgt für uns daraus die Konsequenz, diese unfairen Gesetze und das System das sie hervorgebracht hat abzulehnen und all das zu befürworten, was sich wirklich nach den konkreten Bedürfnissen der Menschen in den jeweiligen Häusern, Kiezen und Vierteln richtet.
Neukölln braucht solche Orte wie den Kiezladen. Eigentlich sogar viel mehr davon. Das dies kein Thema ist, sondern es vielmehr um Abwehrkämpfe, um den Erhalt der wenigen, verbleibenden Orte geht ist traurig. Dennoch wollen wir nicht verzagen und zumindest die Räume verteidigen, die bislang existieren.
Deshalb rufen wir alle solidarischen Menschen dazu auf, sich am 29. Juni der Gerichtsvollzieherin und der Bullen-Armada in den Weg zu stellen. Lasst uns gemeinsam, solidarisch und offensiv zeigen, dass wir diesen Angriff auf unsere Infrastruktur, auf unkommerzielle und solidarische Räume nicht ohne weiteres hinnehmen werden.
Wir werden am 28. Juni unsere Kneipe um 0 Uhr schließen und alle auffordern entweder direkt zur Friedel zu gehen, oder früh morgens dort ihre Solidarität praktisch werden zu lassen. Sollten die Cops, wie leider öfter in der Vergangenheit gesehen, früher versuchen den Laden zu räumen, werden wir entsprechend darauf reagieren.
Leider birgt der Widerstand gegen Verdrängung und Zwangsräumungen auch die Gefahr der Repression. Neben Haftstrafen, sollen Geldstrafen und alle damit verbundenen Anwalts- und Gerichtskosten abschrecken, mürbe machen und Menschen davon abhalten, sich aktiv solidarisch zu zeigen. Dem wollen wir gemeinsam und solidarisch mit anderen Strukturen etwas entgegen setzen! Jede*r der*die wegen Aktionen, rund um die geplante Räumung des Kiezladens verhaftet und mit Prozessen überzogen wird ist nicht allein. We fight together, we fall together. Deswegen gehen all unsere Trinkgelder, schon seit ein paar Wochen, komplett in die Anti-Repressionsarbeit für die Friedel54 und die anstehenden Proteste rund um den G20-Gipfel.
G20 – Arschlochparade an der Waterkant
Nur eine Woche nach der geplanten Räumung des Kiezladens, soll in Hamburg, direkt angrenzend am linksalternativen Schanzenviertel das Treffen der G20 stattfinden. Gründe, gegen dieses Treffen zu sein gibt es mehr als genug. Angefangen davon, dass 20 Regierungschef*innen sich vollkommen undemokratisch und ohne jegliche Legitimation zusammenfinden und über die Geschicke der Welt und somit über die knapp 180 Staaten entscheiden, die nicht Teil dieserr illusteren Runde sind. Das – obwohl wir Deutschland nicht als demokratischen Vorzeigestaat verklären wollen – Despoten und Autokraten wie Trump, Putin und Erdogan an dem Treffen teilnehmen, die in ihren Ländern zigtausende Menschen inhaftieren und den reaktionären Rollback voran treiben. Das für diesen Gipfel Hamburg in eine Hochsicherheitszone verwandelt, Grundrechte wie die Demonstrationsfreiheit außer Kraft gesetzt werden und 12.000 Bullen, samt Spezialgerät angekarrt werden um jeglichen Protest im Keim nieder zu prügeln.
Derselbe Staat, der untätig, oder sogar aktiv fördernd den NSU gewähren ließ, der tagtäglich und teilnahmslos die brennenden Flüchtlingsheime beobachtet hat, der aufgrund der Agenda 2010 und aller anderen neoliberalen Maßnahmen unzählige Menschen zu Arbeitssklaven ohne Perspektive degradiert hat, alles im Namen des Standorts Deutschland, dieser Staat maßt sich nun an, die angekündigten Proteste zu delegitimieren und im Zweifelsfall aktiv zu bekämpfen. Hamburg soll sich als Hafencity, als Tor zur Welt präsentieren und Protest ist – wenn überhaupt – nur weit weg und exakt überwacht und gesteuert erlaubt. Da sagen wir klar Nein! Wenn sich die Herrschenden in Hamburg ein solches „Prestigetreffen“ wie G20 leisten wollen, müssen sie auch mit dem Widerstand leben.
Das schöne Leben fällt nicht einfach so vom Himmel, sondern muss erstritten und erkämpft werden. Deshalb: Beteiligt euch an den kommenden Aktionen rund um den 1. Räumungsversuch des Kiezladens Friedel 54. ( Konzert 23.6 | Demo 24.6 | Kiezspaziergang 25.6 Zwangsräumung verhindern! 29.6).
Wenn wir gemeinsam die Räumung verhindert haben, fahren wir eine Woche später nach Hamburg um die Verhältnisse mal richtig schön zum Tanzen zu bringen und den Gipfel der Arschgeigen zum Desaster zu machen. Deal?
Praktischer Widerstand und gelebte Solidarität darf sich natürlich nicht nur auf einmalige Events oder konkrete Räumungsversuche beschränken, sondern muss täglich erprobt und gelebt werden. Deshalb schließen wir uns dem zentralen Slogan unserer Freund*innen aus dem Kiezladen an und streiten weiterhin und gemeinsam für mehr rebellische Nachbarn, solidarische Kieze und die Stadt von Unten!
Kollektivkneipe Syndikat
Weisestraße 56, Berlin-Neukölln
Juni 2017