Am Donnerstag, den 15.6. fand in Tübingen die erste Nachttanzdemo seit einigen Jahren statt. Wir, die Antifa Reutlingen-Tübingen, haben die Veranstaltung, die auf kreative Weise, die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg thematisierte, gemeinsam mit der Gruppe Level up organsiert. Allerdings hätte sie ohne die solidarische Unterstützung vieler anderer Menschen aus sehr unterschiedlichen Zusammenhängen nicht stattfinden können. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal dafür. Ihr seid toll und es ist ein gutes Gefühl mit euch gemeinsam dem kapitalistischen Normalvollzug etwas entgegenzusetzen!
Begonnen haben wir am Epplehaus mit zwei Lautsprecherwagen, viel Konfetti, Rauch und Seifenblasen; und während es zu Beginn noch einiger Verhandlungen mit dem Ordnungsamt bedurfte, sammelten sich immer mehr Menschen, um den ersten Redebeiträgen zu lauschen. Die kamen von der ART und der interventionistischen Linken Tübingen (IL). Im Beitrag der ART ging es um die Funktionsweise von Kapitalismus und kapitalistischer Logistik und den Zusammenhang mit dem G20-Gipfel, als Krisenverwaltung. Außerdem wurde speziell auf die Proteste Bezug genommen, die u.a. das kommunistische Um's Ganze Bündnis am 7.7. am Hamburger Hafen organisiert (den gesamten Redebeitrag findet ihr hier).
Der Redebeitrag der IL (hier der Gesamttext) kritisierte das G20-Treffen, bei dessen Verhandlungen „das Diktat der Kapitalvemehrung“ voherrschend sei und rief zur solidarischen Teilnahme an den internationalen Aktionstagen in Hamburg auf. Nach der Zwischenkundgebung am Tübinger Marktplatz mit einem Redebeitrag von der Zelle, ging es über die Mühlstraße zurück zur Karlstraße, in welcher die Demo mit einem Beitrag des Epplehauses ihren Abschluss fand. (Wir würden uns freuen, wenn die Zelle und das Epplehaus ihre Redebeiträge in den Kommentaren posten würden!).
Im Laufe des Abends kamen hier in Tübingen ungefähr 300 Menschen zusammen, die ausgelassen waren und tanzten, die aber trotzdem die Grausamkeit der kapitalistischen Gesellschaft nicht vergessen haben. Menschen, die versucht haben, ihrer Wut auf die herrschenden Verhältnisse durch Fröhlichkeit Ausdruck zu verleihen und die dieser Wut, so hoffen wir, auch in Hamburg Ausdruck verleihen werden. In welcher Form auch immer, ob in der roten Zone oder am Hafen, ob in Form einer Blockade oder auf andere Weise. Auch aus und in Tübingen wird es Proteste gegen den G20 Gipfel geben, lieber Staatsschutz, darauf könnt ihr euch gefasst machen, denn wir haben diesen Staat satt und die Herrschaftsverhälnisse, die er zu schützen versucht und das werden wir auch zeigen!
Am Rande der Demonstration wurden von einzelnen Aktivist*innen zwei Aktionen durchgeführt. Aus einer WG in der Innenstadt ließen ein paar verkleidete Menschen ein großes Transparent mit dem Slogan „Grenzenlose Solidarität statt G20“ herunter, das löste großen Jubel aus und auch die Wasserpistolen mit denen die Tanzenden vom Balkon aus nassgespritzt wurden, kamen ziemlich gut an.
Eine zweite Überraschung gab es dann auf dem Rückweg: Als die Demo in die Mühlstraße abbog wurde vor dem Polizeirevier ein weiteres Transparent von Aktivist*innen heruntergelassen und bunter Rauch und bengalische Fackeln sorgten für ein wenig Revolutionsromantik. Die anwesende Polizei bemühte sich zwar die Aktion direkt vor ihrer Haustür schnell zu unterbinden, dank ihrer etwas behäbigen Vorgehensweise kamen sie aber zu spät oben an und konnte nur noch die fast heruntergebrannten Fackeln löschen.
Während der Nachttanzdemo gab es auch viel Kontakt zu Menschen, die in der Stadt unterwegs waren. Klar stand da nicht immer ein politisches Interesse im Vordergrund, sondern viele waren offensichtlich von dem bunten, lauten, fröhlichen Spektakel fasziniert. Trotzdem konnte man auf diese Weise oft gut ins Gespräch kommen und den politischen Hintergrund der Veranstaltung erklären, insoweit er nicht durch die Transparente und Flyer deutlich wurde. Die meisten Passant*innen waren offen und freuten sich über die Flyer und Zeitschriften, die verteilt wurden. Somit hoffen wir, dass trotz der Gefahr bei Nachttanzdemos , dass Inhalte in den Hintergrund rücken und Menschen allein wegen der „coolen Party“ zur Demo kommen, unsere Kritik am G20-Treffen und am ausbeuterischen System des Kapitalismus nach außen wie auch innerhalb der Demo wahrgenommen wurde.
Trotzdem gab es auch am Rande dieser Veranstaltung Personen, die ihren autoritären Charakter und ihre Menschenfeindlichkeit zeigten:
Zwei Burschenschaftler, einer von ihnen mit Schärpe, hatten sich dem Demonstrationszug angeschlossen und versuchten die Teilnehmer*innen durch ihr Auftreten und mit blöden sprüchen („Die Leute hier sehen aus wie Penner“) zu provozieren. Sie wurden jedoch relativ schnell von einer Ordnerin der Demo verwiesen. Sichtlich gekränkt verließen sie die Demo. Von einer Frau zurechtgewiesen zu werden, passte wahrscheinlich nicht in ihr mutmaßlich sexistisches Weltbild.
Gegen Ende der Demonstration zeigte ein Fahrgast in einem vorbeifahrenden Bus einen Hitlergruß. Die Polizei nahm nach mehrmaliger Aufforderung schließlich die Personalien des Mannnes auf. Ob die Straftat auch zur Anzeige gebracht wurde ist nicht klar, da es sich aber um ein Offizialdelikt handelt, ist die Polizei eigentlich dazu verpflichtet.
Eine solche Veranstaltung wie vergangenen Donnerstag steht nicht für sich allein und eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung darf vor, während und nach dem Gipfel nicht fehlen. In Tübingen wird es deshalb in nächster Zeit noch weitere Veranstaltungen geben.
In diesem Sinne, lasst uns (nicht nur) im Juli etwas Chaos in die barbarische Ordnung des kapitalistischen Systems bringen.
Auf nach Hamburg!
*[ART]* Antifa Reutlingen Tübingen
weitere Bilder
der Veranstaltung findet ihr auf unserem Blog