Stuttgart (dpa/lsw) - Der NSU-Ausschuss und der Generalbundesanwalt liegen wegen des Themas Funkzellenauswertung rund um den Mord an der Polizistin Kiesewetter miteinander im Clinch. Der Landtagsausschuss hatte die oberste Ermittlungsbehörde gebeten, tausende Daten von Handys, die damals in Heilbronn rund um die Tat gespeichert worden waren, mit den Nummern von Rechtsextremisten abzugleichen. Der Untersuchungsausschuss erhofft sich davon Hinweise auf mögliche Helfer beim Mord im April 2007. Der Generalbundesanwalt halte das aber nicht für nötig, sagte Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) am Montag mit Bezug auf ein Schreiben der Ermittlungsbehörde.
Für den Ausschuss sei die Entscheidung unverständlich, sagte Drexler. Medien hatten berichtet, dass eine Handynummer, die bis kurz vor dem Mord an Kiesewetter an der Theresienwiese eingeloggt gewesen sei, zur islamistischen Sauerlandgruppe, zumindest zu deren Umfeld, führen soll. Eine zweite Nummer führe in die Ulmer Islamisten-Szene, hieß es in den Berichten. Die Inhaber der Nummern waren nicht ermittelt worden - zum Missfallen des NSU-Ausschusses. Die Nummern nähren Spekulationen um die mögliche Anwesenheit islamistischer Kontaktleute am Todestag der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Polizistin Kiesewetter von den Rechtsterroristen des «Nationalsozialistischen Untergrundes» (NSU) erschossen wurde, die für insgesamt zehn Morde zwischen 2000 und 2007 in Deutschland verantwortlich sein sollen.
Der NSU-Untersuchungsausschuss will jetzt die Polizisten laden, die die beiden Nummern mit dem möglichen Bezug zur Islamistenszene ausgemacht hatten. Zudem werde das Landtagsgremium versuchen, bei der Bundesnetzagentur die damaligen Nutzer der Nummern in Erfahrung zu bringen - auch wenn die Erfolgsaussichten nach rund zehn Jahren gering seien, sagte Drexler. Auch werde der Ausschuss den Generalbundesanwalt noch einmal auffordern, dem Thema möglicher Helfer nachzugehen. «Vielleicht muss man zum Schluss auch den zuständigen Bundesanwalt als Zeugen laden», meinte er.
Der Generalbundesanwalt sieht bislang keine Helfer beim Mord an Kieswetter. Der NSU-Ausschuss geht hingegen von Helfern aus, wenngleich er dafür bislang keine Beweise hat. Das Gremium könne es sich nicht vorstellen, dass die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt quer durch die Gegend gefahren, nach Heilbronn gekommen seien und dort dann zufälligerweise das Polizeiauto mit Kiesewetter und ihrem Streifenpartner auf der Theresienwiese entdeckt hätten. Nach Drexlers könnte mit einem Abgleich der gespeicherten Daten eventuell auch geklärt werden, ob Mundlos und Böhnhardt sich bereits vor dem Tattag, dem 25. April 2007, in Heilbronn aufgehalten haben.
Unterdessen macht sich im Ausschuss auch Unzufriedenheit über die Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA) breit. Ursprünglich wollte der Ausschuss einen Beamten befragen, der für das BKA Mitglieder der rechten Szene vernommen hatte. Bei dem am Montag geladenen Zeugen handelte es sich aber um einen Landespolizisten, der nur einige Monate zum BKA abgeordnet und bei den Vernehmungen nicht federführend war. Ursache für die Panne bei der Ladung des Zeugen war wohl eine namentliche Verwechslung. SPD-Obmann Boris Weirauch warf dem BKA vor, die Arbeit des Ausschusses zu torpedieren. Dem BKA müsse klar gewesen sein, dass der Ausschuss den Hauptsachbearbeiter wollte.
Die Vernehmung von Zeugen aus der rechten Szene brachte den Ausschuss auch am Montag nicht weiter. So bestritt ein langjähriger Funktionär der NPD Jugendorganisation, Kontakte zum NSU-Trio oder dem Umfeld gehabt zu haben. Es gibt Vermutungen, wonach Mundlos und Böhnhardt direkt nach dem Mord an Kiesewetter im nördlichen Baden-Württemberg Unterschlupf bei rechtsextremen Freunden gefunden haben könnten. Doch der 36-jährige Zeuge beteuerte: «Bei mir waren sie nicht.»