Nach Übergriff auf Linken Identitärer kommt nach Angriff in Straßenbahn vor Gericht

Erstveröffentlicht: 
19.06.2017

Magdeburg - Die „Identitäre Bewegung“ (IB) will eine Aktivistengruppe für Patrioten sein. Sie wehrt sich gegen den Stempel „rechtsextrem“, präsentiert sich im Internet als unbequem, aber friedlich.


 

Friedlich? Was der Verfassungsschutz vom Treiben der selbst erklärten Patrioten hält, zeigte er im Sommer 2016: Die Behörde erklärte die IB als rechtsextrem, gab offiziell ihre Beobachtung bekannt.


Halle (Saale) wichtiges Zentrum der Identitären Bewegung


In Halle, einem der wichtigsten Zentren der Identitären Bewegung in der Republik, steht am Dienstag ein Aktivist vor Gericht. Der Fall kratzt weiter am Bild der angeblich friedlichen Aktivistengruppe: Andreas K. soll im Frühjahr 2016 einen linken Studenten in einer Straßenbahn in Halle angegriffen haben. Zeugen schilderten, dass K. versucht habe, den Studenten aus der Bahn zu treten und zu zerren. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Nötigung vor.


Der Vorfall hatte sich am Tag einer der ersten IB-Aktionen in der Saalestadt ereignet. Die Rechtsextremen hatten gegen die Asylpolitik der Bundesregierung und eine geplante Probewahl für Flüchtlinge protestiert. Auch der österreichische IB-Führungskader Martin Sellner war in Halle, so die Mobile Opferberatung.


Rund 20 Mitglieder in Identitärer Bewegung in Halle (Saale)


Die IB rekrutiert sich deutschlandweit aus Mitgliedern, die teilweise schon in der rechtsextremen Szene aktiv waren - etwa der JN, der Jugendorganisation der NPD. „Der hallesche IB-Ableger gilt als einer der deutschlandweit aktivsten“, sagt Torsten Hahnel von der halleschen Arbeitsstelle Rechtsextremismus. Er geht im Kern von rund 20 Personen aus.


Der aktuelle Nötigungsfall am Amtsgericht gilt als erster Prozess gegen einen halleschen Identitären im Rahmen einer IB-Aktion. Gewaltbereitschaft signalisierten Mitglieder bereits an anderer Stelle: Erst vergangene Woche berichtete die Polizei, dass fünf Identitäre zwei Studenten in einer Mensa bedroht hätten. Alarmierte Polizisten stellten bei den IB-Kadern Pfefferspray, ein Einhandmesser und Quarzhandschuhe sicher.



Staatsschutz ermittelt gegen Identitäre Bewegung


Der Staatsschutz, zuständig für Straftaten mit politischem Hintergrund, ermittelt. Wiederholt hatten Studenten in Halle von Drohungen berichtet. Und auch bei der IB-Demo am vergangenen Wochenende in Berlin, bei der 800 Menschen mit den Rechten aufmarschierten, hatten Identitäre versucht, Reihen der Polizei zu durchbrechen.


Nun der Prozess gegen K.: Er gelte als „bekennendes, aktives IB-Mitglied“, so Hahnel. K. sei bei den jüngsten Aktionen in der Öffentlichkeit stets beteiligt gewesen, etwa bei der gescheiterten Besetzung des Bundes-Justizministeriums in Berlin im Mai. Laut einer Antifa-Plattform im Internet studierte K. zuletzt im Masterstudiengang Soziologie.


Mitglied der Identitären Bewegung Halle wird von Kanzlei eines AfD-Mannes vertreten


Wie ein Gerichtssprecher der MZ bestätigte, wird der Identitäre von dem Rechtsanwalt Matthias Brauer vertreten. Brauer arbeitet in der Kanzlei des AfD-Abgeordneten Enrico Komning aus Mecklenburg-Vorpommern. Dass seine Kanzlei bereits im November 2016 einen Identitären vertreten hatte, hatte für Kritik im politischen Schwerin gesorgt.


Für Hahnel gilt der Fall als Signal dafür, dass der formelle Abgrenzungsbeschluss der AfD zur Identitären Bewegung „im Detail an keiner Stelle stimmt“. Eigentlich hatte der AfD-Bundesvorstand im Sommer 2016 der Zusammenarbeit mit der IB eine klare Absage erteilt.



Gerade in Sachsen-Anhalt hatten bis dahin AfD-Abgeordnete wie Hans-Thomas Tillschneider offen mit der IB geliebäugelt und sogar Chancen für Nachwuchsrekrutierung gesehen. Erst vor wenigen Wochen hatte Tillschneider auf einer Auslandsfahrt des Landtags-Bildungsausschusses in Spanien laut Teilnehmerangaben ein T-Shirt der IB getragen.