Im Vorfeld zur Innenministerkonferenz (IMK) sind in Dresden am Sonntag rund 700 Menschen unter dem Motto: „Perspektiven statt DesIntegrationspolitik“ für ein Bleiberecht geflüchteter Menschen auf die Straße gegangen. Während in der am Montag begonnenen Tagung über einen weiteren Abbau demokratischer Grundrechte diskutiert werden soll, forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration auf Transparenten und in Redebeiträgen einen Abschiebestopp und einen besseren Zugang zu Bildung (Fotos 1 | 2).
Am frühen Abend endete die lautstarke und vor allem bunt gemischte Demonstration ohne besondere Vorkommnisse vor dem Neustädter Bahnhof.
Zuvor waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Sonntagnachmittag bei sommerlichen Temperaturen vom Schloßplatz aus vorbei an der Ausländerbehörde zur Polizeidirektion gezogen, wo zwei junge Männer in einem musikalischen Beitrag auf Dari rappten. Anschließend ging es von der Frauenkirche bis zum Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI), wo in einem Redebeitrag über die schwierige Situation der aus Afghanistan geflohenen Menschen berichtete wurde. Anders als die Polizei, die von einem ruhigen Verlauf der Demonstration sprach, berichteten vereinzelt Teilnehmer von willkürlichen Kontrollen durch die Polizei. Auf der Brühlschen Terrasse hatten zu Veranstaltungsbeginn etwa ein dutzend Menschen aus dem Dunstkreis von PEGIDA mit einem Plakat gegen die Demonstration protestiert.
#dd1106 "Abschiebung stoppen – Abschottung verhindern"#Dresden#afghanistanisnotsafe pic.twitter.com/4rfw3QBTFc
— Dietrich Herrmann (@d_herrmann) 11. Juni 2017
In einer Pressemitteilung kritisierte der Sächsischen Flüchtlingsrat gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl die Entscheidungspraxis des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Asylanträge von Menschen aus Afghanistan abzulehnen und forderten die politisch Verantwortlichen in den Bundesländern dazu auf, Abschiebungen nach Afghanistan angesichts der auch vom UNHCR in seinem Bericht festgehaltenen katastrophalen Lage „vorübergehend auszusetzen“. Zugleich kritisierten sie die geplante Dublin-IV-Reform, nach der Asylsuchende in Zukunft ohne zeitliche Befristungen in andere EU-Staaten abgeschoben werden sollen.
Während 2016 insgesamt 181.600 Klagen gegen Asylbescheide eingereicht wurden, lag die Zahl der Klagen allein im ersten Quartal dieses Jahres bei 97.000: „Die qualitativ schlechte Entscheidungspraxis des Bundesamtes führt zur Überlastung der Justiz. Die Kosten für teure Richterstellen tragen die Länder.“ Nach Afghanistan war in den letzten Monaten vermehrt auch die Zahl der abgelehnten Asylanträge von Irakerinnen und Irakern stark angestiegen. Von den 44.620 Entscheidungen zwischen Januar und Mai 2017 wurden 16.234 abgelehnt (36,4 %). Erst vor wenigen Tagen hatte sich die bayerische CSU für Abschiebungen in den Irak ausgesprochen.
„Mit der Verlagerung der Probleme auf die Justiz und einer Aufstockung der Richterstellen wird das Problem nicht zu lösen sein. Im Asylrecht qualifizierte Richter sind Mangelware. Es ist Aufgabe des Bundesamtes, sich selbst so zu organisieren, dass Verfolgungsgründe dort festgestellt werden können.“, so der Flüchtlingsrat und Pro Asyl weiter. „Wer glaubt diese Massenablehnungen würden in absehbarer Zeit in Massenabschiebungen gleicher Größenordnung münden, der täuscht sich und verhindert in großem Maße die Integration vieler, die noch über eine längere Zeit in Deutschland leben werden. Nicht ohne Grund gab es in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder Bleiberechtsregelungen.“
Angesichts der Pläne der Innenminister, künftig Schutzsuchende ohne zeitliche Befristung in andere EU-Staaten abschieben zu können, warnten Pro Asyl und der Flüchtlingsrat vor einer Reform der Dublin-Verordnung: „Der ersatzlose Wegfall der Fristen wird dazu führen, dass Rechtlosigkeit entsteht. Angesichts der eklatanten Menschenrechtsverletzungen in Staaten wie Ungarn und Bulgarien dürfen Überstellungen nicht vollzogen werden. Wenn die 6-Monats-Frist für Überstellungen wegfällt und eine Abschiebung in Staaten wie Ungarn, Bulgarien oder Griechenland dennoch scheitert, werden Asylanträge über Monate oder Jahre hinweg in keinem EU-Staat inhaltlich geprüft werden.“
Weiterer Bericht: Demo in Dresden: Gleiches Recht für alle!!!!