Streit um Frauke Petry: Steht die AfD vor der Spaltung?

Erstveröffentlicht: 
09.06.2017

AfD-Chefin Frauke Petry steht weiter unter Druck ihrer Partei. Die für Sonntag geplante Abwahl Petrys als Direktkanidatin für den Bundestag in der sächsischen Schweiz ist nun vorerst auf Juli verschoben worden. Doch auch davon abgesehen gibt es Streitigkeiten ohne Ende.

 

Dresden. Der Showdown bleibt aus. Doch aufatmen kann Frauke Petry nicht. Zwar ist der für diesen Sonntag anberaumte und als „Tag der Entscheidung“ angekündigte Parteitag des Kreisverbandes Sächsische Schweiz/Osterzgebirge kurzfristig abgesagt worden – in vier Wochen, am 9. Juli, droht der Bundes- und Landeschefin der Alternative für Deutschland (AfD) allerdings erneut der Entzug der Direktkandidatur, wie ihn die Rebellen im südöstlichen Sachsen schon für dieses Wochenende avisiert hatten. In der neuen Zeitrechnung der sächsischen AfD sind vier Wochen eine unüberschaubare Dimension: Denn es vergeht in letzter Zeit kaum ein Tag, an dem nicht ein weiterer Schachzug im Streit um Frauke Petry öffentlich wird.

 

Die Parteichefin ist derweil nach der Geburt ihres Sohnes Ferdinand vor drei Wochen – und nach der krachenden Niederlage beim Bundesparteitag – auf Tauchstation gegangen. Sie will sich, „wie es sich für eine Familienpartei gehört“, so die Begründung, um ihr Kind kümmern. Stattdessen reden andere mit Vorliebe darüber, wie die 42-Jährige samt Gefolge möglichst schnell abserviert werden kann.

 

Auseinandersetzung mit Ansage


Es ist eine Auseinandersetzung mit Ansage. Schon seit geraumer Zeit erweist sich die AfD als Ansammlung von Menschen mit höchst unterschiedlichen Gedanken und Fantasien, die nur schwer zusammengehalten werden können – und das vor allem in Mitteldeutschland, wo die Partei binnen drei Jahren zu einer Kraft in der politischen Landschaft aufgestiegen ist. So bröckelte in Thüringen schon kurz nach der Landtagswahl von 2014 die Fraktion und es scherten drei Abgeordnete im Streit mit dem Patriarchen Björn Höcke aus. Die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt wird aktuell zur Ader gelassen: Auch hier haben drei Mandatsträger dem Anführer André Poggenburg den Rücken gekehrt und öffentlich Vergleiche mit der nordkoreanischen Diktatur angestellt. Poggenburg reagierte entsprechend säuerlich, nannte die Vorwürfe „hanebüchen“ und sprach von mangelndem demokratischen Verständnis.

 

Dass die parlamentarischen Zersetzungserscheinungen noch nicht Sachsen erreicht haben, ist vor allem ein Verdienst von Generalsekretär Uwe Wurlitzer, der als verlängerter Arm von Frauke Petry gilt. Tatsächlich hat die AfD im Freistaat aber ein weit größeres Problem als in den benachbarten Bundesländern: Zwischen Leipzig und Bad Schandau, von Bautzen bis Zwickau begehren Teile der Basis gegen den Landesvorstand auf, der die Partei als konservative Alternative zu generieren sucht und im Jahr 2021 auf Bundesebene mitregieren möchte. Allen voran steht der Dresdner Klüngel, der sich bis weit in die Sächsische Schweiz und das Osterzgebirge erstreckt.

 

Deren Vorzeigemann heißt Jens Maier, ist Richter und installiert sich neuerdings auch öffentlich als härtester Petry-Widersacher. Der Freund und Vertraute des AfD-Rechtsaußens Höcke ist vom sächsischen Landesvorstand mit einem Bann belegt worden und soll wegen seiner Äußerungen zu „Schuldkult“ und „Mischvölkern“ ausgeschlossen werden, obwohl sich der Parteitag im März dagegen ausgesprochen hatte. Wie explosiv die Situation in der sächsischen AfD ist, zeigt Maiers mittlerweile unverhohlene Distanzierung von der Landesspitze. Erst in dieser Woche teilte er bei seinem Auftritt vor Pegida aus: „Was hier gemacht wird, ist meiner Einschätzung nach an Niederträchtigkeit kaum noch zu überbieten.“ Es sei schlimm, dass auch in der AfD die „Sprachpolizei“ agiere, fügte der Richter hinzu, dem in Dresden keine geringen Chancen eingeräumt werden, ein Direktmandat zu erreichen. Passenderweise hat der als Direktkandidat im zweiten Dresdner Wahlkreis nominierte Stefan Vogel, der als gemäßigt gilt, schon vor zwei Monaten seinen Rückzug angekündigt.

 

Kein Wunder, dass Uwe Wurlitzer vergnatzt reagiert. Die Auseinandersetzungen seien „anstrengend“ und er hoffe, dass die Abwahlanträge innerhalb des Kreisverbandes Sächsische Schweiz/Osterzgebirge gegen Frauke Petry keine Mehrheit finden. Auf Initiative der Führung wurde der Parteitag jetzt zwar abgesagt – offiziell wegen Formfehlern –, doch es gärt nicht nur hinter den Kulissen. Wie ein Damoklesschwert hängt die Drohung der Basis über Frauke Petry, der Direktkandidatin in eben jenem Kreisverband das Vertrauen zu entziehen. Hinzu kam eine Meldung, die offensichtlich ebenfalls von einem ihrer Gegner lanciert wurde: Wegen Formfehlern könnte die sächsische AfD ihre Wahlversammlung wiederholen müssen. Auch hier kommt Wurlitzer nicht umhin, auf die Bremse treten zu müssen: „Ich sehe kein Problem. Wir haben streng darauf geachtet, dass die Delegierten alle Anforderungen erfüllten.“

 

Die Liste der internen Unannehmlichkeiten reicht allerdings weit darüber hinaus. Immer wieder werden geheime Mails in die Öffentlichkeit getragen – von Leuten, die es meist nicht gut mit dem Vorstand meinen. Dazu schwelt auch nach der Entscheidung des sächsischen Wahlprüfungsausschusses die Causa Arvid Samtleben weiter: Demnächst wird der Verfassungsgerichtshof über eine Beschwerde des ehemaligen Landtagskandidaten und glühenden Intimfeindes von Frauke Petry entscheiden, der in sozialen Netzwerken wie Facebook über eine beachtliche Anhängerschaft verfügt.

 

Lange Liste von Streitigkeiten


Außerdem ist gegen die Vorsitzende selbst noch ein Verfahren wegen Meineids in Dresden anhängig und soll ein Arbeitsgericht in Kürze über die Klage des ehemaligen Beraters von Frauke Petry und deren Ehemanns Marcus Pretzell, Michael Klonovsky, entscheiden. Ein weiterer Nebenkrieg wird in Zwickau ausgefochten: Hier will der Kreisvorstand seinen Direktkandidaten Benjamin Przybylla absägen, bekommt dies aufgrund von Formfehlern aber nicht hin. Przybylla, der als erster AfD-Politiker öffentlich bei Pegida in Dresden auftrat, ist bei anderen Kreisverbänden durchaus wohlgelitten.

 

Die Liste der Streitigkeiten ließe sich fortsetzen. Das alles legt den Schluss nahe: Frauke Petry ist von ihrer Mission, eine ernst zu nehmende, konservativ geprägte Partei mit nationalem Anstrich zu formen, weiter entfernt denn je. Auch deshalb erscheint momentan das zum Jahresanfang postulierte Ziel „20 Prozent plus X“ bei der Bundestagswahl unrealistisch. Entscheidend wird in den nächsten Wochen sein, ob es der Parteichefin wenigstens in Sachsen gelingt, die verschiedenen, teilweise radikalen Gruppen auf ihre Linie zu bringen. Nicht ohne Grund machen bereits Spekulationen die Runde, dass sie eine alternative Partei zur AfD gründen will. Noch ist die Spaltung ein Gerücht – das dem Vorstand allerdings gut bekannt ist.