Gegen die Feldpostkarten.

Gegen die Feldpostkarten.
Erstveröffentlicht: 
09.05.2017

Stichwortgeber für Revolution, Avantgarde und Moderne: Eine Ausstellung in Berlin zum 100. Geburtstag des Malik-Verlags. Von Oliver Rast

 

Der linke Malik-Verlag war der produktivste Verlag der Weimarer Republik. Bis Ende des Monats läuft im »Münzenberg-Forum« des ND-Gebäudes in Berlin die Ausstellung »Kabinett Malik« zum hundertsten Geburtstag. Er entstand am Ende des Kaiserreichs in Berlin-Halensee, als die Brüder Wieland und Helmut Herzfelde mit ihrem Freund Georg Grosz beschließen, antimilitaristische Texte und Zeichnungen zu veröffentlichen. Sie sind Anfang 20, und der Erste Weltkrieg dauert da schon vier Jahre. Die Opposition gegen den Krieg und damit auch gegen die wilhelminische Gesellschaft nimmt zwangsläufig politisch wie ästhetisch avantgardistische Formen an. Als John Heartfield wird Helmut später mit seinen stilprägenden Fotomontagen berühmt, ebenso George Grosz mit seinen gotteslästerlichen und majestätsbeleidigenden Zeichnungen und Bildern.

 

Alles begann mit einer Schülerzeitung. Wieland Herzfelde erwarb Die neue Jugend für 200 Reichsmark, weil man in den Kriegszeiten keine neuen Verlage gründen, sondern nur bestehende kaufen konnte. Herzfelde macht aus der Zeitung ein pazifistisch-expressionistisches Organ, das von der Zensur verboten wird. Daraufhin beantragt Wieland Herzfelde die Lizenz für eine neue Zeitschrift, um die Erzählung »Der Malik« von Else Lasker-Schüler in Fortsetzungen zu drucken – mit dem Argument, diese literarische Figur sei ein osmanischer Prinz und als solcher mit dem Deutschen Reich verbündet. Das leuchtet der Zensur ein – genehmigt. Im März 1917 wird der Malik-Verlag gegründet. Der erste Titel ist eine Biographie von Erhard Buschbeck über den österreichischen Expressionisten Georg Trakl. Eines der ersten Nachkriegsbücher ist dann »Schutzhaft« von Wieland Herzfelde. Darin schildert er seine Odyssee durch Berliner Haftanstalten während der Märzkämpfe von 1919 in Berlin-Lichtenberg. Adressat ist das (links-)kommunistisch orientierte Kunstmilieu neben den Politkadern aus USPD, KPD und AAU (Allgemeine Arbeiterunion). Im »Kabinett Malik« zu sehen ist die Originalschrift »Schutzhaft«.

 

Den Besucher erwarten vier thematisch getrennte Veranstaltungsräume, in denen die Verlagsgeschichte nachgezeichnet wird. Es ist eine auch eine Geschichte, die von Episoden behördlicher Willkür und Verfolgung gekennzeichnet ist. Den Auftakt bilden von der Decke hängende Feldpostkarten von deutschen Frontsoldaten während des Ersten Weltkriegs – von dessen sogenannten Völkerschlachten waren die Malik-Gründer angewidert. Im zweiten, etwas unterkühlt gekachelten Raum finden sich Originale von verbotenen Zeitschriften mit sprechenden Titeln wie Die Pleite oder dem Nachfolgeblatt Der Gegner. Danach durchquert man eine Gasse mit großformatigen Reproduktionen von Fotografien von Willi Römer mit Motiven aus der Novemberrevolution und gelangt in die »Buchhandlung Malik«. Ein überdimensionales Gesamtverzeichnis des Verlages verweist auf die rege Tätigkeit der Herausgeber. Bis zur Machtübertragung an die Nazis hat Wieland Herzfelde knapp 300 Titel verlegt. Nach Autoren und Zeitabschnitten geordnet, lehnen sie auf Buchstützen durchweg hinter Maschendraht.

 

Mit hochwertig gebundenen, von Autoren signierten und in geringer Auflage gedruckten Vorzugsausgaben sollten broschierte Massenausgaben für einen kleinen Preis mitfinanziert werden. Ein preispolitisches Verlagskonzept, das trotz mancher Existenznot aufging. Für passionierte Malik-Sammler aber stellt dieses Verlagskonzept eine unlösbare Herausforderung dar. Es ist schier unmöglich, eine Sammlung zu komplettieren.

 

Verlagsreihen wie die »Kleine revolutionäre Bibliothek« oder die »Märchen der Armen« sind ebenso anschaulich positioniert wie die Werkausgaben von Upton Sinclair, Maxim Gorki und Ilja Ehrenburg. Die Macher des Malik-Verlags waren Stichwortgeber – auch der klassischen Moderne. Zu sehen ist ein extrem rares Exemplar von »Dada siegt! Eine Bilanz des Dadaismus« von Richard Huelsenbeck. Darin heißt es ganz programmatisch: »Dada macht Revolution aus Freude an der Bewegung, aus überschüssiger Energie.« Die erste – und einzige – internationale Dada-Messe wurde wesentlich von Autoren des Malik-Verlags 1920 in Berlin auf die Beine gestellt. Politisch maßgeblicher aber war der Appell »Steh auf, Prolet!« des linksradikalen Lyrikers Oskar Kanehl aus dieser Zeit.