Häftlings-Export - Sachsen will ausländische Häftlinge ausweisen – Gefangene aus EU-Staaten betroffen

Erstveröffentlicht: 
04.05.2017

Der Freistaat Sachsen will verstärkt ausländische Häftlinge zum Strafvollzug in ihre Heimatländer bringen. Davon sollen zunächst Gefangene aus anderen EU-Staaten betroffen sein.

 

Chemnitz/Leipzig. Angesichts der stark gestiegenen Zahl ausländischer Häftlinge in vollen sächsischen Gefängnissen sollen mehr Gefangene aus EU-Staaten ihre Strafen im Heimatland absitzen. „Die Belegungssituation in unseren Anstalten ist derzeit angespannt“, sagte Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) am Mittwoch. Haftstrafen ausländischer Gefangener müssten daher verstärkt in deren Heimatländern vollstreckt werden.

 

„Einen besonderen Augenmerk werden wir dabei auf polnische und tschechische Gefangene legen, die aufgrund der Grenznähe einen großen Anteil an ausländischen Gefangenen in unseren Anstalten ausmachen“, sagte der Minister. Die „Bild“-Zeitung hatte zuvor von einem Häftlings-Export berichtet.

 

Aus einer Antwort Gemkows auf eine Anfrage des Linke-Abgeordneten Klaus Bartl geht hervor, dass die Kapazitäten in zehn von elf sächsischen Justizvollzugsanstalten (JVA) im März zu mehr als 90 Prozent ausgeschöpft waren. Ab 90 Prozent gilt eine JVA als überbelegt. Mit Quoten von jeweils über 100 Prozent besonders betroffen waren die Frauen-Haftanstalt in Chemnitz (115,4) sowie die JVAs in Dresden (104,5), Görlitz (104,8) und Zwickau (101,9). In diesen Fällen gab es mehr Häftlinge pro Zelle als eigentlich vorgesehen.

 

Aktuell sitzen laut Justizministerium 982 ausländische Häftlinge in sächsischen Gefängnissen. Ihre Zahl habe sich in den vergangenen drei Jahren nahezu verdoppelt, sagte ein Sprecher. Knapp ein Drittel der ausländischen Strafgefangenen kommt aus Nordafrika. Bei 132 handelt es sich um polnische Staatsbürger, 122 sind Tschechen.

 

Die Regelungen innerhalb der EU, die die Verbüßung einer in einem anderen Mitgliedsstaat verhängten Strafe im Heimatland ermöglichten, seien in den vergangenen Jahren vereinfacht worden, sagte der Sprecher. So könnten entsprechende Verfahren nun direkt von den Staatsanwaltschaften eingeleitet werden. Derzeit werde geprüft, wie dieses Verfahren effizienter gestaltet werden könne. Dabei gehe es vor allem um Gefangene, die noch mehr ein Jahr abzusitzen hätten.

 

Bartl warnte vor zu großen Erwartungen. „Wie groß die Neigung der Herkunftsländer ist, Strafgefangene wegen in Deutschland verübter Straftaten in ihren Gefängnissen unterzubringen, wird sich erst noch zeigen“, sagte er. „Fakt bleibt, dass der Freistaat Sachsen durch den großzügigen Abbau von Haftplätzen die derzeitige Überfüllung mit verursacht hat.“

 

Gemkow klammere sich an einen Strohhalm, meinte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Meier. „Nur etwa zehn Prozent der Gefangenen in sächsischen JVAs sind aus dem EU-Ausland, nur die wenigsten davon verbüßen Freiheitsstrafen über einem Jahr.“ Zudem hätten viele von ihnen ihren Lebensmittelpunkt längst in Deutschland. Deshalb sei der Vorschlag auch unter dem Aspekt der EU-Freizügigkeit „äußerst bedenklich“.

 

„Diese Forderung klingt für mich wie der Heilungsplan eines Arztes, der Symptome selbst injiziert, um sie anschließend zu heilen“, meinte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Uwe Wurlitzer. Schließlich sei das Problem auch auf die Zunahme ausländischer Straftäter zurückzuführen. „Die offenen Grenzen hat aber die Partei zu verantworten, der Minister Gemkow angehört – die CDU!“

 

Aus den Reihen der schwarz-roten Koalition wurden die Pläne hingegen begrüßt. „Eine Überführung von ausländischen Gefangenen in Haftanstalten ihrer europäischen Heimatländer entlastet den sächsischen Fiskus“, meinte der Rechtsexperte der CDU-Fraktion, Martin Modschiedler.

 

Sein SPD-Kollege Harald Baumann-Hasske hält es für verfehlt, von „Gefangenen-Exporten“ oder gar „Abschiebung“ zu sprechen. „Zwar hat die Überstellung von Straftätern in ihr Heimatland zur Folge, dass ihr Haftplatz für andere Gefangene zur Verfügung steht. Aber primär geht es darum, einen möglichst heimatnahen Vollzug zu ermöglichen, weil das sehr viel zu einer erfolgreichen Resozialisierung beiträgt.“