[Ol] Aufruf zum autonomen 1. Mai

Raum für Alle Zeit für alles - autonomer 1. Mai

Dieses Jahr steht der 1. Mai für uns unter dem Motto Schluss mit Ausbeutung, Ausgrenzung und Leistungszwang. Gegen den kapitalistischen Normalzustand und für ein selbstbestimmtes Leben wollen wir auf die Straße gehen, um Raum für alle, Zeit für alles zu fordern! Startpunkt ist wie immer um 13 Uhr in der Kaiserstraße.

 

Der Kapitalismus fordert von uns nach wie vor weitere Zugeständnisse, die wir nicht länger hinnehmen können. Die Lage in weiten Teilen der Welt ist angespannt, überall werden Menschen vertrieben und ausgegrenzt, durch Krieg, Ausbeutung oder zerstörte Lebensräume. Gleichzeitig sind konservative und rechte Bewegungen auf dem Vormarsch und schränken unser Streben nach Freiheit und selbstbestimmtem Leben weiter ein. Klingt so, als gäbe es eine Menge zu tun!

 

Auch im ach so beschaulichen Oldenburg ist die Lage nicht so rosig wie sie scheint. In Zeiten des Mangels an bezahlbarem Wohnraum schießen immer mehr exklusive Wohnparks wie Pilze aus dem Boden, der Ausbau des Hafens ist in vollem Gange, der Waffenplatz glänzend saniert und die Kaiserstraße aufgehübscht. Diese Projekte orientieren sich in erster Linie an Personen am oberen Ende der Einkommens- und Vermögensskala, obwohl dieser Marktbereich in Oldenburg seit langem als gesättigt gilt. So werden Menschen aus prekären Verhältnissen, aufgrund der wirtschaftlichen Interessen Anderer, aus ihren Wohnungen verdrängt. Auch wird Räumen für alternatives Leben und Kultur im wahrsten Sinne des Wortes der Boden abgegraben, jüngst zu sehen am Wegfall des Freifeld Festivals.

Soziale Initiativen sehen sich ebenfalls immer stärker in ihrer Existenz bedroht, bestes Beispiel dafür sind die Ereignisse rund um die Nadorster Straße, wo Initiativen der Wohnungslosenhilfe im Zuge der Aufwertung des Viertels weichen sollen. Von dieser Verdrängung sind auch Sexarbeiter*innen betroffen, die ihre verhältnismäßig sicheren und selbstbestimmten Arbeitsräume nach öffentlicher Debatte verlassen mussten.

Besonders betroffen von struktureller Ausgrenzung sind die Geflüchteten, die in Lagern wie Blankenburg, weit ab des Zentrums, ausharren müssen. Hier wurde erst im Herbst vergangenen Jahres durch Schikane und Verlegungen in andere Lager dagegen interveniert, dass sich Geflüchtete öffentlich kritisch mit ihrer Situation auseinandersetzen.

Nicht nur der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum oder die Situation von Geflüchteten ist ein Problem in Oldenburg. Konservative und rechtspopulistische Strömungen fassen auch hier immer weiter Fuß, die AfD holte bei der Kommunalwahl 2016 in einzelnen Wahllokalen über 15% der abgegebenen Stimmen. Der braune Sumpf verdichtet sich.

Doch nicht nur vor der eigenen Haustür sind die Verhältnisse zum Kotzen: Wenn wir über den Tellerrand hinaus blicken sehen wir ähnliche unhaltbare Zustände in vielen anderen Städten und Gegenden. Die Festung Europa ist im Begriff sich einzurichten. Rassismus und Populismus sind auf dem Vormarsch und bedrohen Freiheit und Selbstbestimmung. Antisemitische Verschwörungstheorien werden wieder salonfähig und Hass gegen alles, was irgendwie „anders“ zu sein scheint, wird geschürt. Während weite Teile der Bevölkerung ihre ökonomischen Abstiegsängste dadurch verarbeiten, dass sie weiter nach unten treten, treffen sich im Juli beim G20-Gipfel in Hamburg die politischen Vertreter*innen der „wichtigsten“ Industrienationen. Sie verhandeln unter anderem über weitere Praktiken der Abschottung nach außen und über die Sicherung des eigenen Wohlstands, zu Lasten der weniger Privilegierten.

 

Wir sagen: Schluss mit Ausbeutung, Ausgrenzung und Leistungszwang!

Auf der diesjährigen autonomen 1.Mai Demo wollen wir unserem Ärger Luft machen und gegen die verschiedenen Formen von Unterdrückung und Ungerechtigkeit vorgehen. Es ist an uns allen gelegen, gemeinsam aktiv zu werden und zu sein.

 

Wir wollen: Raum für alle, Zeit für alles!

 

Nicht nur Menschen, auch Widerstand braucht Räume. Ob in selbstverwalteten Zentren, in Wohnprojekten oder als breite gesellschaftliche Perspektive, wie etwa in Rojava. Noch bestehen Orte, in denen andere, solidarische Weisen zu leben erprobt, diskutiert und gelebt werden. Diese Strukturen zu verteidigen und weiter auszubauen ist uns ein Anliegen!

Dabei wollen wir aber nicht stehen bleiben. Es gibt vieles, gegen dass es sich zu kämpfen lohnt, um ein selbstbestimmtes Leben für alle zu ermöglichen!

 

Für viele Menschen stellt kapitalistische Ausbeutung eine mittlerweile unhinterfragte und alltäglich gewordene Einschränkung ihrer Lebensqualität dar. Häufig sind dafür prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder staatliche Sparmaßnahmen verantwortlich. Die globale Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeitskraft, um den übersteigerten Bedarf der Industrienationen zu decken, nimmt Menschen ihre Existenzgrundlage und zwingt sie, ihre Lebensräume zu verlassen.

 

Ob als Verdrängung aus dem eigenen Wohn- oder Arbeitsumfeld, als Ausschluss von öffentlichen Räumen oder in Form von alltäglichen diskriminierenden Praktiken, Ausgrenzung kann von Menschen in verschiedenen Bereichen und aus verschiedenen Gründen erfahren werden. Parteien wie die AfD mit ihren rassistischen, neoliberalen und menschenverachtenden Positionen befördern im Zuge des allgemeinen Rechtsrucks die Ausgrenzung und Ausbeutung vieler Bevölkerungsgruppen. Wie bei allen reaktionären Strömungen stellt dies zudem eine Gefahr für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Menschen, die sich keiner Geschlechterbinarität unterordnen wollen, dar. Nach einer scheinbaren Solidarität mit Geflüchteten wurden die deutschen Asylgesetze weiter verschärft, die EU baut ihre Festung aus und schirmt sich weiter ab.

 

Schon in der frühen Kindheit werden Menschen mit Leistungszwang konfrontiert: Angepasstes funktionieren-Müssen durchzieht die Bildungsbiographie vieler Menschen und soll Verwertbarkeit im kapitalistischen System erzeugen. Die neoliberalen Anforderungen des Arbeitsmarktes erzeugen statt freier Selbstentfaltung einen Wettlauf der Selbstoptimierung, der nur noch mehr Konkurrenz und Druck verursacht. Mit der durch veraltete Rollenzuschreibungen oft an Frauen* delegierten Care-Arbeit, erfahren diese eine unbezahlte Doppelbelastung neben der von ihnen im patriachal-kapitalistischen System erwarteten Lohnarbeit. Kurzfristig wirkende Maßnahmen zur Konjunktur- und Bestandssicherung halten dieses System am Leben, das langfristig durch die Zerstörung von sozialen Gefügen und die Ausbeutung von Ressourcen allgemeinen Wohlstand untergräbt. Bestehende Probleme werden nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben und damit noch weiter verschärft.

 

Was können wir tun?

Es mag zwar nicht besonders revolutionär klingen, doch ein kleiner aber wichtiger Schritt wäre getan, wenn wir in unserem alltäglichen Leben die Anmaßungen und strukturellen Zwänge des kapitalistischen Systems zurückweisen und solidarisch miteinander umgehen. An Stelle von Konkurrenz und imaginären Gemeinschaften – wie dieses Deutschland – sollte konkret gelebte Gemeinschaftlichkeit treten. Diese kann – wie in Rojava – als Ausgangspunkt revolutionärer Alternativen langfristig Markt und Staat überflüssig machen. Denn wir haben keinen Bock mehr uns in einem System zu bewegen, dass uns die Luft zum Atmen und den Raum zum Leben nimmt. In dem Feindbilder wahllos konstruiert und die Gesellschaft gespalten wird.

 

Ein gutes Leben für alle wird nicht zu erreichen sein, wenn wir untätig sind.

Lasst uns den anstehende AfD-Bundestagswahlkampf und den G20-Gipfel zum Anlass nehmen, entschieden auf den öffentlichen Diskurs einzuwirken, statt unwidersprochen jeden Mist zuzulassen.

 

Nehmen wir uns die Zeit, diese Dinge anzugehen.

Faust aus der Tasche, am 1. Mai auf die Straße!