Am Montag, den 6. März 2017, fand in den Räumlichkeiten des Lalu im Hamelner Hefehof eine Veranstaltung über die AfD statt, die schon zuvor auf lokaler Ebene hohe Wellen geschlagen hatte. Der AfD Kreisverband Weserbergland hatte bei der die Veranstaltung organisierenden Volkshochschule (VHS) Hameln-Pyrmont darum gebeten, die Veranstaltung abzusetzen, da sie diese als Hetze gegen die AfD bewerteten (siehe DEWEZET-Artikel). Auch im Kreistag von Hameln-Pyrmont wurde von der AfD ein entsprechender Antrag eingebracht (siehe DEWEZET-Artikel). In beiden Fällen blieben die Bemühungen der AfD zur Einschränkung der politischen Bildungsarbeit jedoch ohne Erfolg. Der Vortrag der Spiegel-Redakteurin Melanie Amann über ihr Buch "Angst für Deutschland" konnte wie geplant stattfinden und erreichte weit über 100 Zuhörer*innen. Einige Antifaschist*innen verteilten vor der Veranstaltung Flugblätter mit Hintergrundinformationen zum lokalen AfD Kreisverband Weserbergland, in denen die extrem rechte Positionierung des lokalen Kreisverbands anhand zahlreicher Fakten belegt wird.
Der Inhalt der Flugblätter ist im Folgenden dokumentiert:
Dieser Text basiert auf einem Online-Artikel von Mikkel Hansen, welcher am 4. Dezember 2016 auf dem Antifaschistischen Nachrichtenportal Niedersachsen (http://afnpnds.noblogs.org/) erschienen ist [1]. Der Text wurde an einigen Stellen mit zusätzlichem Bildmaterial und weiterführenden Informationen angereichert und an anderen Stellen wurden gänzlich neue Aspekte ergänzt. Dieses Flugblatt soll als Informationsgrundlage zur Bewertung des AfD Kreisverband Weserbergland dienen und darf daher gerne weiterverbreitet werden.
NS-Relativierung und Höcke-Unterstützung
Die AfD Weserbergland äußert sich
zum Beschluss gegen den NS-Verbrecher Oskar Gröning – und offenbart: Die
Bezeichnung der Partei als „euroskeptisch“ oder „konservativ“ verkennt deren
geschlossen rechtsextremes Weltbild.
Historische Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (BGH): Am 28. November 2016 bestätigten die Richter*innen
das Urteil des Landgerichts Lüneburg. Dieses hatte den ehemaligen SS-Mann
Oskar Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu vier Jahren Haft
verurteilt. Opfervertreter*innen hatten diesen Paradigmenwechsel in der
Rechtsprechung lange erhofft. Der Rechtsanwalt Thomas Walther, der im Prozess
gegen den ehemaligen Wachmann in Auschwitz mehrere Nebenkläger*innen vertrat,
reagierte erfreut. Mit dem Beschluss sei es künftig „juristisch einfacher,
ehemalige SS-Männer anzuklagen und zu verurteilen“, sagte er gegenüber Spiegel
Online. Auch der Leiter der zentralen Stelle der Länder zur Aufklärung von
NS-Verbrechen in Ludwigsburg, Oberstaatsanwalt Jens Rommel, befand die
Entscheidung des BGH als eine „ganz wichtige“.
Die AfD Weserbergland reagierte mit
einem Beitrag auf ihrer Internetseite auf den Beschluss des BGH, in dem der
Nationalsozialismus relativiert wird. Etwas Gutes daran sei, dass „sich
demnächst niemand mehr in der bundesdeutschen Verwaltung damit herausreden“
könne, „er hätte nur die Verwaltungsvorschriften befolgt“. Verantworten müssten
sich die Verwaltungsangestellten, weil sie „dafür gesorgt“ hätten, „dass
kulturfremde Einwanderer auf die deutsche Bevölkerung losgelassen“ würden. Die
AfD Weserbergland phantasiert „unzählige Totschlagsdelikte, Vergewaltigungen,
Brandschatzungen und Raubüberfälle zusätzlich […], die es ohne beschränkte
Massenmigration niemals gegeben hätte.“ Zudem wäre es im Nationalsozialismus
schwieriger gewesen einen Befehl zu verweigern als heute, da „nachweislich
nicht mal ein Erschießungskommando bei Befehlsverweigerung“ drohe. Hier nutzt
die AfD Weserbergland die Verurteilung von NS-Verbrechen für die eigene
rassistische Agenda und setzt die Beteiligung an 300.000 Morden mit der
Aufnahme geflüchteter Menschen durch kommunale Verwaltungen gleich.
Dieser Beitrag erschien einen Tag
nach dem Beschluss des BGH auf der offiziellen Internetseite des
Kreisverbandes der AfD. Dem Impressum ist zu entnehmen, dass Dr. Manfred Otto
für die Homepage verantwortlich ist. Er ist Vorstandsvorsitzender der AfD Weserbergland
und seit den Kommunalwahlen im September Fraktionsvorsitzender für selbige im
Kreistag von Holzminden. Wo er sich selbst politisch verortet, verdeutlicht ein
Eintrag auf dem twitter-Account der AfD Weserbergland (siehe Bild): Manfred
Otto posiert auf einem Foto mit dem extrem rechten Sprecher der AfD Thüringen,
Björn Höcke. Betitelt ist dieses Bild mit den Worten: „Politisch voll auf einer
Linie.“
Beide zählen zu den 20
Erstunterzeichner*innen der „Erfurter Resolution“, des Gründungspapiers des
völkisch-nationalistischen Flügels innerhalb der AfD.Die bekanntesten
Vertreter des „Flügels“, Björn Höckeund André Poggenburg, sindin der
Vergangenheit immer wieder durch extrem rechte Äußerungen aufgefallen.
Beispiels weise forderte Höcke eine erinnerungspolitische Wende „um 180 Grad“
und bezeichnete das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“.
Außerdem legen die umfangreichen Recherchen des Soziologen Andreas Kemper aus
Münster den Schluss nahe, dass Björn Höcke unter dem Pseudonym „LandolfLadig“
Artikel für eine NPD-Regionalzeitung verfasste, die in seiner Eichsfelder
Wahlheimat verbreitet und von dem militanten Neonazi undNPD-Bundesvorstandsmitglied,
Thorsten Heise, herausgegeben wurde [2]. Jüngst wurde darüber hinaus bekannt,
dass Höcke im Jahr 2010 an einer Demonstrationvon Neonazis in Dresden
teilgenommen hat [3]. In einer umfassenden Expertise zu Björn Höckes
politischem Wirken kommt der Soziologe Andreas Kemper sogar zu der Einschätzung,
dass Höckenach wissenschaftlichen Kriterien nicht als Vertreter des
Konservativismus sondern des Faschismus einzustufen ist [4]. Was es vor diesem
Hintergrund heißt, mit ihm politisch „voll auf einer Linie“ zu sein, sollte
daher klar sein.
Dass diese Begeisterung für den
Thüringer Rechtsaußen nicht nur eine Marotte des ehemaligen Ministerialrats,
Manfred Otto, ist, zeigen die über die offizielle Internetpräsenz der AfD
Weserbergland verbreiteten Bilder von weiteren Kreisverbandsmitgliedern, die
sich ganz offenbar voller Freude an der Seite dieser mehr als fragwürdigen
Figur ablichten lassen.
Zuletzt hat sich die AfD
Weserbergland durch die Wahl von Armin-Paul Hampel zum Direktkandidaten für
die Bundestagswahl 2017 im Wahlkreis 46 (dieser umfasst die Landkreise Hameln-Pyrmont
und Holzminden sowie den Flecken Bodenfelde und die Stadt Uslar) erneut weit
rechts positioniert. Hampel zählt ebenfalls zu den Unterstützern von Höcke, was
dieser erst kürzlich durch seinen Widerspruch gegen den geplanten Ausschluss
Höckes wegen seiner zahlreichen extrem rechten Aktivitäten aus der AfD zum
Ausdruck brachte [5]. Auf der Wahlversammlung im Hamelner Hotel Mercure wurde
zudem eine Resolution gegen den Parteiausschluss Höckes verabschiedet. Hampel
steht aber nicht nur wegen seines autoritären Führungsstils innerhalb des
niedersächsischen AfD-Landesverbandes in der Kritik. Größere mediale Aufmerksamkeit
erregte Hampels Auftritt bei einer Veranstaltung des extrem rechten Vereins „Arbeitskreis
für deutsche Politik e. V.“(AfdP)[6].Kurz nach seiner Gründung war der AfdP in
das Visier staatlicher Ermittler geraten, da sich auf Veranstaltungen des
Vereins extrem rechte Teilnehmer*innen und Referenten*innen befunden hätten.
Noch immer soll der Vorstand der AfdP mit Mitgliedern des extrem rechten
Spektrums besetzt sein.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Vor nun über einem Jahr organisierte
die AfD Weserbergland eine Veranstaltung mit dem sog. Schriftsteller Akif
Pirinçci im Hamelner Hotel Mercure, wo sie sich bis zum heutigen Tage auch
weiterhin regelmäßig (nicht-öffentlich) trifft. Im März 2014 löste die
Veröffentlichung seines Buchs „Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen,
Homosexuelle und Zuwanderer“ neuerlich eine Debatte um Integration und den
gesellschaftlichen Zustand in Deutschland aus. TürkânKanbıçak, Mitarbeiterin
des Pädagogischen Zentrums Frankfurt am Main, fasste den Inhalt so zusammen:
„Kein Stammtischthema wird ausgelassen. Denunziativ, kulturrassistisch,
homophob, frauenfeindlich und voller Menschenverachtung beschwört er den „gegenderten“
deutschen Mann, nun endlich wieder ein ,richtiger Mann‘ zu werden, seine Angst
abzulegen und sich von historischer Schuld zu befreien! Und all dies in
obszöner, vulgärer, sexualisierter Sprache, damit ihn auch jeder versteht.“
Dass ihnen Form und Inhalt der
Arbeiten von Pirinçci zu gefallen scheinen, bringen die AfD-Mitglieder des
Kreisverband Weserbergland mit einem Erinnerungsfoto zum Ausdruck, auf dem sie
sich sichtlich erfreut um diesen Schriftsteller scharen, der auch als Redner
bei einer Pegida-Versammlung in Dresden für Aufsehen sorgte, als er mit Blick
auf den richtigen Umgang mit Geflüchteten in Deutschland äußerte: „Es gäbe
natürlich andere Alternativen, aber die KZ sind ja leider derzeit außer
Betrieb.“ [7].
Doch das politische Bekenntnis des
AfD Kreisverband Weserbergland zu Akif Pirinçci endete mit dieser
ungeheuerlichen Aussage nicht. Aktuell findet sich auch ein Auszug aus dem
kommenden Buch von Pirinçci auf der Homepage des Kreisverbandes, in dem er
verehrende Worte für den Naziwissenschaftler und Erfinder der für zahlreiche
Menschen todbringenden V2-Rakete, Wernher von Braun, findet: wieder eine
Schrift voller Menschenverachtung, Rassismus, Geschichtsrevisionismus und
Chauvinismus.
Dass gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit viele Gesichter hat, zeigen auch weitere Mitglieder der
lokalen AfD. So trat die ehemalige stellvertretende Kreisvorsitzende der AfD
Weserbergland, Annette Schultner, auf einer antifeministischen Demonstration
in Hannover auf, wo sie sich unter anderem gegen die schulische Aufklärung zu
sexueller Vielfalt aussprach. Des Weiteren war sie Gründungsmitglied der ultranationalistischen
„Patriotischen Plattform“ innerhalb der AfD, die sich bereits zu Zeiten des
ehemaligen AfD-Vorsitzenden, Bernd Lucke, für die Zusammenarbeit der AfD mit
der außerparlamentarischen, extremen Rechten in Form von PEGIDA und der sog.
„Identitären Bewegung“ stark machte.
Leugnung des Holocaust
Ein weiteres ehemaliges Kreisvorstandsmitglied,
Gunnar Baumgart, leugnete in einem Beitrag auf seinem privaten Facebook-Profil
den Holocaust. Eine Distanzierung durch den Kreisvorsitzenden Otto erfolgte
erst nachdem lokale und überregionale Medien einen öffentlichen Druck aufgebaut
hatten. Damit schien der Fall erledigt und wegenfehlenden öffentlichen Interesses
wurde das Verfahren gegen Baumgart gegen eine niedrige Strafzahlung
eingestellt.
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt,
wurde die offizielle Distanzierung des AfD Kreisverbandes von Baumgart nur
einen Monat später durch das damalige Vorstandsmitglied und jetzige Kreistagsmitglied
in Hameln-Pyrmont, Eckhard Reichenbach, konterkariert.
In einemviel zu wenig beachteten
Leserbrief in derDeister- und Weserzeitung (DEWEZET) zieht Reichenbachin
vergleichsweise komplexen Formulierungen Parallelen zwischen Baumgart und dem
„Leugner von einst“, Galileo Galilei und deutet an, dass die Geschichte vielleicht
auch den Leugnern des Holocaust irgendwann recht geben mag. Bisher ist diese
Ungeheuerlichkeit nicht weiter thematisiert worden, vielmehr durfte Reichenbach
aufgrund seines Altersdie ersteSitzung des neu gewählten Kreistag mit einer
Rede eröffnen, in der er sich über „Refugeeswelcome“-Aufkleber in Hameln
beklagte.
Verbreitung extrem rechter Ideologie
Auf ihrer Homepage und auch auf ihrer Facebook-Seite
veröffentlicht(e) die AfD Weserbergland immer wiederBeiträge mit verschwörungstheoretischen,
antisemitischen, antifeministischen und rassistischen Inhalten. Die geteilten
Beiträge extrem rechter Medien wie bspw.: „Volksbote“, „Volksbetrug“, „Compact“
und „Identitärer Bewegung“ geben Aufschluss über die Ideologie der AfD
Weserbergland.
Inzwischen wurde die Facebook-Seite „Alternative
für Deutschland – Kreisverband Weserbergland“ gelöscht und eine neue erstellt.
Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kreisverband extrem rechte
Positionen vertritt. Der Post zum Gröning-Urteil belegt einmal mehr das
rassistische, menschenverachtende und NS-Verbrechen relativierende politische
Programm des Kreisverbandes.
Quellenverzeichnis
[1] https://afnpnds.noblogs.org/post/2016/12/04/keine-euroskepsis-keine-zuwanderungskritik/
[2] https://andreaskemper.org/2016/01/09/landolf-ladig-ns-verherrlicher/
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/videos/hoecke-2010-bei-neonazi-aufmarsch-100.html
[4] http://www.th.rosalux.de/fileadmin/ls_thueringen/dokumente/publikationen/RLS-HeftMissionHoecke-Feb16.pdf
[5] http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/AfD-Niedersachsen-will-Rechtspfosten-Hoecke-halten,afd988.html
[6] http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/AfD-Chef-Hampel-spricht-vor-rechtem-Verein-Arbeitskreis-fuer-deutsche-Politik-eV
[7] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/akif-pirincci-pegida-demonstration-fremdenfeindlichkeit-ermittlungen-staatsanwaltschaft-dresden