Ein Jahr danach

Erstveröffentlicht: 
18.02.2017

Im Februar 2016 landeten zwei Fußballer im Krankenhaus. Angeblich hatten Asylbewerber sie mit Metallstangen verprügelt. Und noch immer wird ermittelt.

Von Eric Weser

 

Gröditz. Diese Nachricht schlug ein: Zwei Frauenhainer Amateur-Fußballer sollen nach einem Hallen-Turnier von „einer 20-köpfigen Gruppe Nordafrikanern mit Eisenstangen bewaffnet gejagt und krankenhausreif geschlagen“ worden sein. Das berichtete der Frauenhainer Sportverein Anfang Februar 2016 auf seiner Facebook-Seite unter Berufung auf Zeugen. „Flüchtlinge prügeln Amateurkicker in die Klinik“, titelte die Bild-Zeitung, nachdem die Polizei den Vorfall zunächst bestätigt hatte.

 

Die Nachricht von der Attacke verbreitete sich in Windeseile, vor allem über die sozialen Netzwerke. Etliche überregionale Medien berichteten. Gröditz, das sich nach anfänglichen Querelen um die Einrichtung einer Asyl-Unterkunft zu einer Art Vorzeigekommune im Umgang mit Asylbewerbern gemausert hatte, hatte plötzlich mit Negativ-Schlagzeilen zu tun.

 

Ohne, dass klar war, was genau sich in den frühen Morgenstunden nahe der Asylunterkunft abgespielt hatte, standen die Schuldigen für viele Kommentatoren fest. Auch für die Junge Alternative, die Nachwuchs-Organisation der AfD. Deren Kreischef sprach unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Berichte von einem „feigen Angriff auf Frauenhainer Fußballer durch Asylbewerber“.

 

Spätere Mitteilungen der Polizei und Vor-Ort-Recherchen verschiedener Medien ließen indes Zweifel an der Ursprungsversion der Geschichte aufkommen. So berichteten Anwohner, dass eine Gruppe an der Asylbewerber-Unterkunft ausländerfeindliche Parolen gerufen habe. Handyvideos von Heimbewohnern zeigten angeblich diese Pöbeleien. Unter den Pöblern sollen sich auch die später verletzten 25- und 27-jährigen Fußballer gewesen sein. Die an dem Abend alkoholisierten Kicker jedoch hatten gegenüber der Bild-Zeitung erklärt, selbst am Asylbewerberheim angepöbelt und dann grundlos verprügelt worden zu sein. – All das ist jetzt ein Jahr her. Und in Gröditz spielt der Vorfall in der öffentlichen Diskussion keine Rolle mehr. Sagt Bürgermeister Jochen Reinicke (parteilos). Eine Diakonie-Mitarbeiterin, die Asylsuchende in Gröditz betreut, meint: „Wir haben das eigentlich schon vergessen.“ 

 

Appell gegen Pogromstimmung


Derzeit leben nach Angaben des Landratsamts knapp 100 Menschen verschiedenster Herkunft in der Gröditzer Asylunterkunft. Seit Jahresbeginn habe sich die Zahl der Bewohner „konstant reduziert.“ Auch, weil Ex-Bewohner die Röderkommune in Richtung größerer Städte verlassen.

 

Der Exodus macht sich auch im Gröditzer Alltag bemerkbar. Vor einem Jahr lebten in dem Heim an der Keller-Straße noch mehr als 200 Bewohner. Das fiel auch im Straßenbild merklich auf. Heute ist das anders. Fragt man unter Gröditzern nach, heißt es vielfach, es sei ruhig und unauffällig um die Asylsuchenden geworden.

 

Ruhe reinbringen, das war in der aufgeheizten Stimmung direkt nach dem Vorfall von Anfang Februar 2016 das Ziel. In einem gemeinsamen Appell hatten Bürgermeister, die evangelischen Pfarrer aus Gröditz und Frauenhain, das örtliche Demokratie-Bündnis und die Diakonie zur Zurückhaltung und Besonnenheit aufgerufen. In der Stadt blieb es ruhig – zur Demo der rechtsextremen NPD anderthalb Wochen nach dem Vorfall am Asylheim kamen kaum Besucher.

 

Stadtchef Reinicke hatte seinerzeit zudem die Erwartung formuliert, dass die Strafverfolgungsbehörden den Vorfall binnen weniger Wochen aufklären. Doch auch ein reichliches Jahr später wird in dem Fall noch immer gegen unbekannt ermittelt, so die Dresdner Staatsanwaltschaft. Was bei Norbert Ehme vom Gröditzer Bündnis für Demokratie und Zivilcourage eine gewisse Unzufriedenheit auslöst. „Ich habe schon die Erwartungshaltung, dass die Sache aufgeklärt wird“, sagt er. „Auch als Bürger.“ Ihn wundere, dass das Ermittlungsverfahren so lange dauere.

 

Auf Nachfrage erklärt die Dresdner Staatsanwaltschaft dazu, dass es Nachermittlungen gegeben habe. Zahlreiche Bewohner des Asylbewerberheims seien befragt worden. Das sei aufwendig gewesen, „da zunächst die zu befragenden Bewohner festgestellt werden müssen, um in der Folge einen Termin mit Dolmetscher und Vernehmungsbeamten zu organisieren“.

 

Bei der Staatsanwaltschaft geht man davon aus, „das Verfahren zeitnah zum Abschluss bringen zu können“. Damit bleibt allerdings offen, ob Anklage erhoben, Strafbefehl gestellt oder das Verfahren eingestellt wird. Unklar auch, ob mögliche Verdächtige oder Zeugen von vor einem Jahr überhaupt noch in Gröditz wohnen.

 

Wie auch immer die Sache letztlich ausgeht, sie verdiene einen Abschluss, findet Bündnis-Chef Norbert Ehme. Ob der für genau so viel Aufsehen sorgt wie die Erstmeldung, darf bezweifelt werden.