Demonstrant gegen AfD-Aktion erhält Recht

Erstveröffentlicht: 
16.02.2017

Speyer. An seinen Besuch in Speyer im Februar vergangenen Jahres wird sich der 36-jährige A. aus Offenbach noch lange erinnern. Schließlich wird man nicht jeden Tag von der Polizei zur Feststellung der Personalien mit Handschellen in den Streifenwagen verfrachtet, zur Polizeiwache gefahren und dort sogar zum "Übernachten" angehalten. Gegen den Strafbefehl, der ihm zum Jahresende mit der Forderung auf 600 Euro ins Haus flattert, legt der Hesse Widerspruch ein.

 

Er verlässt nun das Amtsgericht mit seinem Verteidiger Martin Heimen aus Heidelberg und einem juristisch formulierten "Freispruch", da Richter Nikolas Häusler im Einvernehmen mit der Vertreterin der Staatsanwaltschaft nach einer halben Stunde das Verfahren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt nach Paragraf 153 einstellte.

 

Protest-Mauer errichtet

Zum Vorfall vor knapp einem Jahr: Auf dem Platz vor dem Altpörtel kommt es im Landtagswahlkampf zu Protesten gegen einen Wahlkampfstand der Speyerer AfD. Rund ein Dutzend Gegner dieser Partei errichten links neben dem Infostand der Alternativen eine Protest-Mauer aus Pappkartons und verteilen Flugblätter, in denen sie die Fremdenfeindlichkeit und den Nationalismus der AfD anklagen.

 

Zum Streifenwagen geführt

In diese Demonstrantengruppe reiht sich der junge Mann aus Offenbach ein, da er sich mit den im Flugblatt erhobenen Vorwürfen gegen die AfD umgehend identifizieren kann. Bevor die Demonstranten sich hinter der Papp-Mauer postieren, steht schon die Polizei mit mehreren Beamten auf dem Platz, um den reibungslosen Verlauf der genehmigten Wahlveranstaltung zu ermöglichen. Als A. nachfragt, warum die Polizei gegen die AfD-Gegner vorgeht, wird er von einem Beamten "am Arm gepackt", von der Mauer "weggezerrt" und zur Personalienfeststellung zum Streifenwagen geführt.

Den ihm vorgeworfenen Widerstand gegen die Anordnung des Polizisten entkräftet ein von einer Polizeibeamtin per Bodycam gefertigtes Video, das Richter Häusler den Verfahrensbeteiligten und den rund 50 Zuschauern zeigen lässt. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass A. keinerlei Widerstand leistet und seine Hände wunschgemäß auf das Autodach legt. Auch die Wiedergabe eines vom Verteidiger per USB-Stick eingebrachten Video-Mitschnitts dokumentiert, dass der Beschuldigte sich hinter der etwa 1,50 Meter hohen Kartonmauer unauffällig verhalten hat.

Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters schildert A. die "Stimmung" zu diesem Zeitpunkt als "ruhig und sehr statisch". Warum die Polizei gerade ihn aus der Gruppe "herauspickte", kann sich der Festgenommene nicht erklären. Die Aussagen eines Polizeibeamten und einer Speyerer Pädagogin, als Zeugen geladen, werden wegen der Einstellung des Verfahrens nicht mehr benötigt. Richter Häusler kommt zu der Auffassung, "dass alles etwas heiß gekocht worden ist und beide Seiten emotional" gehandelt hätten.

 

"Vorgang ist eine Farce"

Der Beschuldigte kommentiert das Urteil so: "Der ganze Vorgang ist eine Farce. Eigentlich hätte hier die Speyerer Polizei vor Gericht stehen müssen. Sie hat von Anfang an einseitig Partei für die AfD ergriffen und die AfD-Gegner schikaniert. Dass ich festgenommen und in Handschellen aufs Polizeirevier gebracht werde, weil ich gegen den menschenverachtenden Rassismus und Nationalismus der AfD protestiere, ist eine Frechheit."

 

© Schwetzinger Zeitung, Donnerstag, 16.02.2017