Berliner Schüler auf Klassenfahrt fremdenfeindlich angegriffen

Erstveröffentlicht: 
06.02.2017

Der Skiausflug eines Berliner Gymnasiums endete mit fremdenfeindlichen Attacken anderer Schüler. Ein Junge kam mit einem Schleudertrauma ins Krankenhaus.

von Frank Bachner

 

Zum „Tanz der Vampire“ kam man nur mit der Gondel. Die Party stieg in einer Berghütte in Südtirol – Hüttenzauber, das übliche Fest, abends nach einem langen Ski-Tag. Auch Schüler der elften Klasse eines Reinickendorfer Gymnasiums wollten feiern, sie hatten schließlich Winterferien, sie hatten bis dahin viel Spaß bei der traditionellen Schulfahrt. Um 21.15 Uhr am vergangenen Dienstag betraten sie die Hütte.

 

Gut zwei Stunden später hatten sie ein bleibendes Erlebnis, aber anders als gedacht. Rempeleien, üble Beleidigungen, ein Mitschüler, der nach einem Schlag bewusstlos im Schnee liegt, Polizei, Krankenwagen, Anzeigen wegen Körperverletzung, so hatten sich die Berliner die Party nicht vorgestellt. Ein Betreuer, der die Gruppe auf der Hütte begleitete und die Vorfälle miterlebte, sagt: „Die ganze Gruppe war schockiert. Ich stand ebenfalls unter Schock.“

 

Verantwortlich für die Vorfälle, so schildert es der Betreuer, seien Schüler einer Schule in Gelsenkirchen gewesen. Zu der Berliner Gruppe gehörte ein Junge mit thailändischen Wurzeln. Ihn hätten Schüler aus dem Ruhrgebiet schon auf der Hütte, kurz vor Partyende, beleidigt. „,Geh dahin zurück, wo du herkommst‘ – solche Sätze fielen da“, sagt der Betreuer. Außerdem hätten sie ihn angerempelt. Es war nur der Auftakt der Eskalation. 

 

Die Atmosphäre war aufgeheizt


Als die Berliner Gruppe mit dem Betreuer ein paar Minuten später in der Gondel ins Tal fuhr, sah sie aus der Kabine an der Talstation die Schülergruppe aus Gelsenkirchen. „Da habe ich schon geahnt, dass etwas passieren könnte“, sagt der Betreuer. „Ich habe deshalb zu meiner Gruppe gesagt: Wir deeskalieren, wir lassen uns nicht auf Konflikte ein.“ Ein paar Meter neben der Piste warteten Taxis, zu ihnen wollten die Berliner auf direktem Weg.

 

Dazu kam es aber nicht. Die aggressive Gruppe aus Gelsenkirchen bestand aus sechs Schülern, die Berliner waren zu acht plus Betreuer. „Einen Lehrer, der zu der Gelsenkirchener Gruppe gehört hätte, habe ich nicht gesehen“, sagt der Berliner Betreuer. Möglicherweise sei einer in der Nähe gewesen, nicht aber direkt am Tatort. Denkbar sei aber auch, dass die Schüler aus Gelsenkirchen bereits volljährig seien. Dann bräuchten sie ja keinen Erwachsenen mehr als Begleitung. Auf jeden Fall war die Atmosphäre an der Talstation sofort wieder aufgeheizt. Die Gelsenkirchener Schüler beleidigten den Berliner mit den thailändischen Wurzeln. Es kam zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen, es kam zu Rempeleien, der Gedanke an einen schnellen Transport ins Hotel war in Sekundenschnelle obsolet. Der Berliner Betreuer schaffte es nicht, den Streit zu beenden. „Da hatte sich eine Eigendynamik entwickelt.“ Bis die Situation endgültig eskalierte. 

 

Schleudertrauma und eine gerissene Lippe


Ein Schüler der Gelsenkirchener Schule versetzte dem ständig attackierten Berliner Jungen einen derartigen Schlag, dass das Opfer zu Boden ging und minutenlang bewusstlos im Schnee lag. Der Betreuer kümmerte sich sofort um den Schüler, ein Krankenwagen tauchte Minuten später auf, fast zeitgleich kam die Polizei. Die Berliner Schüler hatten inzwischen erfahren, von welcher Schule die Kontrahenten stammen. Die Polizei nahm später die Personalien der betreffenden Schüler auf.

 

Der verletzte Junge kam ins Krankenhaus und wurde Mittwochnachmittag wieder entlassen. Er hatte ein Schleudertrauma, muss eine Halskrause tragen, seine Zahnspange war zerbrochen, die Lippen gerissen. Den Kontakt mit ihren Kollegen aus Gelsenkirchen suchten die Begleiter des Berliner Gymnasiums indes nicht. „Das hätte nichts gebracht, wir wollten es auch nicht“, sagt einer von ihnen.

 

Der verletzte Schüler konnte bis zur Rückreise nicht mehr Ski fahren, er kam mit der ganzen Gruppe am Freitagabend wieder in Berlin an. Ob er am Montag zum Unterricht kommen kann, ist noch nicht klar.