Moschee-Attentat in Kanada - Wegen sechsfachen Mordes angeklagt

Erstveröffentlicht: 
31.01.2017

Der mutmaßliche Attentäter von Québec muss sich vor Gericht verantworten. Er soll sich für Marine Le Pen und die Vorherrschaft weißer Menschen begeistern.

 

QUÉBEC dpa | Der mutmaßliche Attentäter von Québec, der in einer Moschee sechs Menschen erschossen und 19 weitere verletzt haben soll, muss sich wegen sechsfachen Mordes und fünffachen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Die Polizei kündigte diese Anklage in elf Punkten am Montag in der kanadischen Provinzhauptstadt an und identifizierte den mutmaßlichen Täter als den 27-jährigen Alexandre B. Ein zweiter zunächst Verdächtigter, der aus Marokko stammt, wurde am Montag wieder auf freien Fuß gesetzt. Zwei der Verletzten schwebten am Montag noch in Lebensgefahr.

 

Laut Aussagen von Bekannten vertritt Alexandre B. offen Positionen der radikalen Rechten. Der Politikwissenschafts-Student an der Laval University sei von einer „rassistischen Nationalismus-Bewegung“ inspiriert, sagte ein Bekannter der Zeitung Globe and Mail. Ein weiterer Bekannter sagte dem Journal de Québec, Alexandre B. sei „sehr rechts“, „ultra-nationalistisch“ und glaube an die Vorherrschaft von Weißen über Menschen anderer Hautfarbe. Auf Facebook soll er sich unter anderem als Fan der französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen von der rechtsextremen Front National zu erkennen gegeben haben.

 

Kanadas Premierminister Justin Trudeau reiste kurzfristig zu einer Mahnwache nach Québec. Bei einer Rede im Unterhaus des Parlaments in Ottawa, wo ebenfalls eine Mahnwache abgehalten wurde, hatte Trudeau zuvor lückenlose Aufklärung versprochen, nachdem er den Angriff als „Terroranschlag gegen Muslime“ eingestuft hatte.

 

Die vorwiegend katholische Gemeinde der französischsprachigen Provinzhauptstadt debattiert seit längerer Zeit über ihre Identität, wobei die Diskussion teils als muslimfeindlich empfunden wird. So schlug die Partei PQ, die eine Unabhängigkeit der Provinz von Kanada anstrebt, 2013 eine umstrittene „Satzung über die Werte Québecs“ vor, die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst untersagt hätte, offen religiöse Symbole wie Kopftücher oder Schleier über dem Gesicht zu tragen. Das Kruzifix über dem Sitz des Sprechers in der Nationalversammlung Québecs hätte aber erlaubt bleiben sollen.

„Entzweiung, Hass und Rassismus“

„Die Welt schaut auf uns“, sagte Provinz-Premierminister Philippe Couillard in einer Ansprache an die Bevölkerung. „Es ist Zeit, zu zeigen, wer wir sind, unsere beste Seite zu zeigen: Männer und Frauen, die auf Französisch in diesem Stück Nordamerika zusammenleben, das Québec ist.“ Er glaube an eine „selbstbewusste und offene Gesellschaft, einen einladenden Ort“, wo alle Bürger auf gleicher Ebene behandelt würden.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Attacke eine „verachtenswerte Tat“. Das „grausame Attentat auf betende Muslime“ verurteilte auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD). Frankreichs Präsident François Hollande sprach von einem Anschlag auf „den Geist des Friedens und der Offenheit“ in Québec. US-Präsident Donald Trump sprach Trudeau und dem kanadischen Volk in einem Anruf sein Beileid aus.

 

Auch die höchste sunnitische Autorität, die Al-Ashar-Institution in Kairo, verurteilte die „abscheuliche“ Attacke. Derlei Angriffe führten zur Verbreitung von „Entzweiung, Hass und Rassismus“ und schafften den Nährboden für „Terrorismus und Extremismus“. Die ägyptische Regierung und das Nachbarland Jordanien zeigten sich ebenfalls entsetzt.

 

Nationalistische und antimuslimische Organisationen in Québec distanzierten sich von dem Anschlag. „Gewalt ist für uns keine Lösung“, erklärten die Gruppierung Fédération des Québécois de souche und die Organisation Atalante Québec. Auch die islamfeindliche Vereinigung La Meute verurteilte am Montag „jegliche Gewaltanwendung“. Die rechten Gruppen hatten zuvor Trudeaus Einwanderungspolitik immer wieder kritisiert.