Höcke-Auftritt in Dresden löst Proteste aus

Erstveröffentlicht: 
17.01.2017

Die Dresdner Polizei hat am Dienstagabend mit einem großen Aufgebot einen Auftritt des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke im Ballhaus Watzke abgesichert. Die Veranstaltung begann mit einer knappen Stunde Verspätung, da sich am Eingang des Ballhauses eine lange Schlange gebildet hatte, hunderte Gäste verfolgten die Veranstaltung der Jungen Alternative. Pressevertretern regionaler und überregionaler Medien wurde kein Zutritt gewährt, allerdings wurde die Veranstaltung per Livestream übertragen.

 

Etwa 200 Menschen versammelten sich am Abend an der Leipziger Straße zu einer Gegendemonstration. Es flogen einige Schneebälle, ein Rauchtopf wurde gezündet, größere Vorkommnisse registrierte die Polizei nicht. Die Identität von zwei Demonstranten sei festgestellt worden, teilte ein Sprecher aus dem Lagezentrum der Polizei mit.

Im Ballsaal kritisierte Höcke "Altparteien", Bundeswehr, Kirchen und Gewerkschaften und lobte Dresden als Hauptstadt des Widerstandes. Offensichtlich mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagte Höcke auf der Veranstaltung der Jungen Alternative: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Zudem verglich Höcke Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem ehemaligen DDR-Staatschef Erich Honecker.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz bezeichnete Höcke bei Twitter als "Nazi". Der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer schrieb dagegen: Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen. Gilt für AfD und Antifa!" Der sächsische Grünen-Landeschef Jürgen Kasek, der die Gegendemonstration angemeldet hatte, schrieb bei Twitter: "Höcke hat sich mit seinen Aussagen zum Mahnmal der ermordeten Juden in Berlin als überzeugter Antisemit geoutet." Mehrere hundert Zuhörer im Saal bedachten Höcke dagegen mit tosendem Applaus. Gegen 21:00 Uhr war der Großeinsatz der Polizei mit der Abreise Höckes beendet.

 

Update Mittwoch: Bundespolitische Reaktionen

Am Mittwochmorgen reagierten auch mehrere Bundespolitiker auf die Höcke-Reden in Dresden. SPD und Grüne Bundespolitiker kritisierten Höcke für seine Rede scharf. Der AfD-Politiker sagte, bis jetzt sei der deutsche Gemütszustand der "eines brutal besiegten Volkes". "Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben,...vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt..., und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht", sagte Höcke.

SPD-Vize Ralf Stegner sprach bei Twitter von einer "Hetz-Rede" und forderte: "Null Einfluss für das Neonazipack!" Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter nannte die Rede des AfD-Politikers "unsäglich". "Die AfD muss sich unmissverständlich davon distanzieren und sich bei unseren jüdischen Freundinnen und Freunden entschuldigen."

Höcke sprach mit Blick auf die "führenden Altparteien-Politiker" von "erbärmlichen Aparatschiks". Die Regierung Merkel sei "zu einem Regime mutiert" Weder "Habitus noch ihre floskelhafte Phraseologie unterscheidet Angela Merkel von Erich Honecker", sagte Höcke unter "Merkel muss weg"-Rufen der Zuhörer.

Als "zutiefst empörend und völlig inakzeptabel" hat der Zentralrat der Juden die Äußerungen des AfD-Politikers Björn Höcke zum Holocaust-Gedenken in Deutschland bezeichnet. Höcke trete das Andenken an die sechs Millionen Juden, die in der NS-Zeit ermordet wurden, mit Füßen. Mit seinen Worten relativiere der AfD-Politiker dieses schwerste und in dem Ausmaß einzigartige Menschheitsverbrechen, erklärte der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster am Mittwoch.

Der Bundestagsabgeordnete Dieter Dehm hat nach eigenen Angaben Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet. Höcke selbst verteidigte seine Rede in einem Facebookpost, es sei ihm darum gegangen zu hinterfragen, wie wir Deutschen auf unsere Geschichte zurückblicken. Höcke schreibt dort: "In meiner Dresdner Rede ging es mir darum, zu hinterfragen, wie wir Deutschen auf unsere Geschichte zurückblicken und wie sie uns im 21. Jahrhundert identitätsstiftend sein kann. Zweifellos müssen wir uns in unserer Selbstvergewisserung der immensen Schuld bewusst sein. Sie ist ein Teil unserer Geschichte. Aber sie ist eben nur ein Teil unserer Geschichte. Auch darauf habe ich in meiner Dresdner Rede hingewiesen."

 

Polizei-Bilanz zu Einsatz in Dresden

Die Dresdner Polizei veröffentlichte am Mittwochmittag ihr Fazit zum Einsatz an der Leipziger Straße. "Im Verlauf des lautstarken Protests kam es zu vereinzelten Schnee- und Eisballwürfen in Richtung der anreisenden Veranstaltungsteilnehmer sowie Einsatzkräften. Ein 24-jähriger Dresdner muss sich wegen versuchter Körperverletzung verantworten", heißt es in der Pressemitteilung.

"Gegen 18.15 Uhr zündeten Unbekannte im Bereich der Mohnstraße einen Rauchkörper, der in der Folge selbstständig erlosch. Verletzt wurde dadurch niemand. Ab 19.00 Uhr entfernten sich die ersten Gegendemonstranten vom Ort. Darunter eine Gruppe von ca. 50 Personen, die jedoch über die Robert-Matzke-Straße und Leipziger Straße wieder zum Ballhaus Watzke zurückkehrte. Als Einsatzkräfte sie in Höhe eines dortigen Nachtklubs stoppten, flogen erneut Schnee- und Eisbälle auf die Einsatzkräfte. Eine Einsatzbeamtin erlitt durch einen vereisten Schneeblock leichte Verletzungen am Unterarm."

Polizisten kontrollieren Fahrscheine

Die Gruppe löste sich in der Folge auf, 15 Personen von ihnen stiegen anschließend in eine Straßenbahn. Polizeibeamte begleiteten die Gruppe in der Straßenbahn. Da die Beamten den Eindruck hatten, dass niemand einen Fahrschein lösen würde, kontrollierten sie die Personen. Letztlich war es nur eine Person, die keinen gültigen Fahrschein vorweisen konnte. Insgesamt waren gestern 140 Beamte im Einsatz.

(Redaktioneller Hinweis: Update am Mittwochmorgen: Artikel wurde um weitere bundespolitische Reaktionen ergänzt. (via dpa) Auch die Reaktion Höckes und neue Informationen der Polizei wurden ergänzt.)

(1808) #Höcke eben im #Watzke eingetroffen #DD1701 pic.twitter.com/8sYPtS1gN6

— Radio Dresden (@RadioDresden) 17. Januar 2017

Wer nach dem #AfD Auftritt heute in #Dresden daran zweifelt, dass wir das wiedererwachen des NS sehen, dem ist nicht mehr zu helfen. #noafd

— Jürgen Kasek (@JKasek) 17. Januar 2017

@Herr_Decker @LenaKampf Das ist ein Nazi. Und er ist dort nicht der einzige.

— Marco Wanderwitz (@wanderwitz) 17. Januar 2017