Haarscharf am Gefängnis vorbei

Erstveröffentlicht: 
13.01.2017

Angriffe auf Journalisten und Beihilfe zum Brandanschlag auf eine Asylunterkunft: 23-Jährige verurteilt.

Von Alexander Schneider

 

Dresden. Bis zum Sommer 2015 ist Aniko A. nur wegen Schwarzfahrens und einer Sachbeschädigung aufgefallen. Doch schon da muss die 23-jährige Dresdnerin tief in der braunen Szene verwurzelt gewesen sein. Am 24. Juli läuft sie in einem Tross bekannter Rechtsextremer zu einer NPD-Demo in der Bremer Straße – dem Tag, als dort die ersten Flüchtlinge in den eilig aus dem Boden gezimmerten Zelten einziehen sollten. Sie laufen mitten durch die versammelten Gegendemonstranten auf der anderen Straßenseite. Eine gezielte Provokation. Die Polizei muss das erste Mal einschreiten. Dann, gleich nach der NPD-Demo, greift Aniko A. ein ZDF-Team an, das eine ältere Teilnehmerin interviewen wollte. Die 23-Jährige geht auf die Journalisten los, schubst, schlägt mit einer Flasche auf Mikrofon und Kamera.

 

Am 21. August, wieder ein Freitagabend, blockiert Aniko in Heidenau mit anderen bekannten Rechtsextremisten die Bundesstraße vor der Asylunterkunft in einem umgebauten Praktiker-Baumarkt. Sie wollen die Ankunft der ersten Asylbewerber verhindern. Aniko A. wirft eine kleine Plasteflasche auf einen Fotografen und schimpft, er solle abhauen.

 

In der Nacht zum 7. Oktober werfen vier Täter Brandsätze auf die leer stehende Schule in der Boxberger Straße. Sie wollen verhindern, dass dort in den nächsten Tagen Flüchtlinge einziehen. Aniko A. tauscht schon am Abend des 5. Oktober mit einem der Täter Handy-Nachrichten aus, offenbar als beide dort abends an einer Demo teilnehmen. Der Mann schreibt: „Wir lassen Prohlis leuchten“ – A. antwortet unter anderem mit Sätzen wie „können es erst morgen machen“ und „morgen besser, da sind keine Bullen da“.

 

Aniko A. wurde am Freitag am Landgericht Dresden verurteilt – unter anderem wegen Beihilfe zu einer Brandstiftung, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Nötigung. Sie erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die das Gericht zur Bewährung aussetzte. Außerdem muss sie 150 Arbeitsstunden leisten und zusehen, dass sie einen Job oder gar einen Ausbildungsplatz bekommt. Wenn sie in den kommenden drei Jahren gegen ihre Auflagen verstößt, wandert sie ins Gefängnis. „Wir werden sehr genau aufpassen“, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Kubista.

 

Aniko A. stammt aus prekären Verhältnissen, war vier Jahre in einer Jugendeinrichtung bei Berlin. Sie hat keinen Schulabschluss, keine Lehre, lebt seit Jahren von der Stütze. Ihre Freunde, das wurde auch in dem Prozess klar, stehen hinter ihr. Die junge, sehr naive Frau hatte die beiden Übergriffe auf die Journalisten gestanden und sich bei ihnen entschuldigt. Sie lieferte allerdings auch fadenscheinige Erklärungen. In der Bremer Straße seien Bäume gefällt worden, das habe sie interessiert. Kein Wort davon, dass sie ihre Handynachrichten mit Hakenkreuzen garniert, dass sie schreibt, Asylbewerber sollten an Schweine verfüttert werden. Darauf angesprochen sagte sie, das sei nicht ihre Meinung.

 

Mit dem Brandanschlag habe sie nichts zu tun. Das nahm ihr die Kammer nicht ab. „Was sie gemacht haben, reicht für eine psychische Beihilfe“, sagte Kubista. „Beifall-Klatscher“ vor einer brennenden Unterkunft würden ebenfalls die Täter bestärken, das sei vergleichbar. Kubista nennt die Tat mehrfach „widerlich“, „menschenverachtend“ und „abscheulich“. Seine Kammer hatte im Sommer bereits die vier Täter verurteilt, die die Molotow-Cocktails auf die Schule geworfen hatten. Sie erhielten zweieinhalb bis dreieinhalb Jahre Haft.

 

Aniko A. sei „haarscharf am Gefängnis vorbeigeschrammt“, so Kubista. Bei einer Strafe von über einem Jahr hätte die Kammer keine „besonderen Umstände“ für eine Bewährungsaussetzung gefunden. Er riet der Frau dringend, sich von der rechten Szene zu distanzieren: „Sie sind in absehbarer Zeit im Knast, wenn Sie sich so weiterentwickeln.“

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hatte eineinhalb Jahre ohne Bewährung gefordert, Verteidiger Henning Scheiner maximal ein Jahr.