Abschied vom Sippenoberhaupt

Erstveröffentlicht: 
29.12.2016

In Salzgitter beteiligten sich ehemalige Anführer der verbotenen „Wiking-Jugend“, völkische Aktivisten, NPDler und Hooligans an der Trauerfeier für den ehemaligen SS-Angehörigen  Sepp Biber.

 

Von Andrea Röpke

 

Der Waldfriedhof im niedersächsischen Salzgitter ist ein idyllisches Plätzchen. Ruhig und immergrün. Das neu errichtete schmale Birkenkreuz zentral in der Mitte der Anlage gelegen, fällt erst auf den zweiten Blick ins Auge. Es erinnert an die Gräber für Hitlers Wehrmacht. Hier fehlt nur der Stahlhelm. Tatsächlich ist darauf in zackigen Buchstaben nur „Sepp“ zu lesen, rechts und links davon ziert eine Rune den Stamm. Das Birkenkreuz berührt einen grauen Grabstein. Der erinnert an die Ehefrau Erika Biber, verstorben 1987.

 

Wenige Tage vor Weihnachten 2016 wurde Sepp Biber von bundesdeutschen Neonazis und seiner Familie in der Stadt der ehemaligen Hermann-Göring-Werke in Niedersachsen beigesetzt. Seither erhält die Grabstätte eine politische Brisanz, denn sie könnte für Völkisch-Nationalistische und NS-Heldenverehrer zur Kultstätte werden. Bereits die Trauerfeier mit der Präsenz früherer Angehöriger der verbotenen militanten „Wiking-Jugend“, rechten Hooligans um Henrik Ostendorf, Wortführern wie Thomas Wulff, ehemaligen Anhängern der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) wie Martin Götze, Lutz Giesen,  Gerd Ulrich und Holger Steinbiss sowie NPD-Politikern wie Stefan Köster, Manfred Börm, Manfred Dammann, Torgej Klingebiel und Uwe Meenen machte es am 22. Dezember  zu einem Politikum.

 

Nach der Beerdigung gemeinsam noch im „Ratskeller“

 

Die Familie, allen voran die NPD-Politikerin Edda Schmidt aus Bisingen, hätte den Vater still im Familienkreis verabschieden können, doch die Angehörigen des ehemaligen SS-Angehörigen und NPD-Anhängers Sepp Biber fanden sich nach der Beerdigung noch gemeinsam mit anderen Teilnehmern im „Ratskeller“ in Salzgitter ein.

 

Lange schon setzt Edda Schmidt scheinbar die Tradition ihrer NS-orientierten „Sippe“ fort, nicht nur Brauchtum und völkische Tradition sollen an die Nachkommen weitervermittelt werden. Bereits 1988 berichtete die Hamburger „Zeit“ über Wehrkampf und Nachwuchswerbung bei der „Wiking Jugend“ am Beispiel der Familie von Edda Schmidt. Ihre Kinder sollten demnach das „unermüdliche Wirken für die volkstreue Sache“ fortsetzen, hieß es damals in dem Artikel der Wochenzeitung.

 

Das politische Erbe der Eltern übernommen

 

Mit Sepp Biber ist einer der letzten überlebenden Angehörigen der SS gestorben, der zur verbotenen „Wiking Jugend“ (WJ), wie auch zur rassistischen „Artgemeinschaft – Germanischen Glaubensgemeinschaft“ gehörte, aber vor allem wegen seiner äußerst umtriebigen Tochter Edda bundesweit in der Szene bekannt wurde. Die Mutter Erika war im Dritten Reich Anführerin des „Bundes Deutscher Mädel“, in den 1960er Jahren siedelte die Familie von Österreich nach Deutschland über und brachte sich in der „volkstreuen Jugendbewegung“ ein. Schmidt heiratete den damaligen Vorsitzenden des Hochschulbundes der NPD und steht seither in der Öffentlichkeit.

 

Während sich die beiden Biber-Söhne im Hintergrund hielten, übernahmen vor allem die beiden Töchter des politische Erbe ihrer Eltern – zunächst führend in der WJ.  Das Einführen „neumodischer Sitten“ auf WJ-Lagern soll Edda Schmidts Ärger hervorgerufen haben, berichtete „Die Zeit“.  Die völkische Aktivistin echauffierte sich demnach derart über Verstöße gegen das Alkohol- Nikotin- und Jeansverbot im damaligen Zentrum in Hetendorf, dass sie daraufhin gemeinsam mit einigen anderen die „Wiking-Jugend“ verließ. Ein neuer „deutscher Jugendbund“ wurde errichtet: Der „Sturmvogel“.

 

Wintersonnenwende mit Familien zum Gedenken

 

Als Erika Biber 1987 starb, bedachten ihre Kinder deren Grab auf dem Waldfriedhof von Salzgitter mit der abgewandelten SS-Parole „Ihre Ehre hieß Treue“ und der Abbildung einer heidnischen Irminsul. Ihr Ehemann Sepp, Freiwilliger der verbrecherischen SS-Division „Hitlerjugend“, trat noch hochbetagt als Referent vor NPD- und Kameradschaftskreisen auf. Tochter Edda Schmidt gründete 2006 die NPD-Unterorganisation „Ring Nationaler Frauen“ mit und führt den baden-württembergischen Ableger an. Ihre Töchter leben in Niedersachsen.

 

Einen Nachruf für Sepp Biber hatte zuvor das Heft „Ein Fähnlein“ des Bremer Neonazis Henrik Ostendorf online gestellt, er verbreitete sich schnell in den sozialen Medien. Ostendorf beteiligte sich mit dem Leipziger Hooligan Nils Larisch an der Feier in Salzgitter. Der Stützpunkt „Mittelsachsen“ der Neonazi-Partei „Der III.Weg“ gedachte Biber von Zuhause aus – im Rahmen einer Wintersonnenwendfeier mit Familien.

 

Kranz von den „Wiking Kameraden“

 

Mitte Dezember 2016 sei Sepp Biber mit 89 Jahren „zur großen Armee abgerufen“ abberufen worden, meldete auch die  rassistische  „Artgemeinschaft“.  Er soll „bis zum Schluss unserer Art und Weltanschauung“ treu geblieben sein, heißt es auf deren Facebook-Account und weiter: „Möge er weiterhin als Vorbild für die kommende Jugend gelten. Ein letztes Heil Dir“. Biber war Autor der Schrift „Weihnachten – Nordisches Fest“, herausgegeben von der als verfassungsfeindlich eingestuften „Artgemeinschaft“. Als stellvertretender Landesvorsitzender der NPD in Baden-Württemberg, hatte er 2003 in der „Deutschen Stimme“ Kritik an der NSDAP zurückgewiesen und war der Behauptung entgegengetreten, die propagierte „Volksgemeinschaft“ sei gescheitert. Biber schrieb: „Wir haben sie erlebt. Ohne sie wären auch die großartigen Leistungen des deutschen Soldaten und der Menschen in der Heimat nicht möglich gewesen.“

 

Für ihren Trauerkranz wählten die „Kinder und Kindeskinder“ die  Schleife wohl nicht zufällig in den Farben schwarz, weiß und rot. Diese Farben gelten als Symbol für das Deutsche Reich. Die Kränze für Sepp Biber in Salzgitter legten Zeugnis ab von einer unbelehrbaren Weltanschauung: „In Treue fest – Deine Wiking Kameraden“ stand dort. Auf einem anderen war zu lesen „Sippe Nahrath / Börm“, diese beiden Familien führten die „Wiking-Jugend“ bis zum Verbot an.