Bundeswehr Keine Kosten-Klarheit bei Drohnen-Deal

Erstveröffentlicht: 
25.11.2016

Die Bundeswehr will Drohnen anschaffen, die auch bewaffnet werden können. Die Maschinen des Typs "Heron TP" könnten allerdings deutlich teurer werden als bislang geplant. Eine detaillierte Übersicht über die Kosten hat das Ministerium bis heute nicht vorgelegt.


Von Christian Thiels, tagesschau.de

 

Kein Düsengeheul, kein Überschallknall - sehr bedrohlich hören sich die "Heron TP"-Drohnen des israelischen Rüstungskonzerns IAI nicht an und irgendwie sehen sie auch nur aus wie überdimensionierte Modellflugzeuge. Und dann der Name: "Heron", zu Deutsch also "Reiher" - das klingt nach friedlicher Naturschutzgebiet-Idylle.

 

Doch die ferngelenkten Flieger sind präzise Kampfmaschinen. Sie können stundenlang in der Luft bleiben und ihre Ziele punktgenau mit Raketen vernichten. Diese todbringenden Reiher hätte auch die Bundeswehr gerne. 

 

Die Konkurrenz zieht vor Gericht


Bislang setzen die deutschen Streitkräfte nur unbewaffnete Drohnen ein. Die Beschaffung von "Heron TP"-Drohnen ist erklärtes Ziel der Verteidigungsministerin. Für einen entsprechenden Leasing-Vertrag, an dem neben den Israelis auch der Airbus-Konzern beteiligt ist, sind fast 600 Millionen Euro vorgesehen. Deutlich teurer als der Kauf des Konkurrenzproduktes "Predator" - sagt zumindest dessen Hersteller, der US-Rüstungskonzern General Atomics.

 

Das Unternehmen hat deshalb sogar eine Wettbewerbs-Klage beim Oberlandesgericht Düsseldorf angestrengt. Das Urteil steht zwar noch aus, aber selbst wenn die Justiz den Drohnen-Deal mit Israel am Ende erlaubt, zeichnet sich schon jetzt ab, dass die "Heron TP"-Maschinen noch teurer werden könnten als ursprünglich vorgesehenen. 

 

Mehrbedarf zeichnet sich ab


Zwar ist das Verteidigungsministerium dem Haushaltsausschuss seit Monaten eine detaillierte Kosten- und Wirtschaftlichkeitsanalyse schuldig, doch eine Antwort des Wehrressorts auf eine Anfrage der Linksfraktion deutet schon jetzt einen finanziellen Mehrbedarf an. In dem Brief von Staatssekretär Markus Grübel an den Linkspartei-Abgeordneten Andrej Hunko, der tagesschau.de vorliegt, ist von der Option eines leistungsstärkeren und mithin natürlich auch teureren Radars die Rede.

 

Auf Nachfrage von tagesschau.de schreibt das Ministerium beschwichtigend, ein Ersatz des derzeit in der "Heron TP"-Drohne eingebauten Radars sei derzeit nicht geplant. Warum aber taucht es dann im Schreiben des Staatssekretärs auf? Dort ist auch von einem oder zwei Simulatoren zu lesen, die Teil des Drohnen-Deals sein sollen. Auch das wirft Fragen auf.

 

Das Verteidigungsministerium hatte die Entscheidung zugunsten von "Heron TP" auch damit begründet, dass die Bundeswehr schon jetzt das unbewaffnete Vorgängermodell "Heron 1" betreibe und die Umschulung auf den vorhandenen Simulatoren schnell, einfach und kostengünstig möglich sei. Auf Anfrage erklärt das Ministerium nun, die vorhandenen Simulatoren habe man nur gemietet und müsse sie nun wieder an die Industrie zurückgeben. Was eine erneute Anmietung kosten wird, kann das Wehrressort nicht beziffern, da die Bewertung des Heron-Angebots "noch nicht abgeschlossen" sei. 

 

Abgeordnete stellen Fragen


Für Andrej Hunko von der Linkspartei ist genau diese Unklarheit kaum nachvollziehbar. Trotz mehrmaliger Nachfrage sei das Verteidigungsministerium angeblich nicht in der Lage, den im Angebot enthaltenen Kostenrahmen zu nennen. "Als Abgeordnete verlieren wir dadurch die Kontrolle über die Finanzen. Ich gehe davon aus, dass die Gesamtkosten der fünf Kampfdrohnen am Ende weit über einer Milliarde Euro liegen werden", sagt Hunko.

 

Zumal aus seiner Sicht weitere versteckte Kosten drohen. Noch sei unklar, wer etwa die Satellitenverbindungen bezahlen werde, die man für Steuerung und Datenübermittlung der Drohnen benötige. 

 

Eine Vergleichsmöglichkeit wird gefordert


Über die tatsächlichen Gesamtkosten für von der Leyens Drohnen-Deal würden auch andere Abgeordnete gerne mehr wissen. Tobias Lindner, der für die Grünen im Haushalts-Ausschuss sitzt, fragt sich zudem, ob das Angebot aus Israel tatsächlich preiswerter ist als die amerikanische Konkurrenz: "Es kann ja sein, dass das Produkt 'Heron TP' tatsächlich das bessere ist, auch das günstigere oder wirtschaftlichere, aber ich habe bis heute keine vergleichende Untersuchung zwischen dem amerikanischen und dem israelischen gesehen, aus der ich ableiten könnte, warum sich das Verteidigungsministerium so entschieden hat."

 

Und selbst bei Abgeordneten der Koalition gibt es nach wie vor viele Fragezeichen. Belastbare Unterlagen haben man immer noch nicht bekommen, bemängelt etwa die Sozialdemokratin Karin Evers-Meyer, die wie Lindner im Haushaltsausschuss über den Wehretat wacht: "Solange wir das nicht haben, können wir auch nicht entscheiden."

 

Klarheit erst im April


Eine detaillierte Kosten- und Leistungsaufstellung will das Verteidigungsministerium aber erst im April kommenden Jahres vorlegen - rund 15 Monate nach der Entscheidung für die israelische Drohne. Das ist selbst für Bundeswehr-Verhältnisse ziemlich lang.

 

Für Andrej Hunko ist das nicht akzeptabel: "Wir lassen uns nicht bis zum Frühjahr kaltstellen. Auch ohne das Angebot von Airbus im Einzelnen zu prüfen, muss die Bundesregierung mitteilen, welche Maximalkosten der Rüstungskonzern für die Beschaffung veranschlagt."