Brandanschlag erste Reaktion? | Kampf gegen Neonazi-Bande in Chemnitz

Ein verschandeltes Büro der Linken auf dem Sonnenberg
Erstveröffentlicht: 
08.11.2016

Chemnitz – Der Stadtrat wird Dienstag beschließen, den Chemnitzer Polizeipräsidenten häufiger ins Plenum zu laden. Er soll künftig die Stadträte über „wesentliche Lageänderungen in der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ informieren.


Der Polizeipräsident sollte damit gleich in der nächsten Sitzung anfangen.

Denn in Chemnitz tobt ein Kampf zwischen Linksautonomen und einer Gruppierung von Neonazis.

Die neue Gefahr für Chemnitz begann mit der Gründung der Gruppe „Rechtes Plenum“ vor 16 Monaten. Vor vier Tagen erschien dann ein 58-seitiges Dossier, das ein Netzwerk von Autonomen über diese radikale Gruppe erstellt und im Internet („linksunten.indymedia“) veröffentlicht hat.

ES IST DIE KAMPFANSAGE GEGEN EINE NEONAZI-BANDE IN CHEMNITZ!

Im Dossier „Rechtes Plenum“ werden 14 Rechtsextreme mit Namen, größtenteils mit Adressen und teilweise mit Arbeitgebern genannt, dazu werden Klar-Fotos veröffentlicht, die die elf männlichen und drei weiblichen Neonazis bei Demos, Dreharbeiten für Werbevideos, Fotoshootings, teils mit rechten Klamotten zeigen.

Laut „Indymedia“ haben sich die Rechten „ein Viertel ausgesucht, in dem es schon eine rechte und rechtsoffene Infrastruktur gibt.“

Auf dem Sonnenberg hätten sich „eher sozial Schwache“ angesiedelt. „Zu ihnen zählen in Chemnitz viele Rechte, die kritische Zivilgesellschaft ist eher schwach.“

Wer sind laut des Dossiers Mitglieder des „Rechten Plenums“?

►Zum Beispiel Patrick K. (23). Im Dossier (mit ausgeschriebenem Namen) heißt es: „...So finden sich unzählige Bilder von ihm mit Hitlergruß, in Szene gesetzte Waffen und Tattoos oder bekleidet mit Sturmhaube.“

An einer Wand in seiner Wohnung soll ein Hitler-Porträt an der Wand zu sehen sein. Gegen ihn sei wegen Übergriffen und Anschlägen auf politische Gegner ermittelt worden. Laut „linksunten-indymedia“ spielte Patrick K. im Hitler-Film „Er ist wieder da“ mit und „vernetzte sich bundesweit mit Nazis“. Er nahm an mehreren rechten Demos teil.

►Fips N. (20) gilt laut Dossier als „einer der führenden Köpfe des ,Rechten Plenums.“ Er soll bei der Polizei unter Beobachtung stehen, auch eine Hausdurchsuchung soll es bei ihm gegeben haben. Fips N., so das Netzwerk, nahm an mehreren Videodrehs und Fotoshootings des ,Rechten Plenums‘ teil.

►Oder N.S. (21), eine junge Frau, wohnhaft seit wenigen Wochen auf dem Sonnenberg, um „gemeinsam mit anderen Mitgliedern des ,Rechten Plenums‘ den ‚Nazi-Kiez‘ weiter auszubauen.“

Fotos im Dossier zeigen N.S. mit T-Shirt-Aufruck HKNKRZ – was mit Vokalen Hakenkreuz bedeutet. Oder sie trägt eine Tasche mit dem Aufdruck „I ❤ NS“, was sicher nicht für ihre Initialen steht.

Wenige Wochen nach dem Einzug der 21-Jährigen waren Straßen in ihrem Wohngebiet mit Asphalt-Schmierereien „I ❤ NS“ versehen. Unklar, wer dafür verantwortlich ist. Auch Anschläge auf das Abgeordnetenbüro der Linken Susanne Schaper nahmen nach dem Zuzug von Rechten auf den Sonnenberg zu.

Warum veröffentlicht das Netzwerk „Indymedia“ die detaillierten Informationen? In der Einleitung ihres Dossiers schreiben die Verantwortlichen über das „Rechte Plenum“: „Sie verüben Gewalttaten, versprühen und kleben massiv Propaganda und wollen sich damit einen Raum schaffen, in dem sie frei von Widerstand und Repression tun können, was sie wollen. Wir wollen das nicht, deshalb haben wir viele Infos zusammengetragen und präsentieren sie hier als umfangreiches Outing.“

Rund 40 Stunden nach der Veröffentlichung des Dossiers brannte auf dem Sonnenberg ein Renault Laguna – in unmittelbarer Nähe der Wohnungen mehrerer der „geouteten“ Rechten. In der Nacht gab es Gerüchte, das Auto würde einem der 14 Neonazis gehören.

Auf BILD-Anfrage bestätigte die Polizei, dass es sich um einen Brandanschlag handelt.

Polizeisprecherin Jana Kindt zu BILD: „Das Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizeiinspektion Chemnitz hat die Ermittlungen gegen Unbekannt übernommen, weil wir momentan eine politisch motivierte Tat nicht ausschließen können. Ein Anhaltspunkt dafür ist auch die Veröffentlichung auf der Internetplattform ,indymedia‘.“

Im Stadtteil Sonnenberg wird vorerst keine Ruhe einkehren.