"Reichsbürger" auch im Münsterland

Erstveröffentlicht: 
24.10.2016

Münsterland - Die sogenannten "Reichsbürger" fallen auch im Münsterland immer wieder auf. Aufseiten der Behörden hat lediglich die Kreispolizeibehörde Coesfeld nach eigenen Angaben noch keine Bekanntschaft mit den Mitgliedern dieser obskuren Gesellschaft gemacht. Ansonsten gilt für die Regi­on, was das Düsseldorfer Innenministerium für ganz NRW diagnostiziert: „'Reichsbürger' sind ein flächendeckendes Phänomen."

 

Der ideologische Überbau der sektenartigen Gruppe ist groß – "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an und beharren darauf, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1914 oder 1937 fortbesteht. Gemessen daran sind ihre Aktionen im Münsterland bislang politisch nicht übermäßig aufgeladen und gottlob gewaltfrei. "Reichsbürger" fallen oftmals durch ihre Weigerung auf, Strafzettel zu zahlen und Bußgelder zu akzeptieren.

Nach dem Vorfall in Georgensgmünd, wo ein "Reichsbürger" unlängst auf vier Polizisten geschossen und einen von ihnen tödlich verletzt hat, sind auch im Münsterland die Behörden wachsam geworden. „Wir lassen uns jetzt alle Vorfälle mit 'Reichsbürgern' melden“, sagt beispielsweise der Leiter der Haupt- und Personal­amtes im Kreis Steinfurt, Paul Jansen. Das Ziel ist, den Überblick über eine Gruppe zu erlangen, die bis vor einem Jahr kaum jemand kannte.

Autofahrer zeigte Reichsführerschein

Fest steht: Die Anzahl der "Reichsbürger" ist auch in der Region überschaubar. Von rund zehn Mitgliedern geht der Kreis Steinfurt aus, zwölf vermutet der Kreis Coesfeld, „eine Handvoll“ die Kreis­­po­lizei in Borken. Für den Kreis Warendorf und die Stadt Münster gibt es keine Schätzung. Der Verfassungsschutz geht NRW-weit von einer Zahl im niedrigen dreistelligen Bereich aus.

Das sind nicht nur Spinner, das ist ein ernst zu nehmendes Phänomen.

NRW-Innenministerium in einer Stellungnahme

Aktenkundig geworden sind sie bisher in Bocholt und Rhede, in Metelen, Rheine, Münster und Dolberg, einem Ortsteil Ahlens. Dort hat ein Mann die „Staatliche Gemeinde Dolberg“ ausgerufen. Was auffällt, ist: Wie überall im Land treten "Reichsbürger" auch regional seit einem Jahr vermehrt in Erscheinung. Wie es scheint, sind sie nicht organisiert.

Dennoch können sie die Behörden mächtig nerven. In Steinfurt zeigte ein Autofahrer der Polizei unlängst einen "Reichsführerschein", in Warendorf verweigerte ein rasender "Reichsbürger" die Annahme des Strafzettels, in Bocholt akzeptierte ein Gesinnungsgenosse den Dienstausweis eines Gerichtsvollziehers nicht. In Rheine wollte ein Mann bei der Stadtverwaltung seinen Personalausweis abgeben – in Münster forderte jemand ­­ei­nen "Reichs-Ausweis".

Zusehends radikalisiert

Im Amtsgericht Bocholt, so erzählt Direktorin Tanja Rasche-Iwand, fielen Reichsbürger auf, weil sie Straf­prozesse filmten oder Verhandlungen störten. Die vier münsterländischen Kreisverwaltungen berichten unisono von Ärger mit "Reichsbürgern", die sich zunächst zwar weigerten, Bußgelder oder Unterhaltstitel zu bedienen, letztlich aber fast immer klein beigäben. „Bei uns ist in der Zwangsvollstreckung bisher kein Betrag offengeblieben“, sagt Coesfelds Kreissprecher Christoph Hüsing. Und Rasche-Iwand weiß, dass auch die "Reichsbürger" Bußgeld­bescheide schnell akzeptierten, sobald ihnen eine Ersatzfreiheitsstrafe angedroht wird.

 

Sind die "Reichsbürger" am Ende womöglich doch eher lästige Spinner, nervige ­Querulanten oder ganz simpel Zeitgenossen der Kategorie „unangenehm“? „Das sind nicht nur Spinner, das ist ein ernst zu nehmendes Phänomen“, erklärt das NRW-Innenministerium auf Nachfrage. Die Mitglieder hätten sich zuletzt zu­sehends radikalisiert. Darum beobachtet der NRW-Ver­fassungsschutz die Aktivi­täten der Mitglieder. Und das nicht erst nach den traurigen Vorfällen im bayerischen Georgensgmünd.