Reaktionen auf Bautzen - Köpping setzt auf Gespräche, Ulbig auf Polizei

Erstveröffentlicht: 
16.09.2016

Die schweren Ausschreitungen zwischen asylsuchenden Jugendlichen und Deutschen in Bautzen haben die Politik in Sachsen aufgeschreckt. Die Schlussfolgerungen und Forderungen in der Koalition und in der Opposition sind unterschiedlich. Sie reichen von Besonnenheit bis Schuldzuweisungen.

 

Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping sieht die Integration von Ausländern in Sachsen trotz der Vorfälle in Bautzen auf einem guten Weg. Diese Ausschreitungen würden vorhandene Probleme stark ins Licht rücken, während über Fälle funktionierender Integration nicht berichtet werde, sagte die SPD-Politikerin MDR SACHSEN.

 

Umdenken kann nicht erzwungen werden


Köpping räumte aber auch ein, dass Anfeindungen, Vorurteile und Gewalt gegen Ausländer in Sachsen noch weit verbreitet seien. Sie habe bei Gesprächen mit Bürgern gemerkt, wie stark die Ablehnung von Asylbewerbern in den Köpfen verankert sei. Dieser jahrelange Prozess könne nicht über Nacht umgekehrt werden. Zudem würden im März beschlossene Maßnahmen wie die Installation von Integrationskoordinatoren noch nicht wirken. Die Ministerin lobte zugleich das große Engagement von Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens und zeigte sich enttäuscht, dass die gewünschte Wirkung bisher ausgeblieben sei. Es gebe eine bislang schweigende Mehrheit von Demokratiebefürwortern, die sich mehr engagieren müsse.

 

CDU will konsquent handeln


Während die Integrationsministerin vor allem Gespräche favorisiert, setzt Innenminister Markus Ulbig auf mehr staatliche Präsenz und Strafverfolgung. "Wir werden Gewaltexzesse wie die in der vergangenen Nacht in Bautzen nicht tolerieren, und die Polizei wird mit aller Konsequenz gegen derartige Straftäter vorgehen - egal, aus welcher Richtung sie kommen", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag. Selbstverständlich würde die Zahl der Einsatzkräfte in Bautzen der Lage entsprechend angepasst: "Staatsanwaltschaft und Polizeidirektion Görlitz ermitteln derzeit unter Hochdruck. Dabei geht es auch um die Entwicklungen im Vorfeld der jüngsten Auseinandersetzung rund um den Bautzener Kornmarkt."

 

Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich bezeichnete den Gewaltausbruch in Bautzen als inakzeptabel – egal von welcher Seite sie ausgegangen sei. " Die Attacke auf einen Rettungswagen gefährdet nicht nur Verletzte sondern auch die Helfer. Das ist tiefer Hass und menschenverachtend. Ich erwarte auch in diesem Fall, dass die Täter von Polizei und Justiz zur Rechenschaft gezogen werden," betonte Tillich. Sein CDU-Parteikollege und, der Bautzner Landtagsabgeordnete Marko Schiemann, unterstützt Tillichs Auffassung und forderte eine höhere Polizeipräsenz.

 

Es ist egal, welche politische Einstellung hinter der Gewalt steht – links oder rechts. Es ist auch egal, wo die Gewalttäter herkommen – ob es Sachsen oder Flüchtlinge sind. Der Rechtsstaat wird gegen alle beteiligten Kriminellen durchgreifen!

Marco Schiemann, CDU-Abgeordneter im Sächsischen Landtag.

 

SPD mahnt überlegtes Handeln an


Der Koalitionspartner SPD warnte dagegen vor Schnellschüssen. Innenexperte Albrecht Pallas sagte, begangene Straftaten müssten konsequent und zügig aufgeklärt und geahndet werden, vor allem Angriffe auf Polizeibeamte und Rettungswagen. Zugleich müsse alles daran gesetzt werden, die Gewaltspirale in Bautzen zu durchbrechen. Er hoffe, dass die Lage nicht weiter eskaliere, so Pallas.

Wir als Politik sollten jetzt besonnen agieren, keine vorschnellen Bewertungen treffen und erst recht nicht zur Eskalation beitragen.

Albrecht Pallas, Innenexperte der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag

 

Linke und Grüne sehen organisierte rechte Gewaltaktionen


Linke und Grüne in Sachsen haben ihre Bewertung der Ereignisse in Bautzen offenbar getroffen. Obwohl laut Polizei die Gewalt von den beteiligten Asylsuchenden ausging, sehen sie die Hauptschuld für die Ausschreitungen im rechten Lager – und bei der Polizei. Die Bautzner Bundestagsabgeordnete Caren Lay sprach von einer Pogromstimmung gegen Asylsuchende. Die Polizei sei anfangs kaum präsent gewesen und habe statt der Rechten die Ausländer zum Gehen aufgefordert. Ihr Parteikollege, der Landtagsabgeordnete Heiko Kosel, warnte, Bautzen dürfe jetzt nicht zum Wallfahrtsort der landes- und bundesweiten rechten Szene werden, die offenbar einen "national befreiten Kornmarkt" schaffen wollten.

 

Dass gestern Abend so schnell so viele Neonazis zusammen kommen konnten, legt den Verdacht nahe, dass dieser rassistische Angriff gezielt geplant war. Die Täter scheinen sich sehr sicher zu fühlen. Das ist das eigentlich Erschreckende!

Caren Lay, Linken-Bundestagsabgeordnete aus Sachsen

Der Innenpolitikexperte der sächsischen Grünen, Valentin Lippmann, nannte die Ausschreitungen in Bautzen ein Alarmsignal an die Politik. Die Ruhe der letzten Monate sei offensichtlich eine trügerische gewesen. Die gefestigten rechten Strukturen müssten endlich effektiv bekämpft werden. Nach Lippmanns Ansicht sollte die Polizei gefährdete Asylunterkünfte rund um die Uhr bewachen.

 

AfD gibt Regierung die Schuld


Eine andere Sicht vertritt die AfD-Fraktion. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Uwe Wurlitzer beklagte eine seit Wochen eskalierende Situation zwischen Asylbewerbern und Einheimischen - nicht nur auf dem Bautzener Kornmarkt, sondern auch im Chemnitzer Stadthallenpark. Dafür seien CDU und SPD mitverantwortlich, hätten sie doch Kritiker der aktuellen Regierungspolitik als "Schande für Deutschland" oder "Pack" beschimpft. Es sei mehr als nachvollziehbar, wenn sich nun die Bürger in den sozialen Medien zur Wehr setzten, meinte Wurlitzer.