[MI] Rechter Verleger im Auftrag der Stadt

Erstveröffentlicht: 
26.08.2016

In der ostwestfälischen Kleinstadt Preußisch Oldendorf (Kreis Minden-Lübbecke) gibt ein ortsansässiger Verleger seit 15 Jahren das offizielle Amtsblatt heraus  – er ist bestens in der rechtsextremen Szene vernetzt.

 

Knapp 13 000 Menschen leben in Preußisch Oldendorf, einem ländlich geprägten Teil Ostwestfalen-Lippes an der Grenze zu Niedersachsen. Rainer Höke (Jg. 1955) betreibt hier seine Druckerei, die „Kölle-Druck“, mit zehn Mitarbeitern. Für die Stadt produziert er in seinem Betrieb seit 2001 den „Preußisch Oldendorfer Rundblick“. Das offizielle Amtsblatt wird nicht nur von Höke gestaltet und gedruckt, sondern auch herausgegeben. Dabei dürften weder Höke noch seine Kölle-Druck den deutschen Sicherheitsbehörden unbekannt sein.

 

Denn hier im beschaulichen Oldendorf wird schon seit Jahrzehnten rechtes bis rechtsextremes Gedankengut zu Papier gebracht. Der einstige Batteriechef der SS-Division „Hitler-Jugend“ und spätere Kaufmann Erwin Höke (1920-1998), der die Druckerei jahrelang leitete, arbeitete eng mit Waldemar Schütz (1913-1999) zusammen. Schütz, selbst Ordensjunker und SS-Hauptsturmführer, saß für die Deutsche Reichspartei und die NPD im niedersächsischen Landtag sowie im NPD-Parteivorstand. Vor allem machte er sich jedoch als rechtsextremer Verleger in der Szene verdient: mit den Verlagen Plesse, K.W. Schütz und der „Deutschen Wochen-Zeitung“. Er war ebenso Vorstandsmitglied in der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“. Und so gründete Schütz auch die Waffen-SS-treue Deutsche Verlagsgesellschaft (DVG), die heute in Preußisch Oldendorf ihren Sitz hat.

 

Der ehemalige NPD-Mann Erwin Höke übergab die Druckerei Kölle-Druck 1993 an seinen Sohn Rainer. Damit war jedoch keinesfalls Schluss mit den Nazi-Büchern aus der ostwestfälischen Kleinstadt. 1993 und 1994 durchsuchte die Polizei die Druckerei, beschlagnahmte dabei rund 3000 Exemplare der antisemitischen Hetz-Zeitschrift „Die Bauernschaft“. Das Blatt wurde von dem einstigen SS-Sonderführers Thies Christophersen (1918-1997) herausgegeben. Auch die von Christophersen 1978 in der Reihe der „Kritik“-Hefte herausgegebene Hetzschrift „Die Auschwitz-Lüge“ war bereits in Preußisch Oldendorf gedruckt worden.

 

„Vorbildliche und bewährte Männer der Waffen-SS“

 

Wegen der Beihilfe zur Werbung für verfassungsfeindliche Organisationen in zwei Fällen verurteilte das Landgericht Dortmund Rainer Höke 1995 zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten und einer Geldbuße in Höhe von 5000 Mark. Den Oldendorfern waren die rechtsextremen Aktivitäten des Druckerei-Betreibers spätestens 1994 bekannt geworden, als eine antifaschistische Demonstration durch den Ort zog und darauf aufmerksam machte.

 

Doch Höke machte mit seiner Deutschen Verlagsgesellschaft, die er als Geschäftsführer seit 1999 leitet, weiter. Neben Höke selbst gehört zu den Gesellschaftern der DVG auch der rechte Publizist Hans-Ulrich Kopp aus Stuttgart, Mitglied der extrem rechten „Burschenschaft Danubia München“. Im aktuell erhältlichen DVG-Verlagsprogramm finden sich Bücher des österreichischen Neonazis Andreas Thierry, des ehemaligen sächsischen NPD-Abgeordneten Jürgen Gansel und des inzwischen verstorbenen NPD-Gründers Adolf von Thadden. Ein besonderes Augenmerk legt die DVG allerdings nach wie vor auf Literatur zur mörderischen Waffen-SS. Eine Schrift des SS-Apologeten Patrick Agte steht dort in einer Reihe mit den Machwerken von ehemaligen Angehörigen der Nazi-Elite oder Büchern mit Titeln wie „Vorbildliche und bewährte Männer der Waffen-SS“.

 

Noch 2013 erschien eine Neuauflage des die Waffen-SS glorifizierenden Buchs „Die Armee der Geächteten“ des berüchtigten SS-Generals Felix M. Steiner. Was Steiner mit seinem Buch bewirken wollte, schrieb er 1963 im Vorwort des Werkes: „Man kann und wird behaupten, dieses Buch solle der ‚Rehabilitierung‘ der ehemaligen Waffen-SS dienen. Dazu sei gleich hier gesagt, dass diese Truppe keiner nachträglichen Rehabilitierung bedarf. Mit reinem Gewissen kann sie vor den Richterstuhl der Geschichte treten und deren Urteilsspruch getrost entgegensehen. Ihr dabei zu helfen, ist der alleinige Zweck dieses Buches.“ Auch ein Buch über den SS-Hauptsturmführer Michael Wittmann und die „Leibstandarte SS ‚Adolf Hitler‘“ legte die DVG 2013 neu auf.

 

Im Vorstand von braunem „Kulturverein“

 

Erhältlich ist das DVG-Verlagsprogramm bei dem rechtsextremen Winkelried-Verlag mit dem angeschlossenen „Deutschen Buchdienst“ in Dresden. Auch im Online-Shop des Kopp-Verlags und bei den einschlägigen Versandhändlern Pommerscher Buchdienst, Klosterhaus-Versandbuchhandlung und dem Zeitreisen-Verlag werden Werke aus Preußisch Oldendorf angeboten.

 

Über seine DVG hinaus ist Höke in der rechten Szene vernetzt. Er sitzt seit 2014 im Vorstand des Vereins „Kultur- und Zeitgeschichte – Archiv der Zeit e.V.“, der 1985 vom SS-Veteran Waldemar Schütz ins Leben gerufen worden war. Ziel des braunen Vereins ist die Umdeutung der deutschen Geschichte. Wie dem bayerischen Verfassungsschutz bekannt ist, vertritt die Vereinigung noch heute eine „rechtsextremistisch orientierte Geschichtsbetrachtung“.

 

Nachdem im vergangenen Jahr die Tätigkeit des stellvertretenden AfD-Fraktionschefs im Brandenburger Landtag, Andreas Kalbitz, als Vorsitzender von „Kultur- und Zeitgeschichte – Archiv der Zeit e.V.“ aufgedeckt wurde (bnr.de berichtete), verließ dieser den extrem rechten „Kulturverein“ umgehend. Auch Kalbitz’ Stellvertreter, der Rechtsanwalt Roland H., trat von seinem Vorstandsposten zurück.

 

Neuer erster Vorsitzender der rechtsextremen Organisation ist seit April dieses Jahres der Österreicher Martin Pfeiffer (Jg. 1966), seine Stellvertreterin Elke Sander (Jg. 1942) aus Fürstenwalde. Der in Graz lebende Pfeiffer ist gleichzeitig Vorsitzender der „Gesellschaft für freie Publizistik“, der laut Verfassungsschutz „größten rechtsextremen Kulturvereinigung in Deutschland“. Rainer Höke blieb als Schatzmeister in der Vereinsführung des „Archiv der Zeit e.V.“.

 

Bekannte Personen aus dem rechtsextremen Spektrum

 

Gegenüber der „Neuen Westfälischen“ stellte Höke seinen rechtsextremen „Kulturverein“ als Club „älterer Herren“ dar, in dem „Literatur aus allen möglichen Richtungen gesammelt“ werde. Schaut man sich die Anwesenheitsliste der Mitgliederversammlung am 16. April an, die bnr.de vorliegt, finden sich mehrere bekannte Personen aus dem rechtsextremen Spektrum. So kamen zu dem Treffen die langjährigen NPD-Funktionäre Manfred Aengenvoort und Wolfgang Duda aus Oberhausen, ebenso wie der Vorsitzende des NPD-Kreisverbands Unna/Hamm, Hans-Jochen Voß. Auch die rechtsextremen Multifunktionäre Peter Dehoust und Hans-Ulrich Kopp reisten zu dem Treffen in einem Hotel im hessischen Fulda an. Aengenvoort und Kopp wurden in den erweiterten Vorstand gewählt.

 

Nicht nur Hökes „Kulturverein“ lässt bei Kölle-Druck seine Broschüren produzieren. Die „Wirtschafts- und Verbands- Public Relation Verlag GmbH“ (WPR) aus dem direkten Umfeld der ultrarechten „Deutschen Konservativen“ ließ 1999 etwa „Das rote Quartett zerbricht“ von Heinrich Lummer in Preußisch Oldendorf drucken. Für den in Butzbach ansässigen „Verlag für Zeitgeschichte“ stellte Kölle-Druck mindestens ein Buch her. Erwähnung finden Höke und seine Druckerei auch in dem Buch „Der Externstein – Wege und Irrwege der Forschung“, das der rechtsextreme Verleger Burkhart Weecke aus Horn-Bad Meinberg (Kreis Lippe) 2000 herausgab. Weecke, der auch als stellvertretender Vorsitzender des rechtsextremen „Thule-Seminars“ fungiert, dankt im Vorwort des von dem völkischen Autor Freerk Haye Hamkens verfassten Werks namentlich Rainer Höke und einem Mitarbeiter der Firma Kölle-Druck „für die sachliche und ausdauernde Beratung“.

 

In dem rechtsextremen Blatt „Historische Tatsachen“, Heft 69 von 1997, werden Rainer Höke und seine Kölle-Druck erwähnt. Die Holocaust-Leugner-Zeitschrift war in früheren Jahren bei Kölle-Druck produziert worden. Auch der verschwörungstheoretische „Verlag Außergewöhnliche Perspektiven“ aus Preußisch Oldendorf ließ seine Bücher bei Kölle-Druck produzieren. Die Verlagsauslieferung lief sogar über dasselbe Postfach. Noch heute sind die Postfach-Anschriften von Kölle-Druck und DVG identisch.

 

Lukrative Aufträge von Bundesbehörde für Kölle-Druck

 

In der Oldendorfer Stadtverwaltung will man nun prüfen, ob das Amtsblatt weiterhin bei dem rechtsextremen Verleger gedruckt werden soll. Bürgermeister Marko Steiner (parteilos), dem die rechten Aktivitäten des Druckerei-Betreibers nicht bekannt waren, gab gegenüber dem WDR an, die Tatsachen prüfen zu wollen und dann mögliche Konsequenzen zu ziehen. Laut „Neuer Westfälischer“ soll das Magazin „bis auf weiteres“ jedoch bei Kölle-Druck hergestellt werden.

 

Auch eine Bundesbehörde ließ lange und viel bei Kölle-Druck herstellen. Die dem Wirtschaftsministerium untergeordnete Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover vergab mindestens bis 2013 Aufträge für mehrere Broschüren an Höke. Seit 2002 erhielt Kölle-Druck fünf bis sechs Prozent der gesamten Druckaufträge der Bundesanstalt, sagte ein Sprecher der Behörde der „Jüdischen Allgemeinen“. Bisher lagen der Bundesanstalt keine Hinweise auf die rechtsextremen Aktivitäten des Druckerei-Betreibers vor, hieß es.

 

Schützenhilfe erhält Druckerei-Inhaber Höke derweil von der Neonazi-Partei „Die Rechte“. Der Kreisverband Ostwestfalen-Lippe, der von Sascha Krolzig angeführt wird, stellt sich an die Seite des „politisch nonkonformen Verlegers“. Weil der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, Matitjahu Kellig, im WDR von der Stadt Preußisch Oldendorf gefordert hatte, sich von Höke umgehend zu trennen, schimpft die Neonazi-Partei auf den „frechen Juden-Funktionär“ und beklagt den „Einfluss jüdischer Lobbyorganisationen auf die deutsche Politik“. Kellig will sich diesen Angriff auf seine Person nicht gefallen lassen. Er erstattete Anzeige, der Staatsschutz der Polizei ermittelt jetzt.