Streit um Rigaer Straße - "Wir Unternehmer wissen uns selbst zu helfen"

Erstveröffentlicht: 
12.07.2016

Wie ist es, in der Rigaer Straße zu bauen? Investor Christoph Gröner über Autonome, Gentrifizierung und Hilfe vom Staat.

von Reinhart Bünger

 

Die CG Gruppe, die gerade den Steglitzer Kreisel erworben hat, will unweit der der Rigaer Straße 94 insgesamt 133 Wohnungen bauen. Kritiker befürchten, dass der Kiez durch das 37-Millionen-Euro-Projekt weiter aufgewertet wird und Bewohner durch hohe Mietern verdrängt werden. Wir sprachen darüber mit dem Chef des Unternehmens, Christoph Gröner.

 

Herr Gröner, Sie lassen als Projektentwickler derzeit auf dem Gelände der Rigaer Straße 70–73 Platz machen für das „Carré Sama Riga“, ein Nobel-Bauprojekt. Auf einer Info-Veranstaltung im Juni sollen viele Nachbarn einen Baustopp gefordert haben. Das fand bei Ihnen angeblich kein Gehör. Haben Sie durch das Schaffen von Fakten zur Eskalation der Lage beigetragen?


In der Rigaer Straße sagen Sie, lassen wir Platz machen. Beim genauen Hinsehen haben wir die vom Zerfall und einsturzgefährdeten straßenbegleitenden Gebäude abgerissen. Die sonst im Hof stehenden Ruinen können nicht weiter genutzt werden. Das dort vorhandene Klinkergebäude wird von der Bildungseinrichtung für berufliche Umschulung und Fortbildung (BUF) geräumt.

 

Dieser Mieter zieht in Räume, die wir ihm ersatzweise zur Verfügung gestellt haben. Sobald die Baumaßnahme abgeschlossen ist, zieht das Unternehmen zurück auf das Areal. Das gilt auch für die Einrichtung der Interessengemeinschaft Rigaer Straße. Entgegen der von der Presse kolportierten Aussage haben zu keinem Zeitpunkt Nachbarn den Baustopp verlangt. Im Gegenteil: Ausschließlich aus der weiteren Umgebung herbeigeeilte linke Autonome haben sich als Nachbarn ausgegeben und missbilligend lautstark jegliche Aktivität kundgetan.

Nachdem wir Opfer von Gewalttaten und Kapitaldelikten geworden sind, war es in der Tat angezeigt, Entschiedenheit zu dokumentieren, aber insbesondere sicherzustellen, dass keine Gefahr von den einsturzgefährdeten Gebäuden ausgeht. Man stelle sich vor, die Gewerbebauten wären besetzt worden und es wären dabei Menschen zu Schaden gekommen. Der Abbruch der Gebäude erfolgte auf Basis einer vor Monaten beschiedenen Abbruchgenehmigung. Das Schaffen von Fakten ist hier ein Automatismus, von dem aus sich kein ernsthafter Vorwurf gegen uns artikulieren lässt.

 

In Friedrichshainer Nordkiez leben vor allem einkommensschwache Menschen. Warum haben Sie sich für diesen Standort entschieden? Mieten von 10 Euro kalt pro Quadratmeter sind für viele nicht zu bezahlen.


Die CG Gruppe AG baut an diesem Standort Eineinhalb-Zimmer-Wohnungen mit 30 Quadratmetern, Vier-Zimmer-Wohnungen mit 90 Quadratmetern. Selbst bei einem Mietpreis von kalkulierten 11 bis 13 Euro pro Quadratmeter entsteht dort Wohnraum, den sich die arbeitende Bevölkerung gewiss leisten kann.

 

Niemand wird ernsthaft behaupten können, dass Wohnraum für 360 Euro zuzüglich Nebenkosten oder 1050 Euro für einen Haushalt mit zwei Kindern Luxusmieten sind. Mit diesem Quartier schaffen wir einen gehobenen Standard, der sicherlich in puncto Ökonomie und Ökologie hochwertig ist, der aber keinesfalls die Aussage zulässt, es handele sich um Luxusbauten. Das Quartier braucht solche Wohnflächen, um einen Ausgleich zu schaffen. Selbstverständlich kann sich unter den von uns geschilderten Umständen auch Bevölkerung aus der Umgebung eine solche Wohnung leisten.

 

Der von Ihnen genannte Quadratmeterpreis ist maximal eine Indikation, beim genauen Hinsehen Unfug. Eine 120-Quadratmeter-Mietwohnung in einem Altbau zu einem Mietpreis von 8 Euro pro Quadratmeter und Nebenkosten von rund 3 Euro pro Quadratmeter kostet mehr als unsere Vier-Raum-Wohnung mit nur 2,50 Euro pro Quadratmeter Nebenkosten.

 

„Carré Sama Riga verhindern“, so heißt der Schlachtruf auf der Straße. Sind Sie nun die Guten, weil Sie modernen Wohnraum schaffen oder die Bösen, weil Sie preiswerten Wohnraum vernichten?


Wohnungen hat es auf dem Areal zu keinem Zeitpunkt gegeben. Insofern erledigt sich jeglicher Vorwurf in Bezug auf die Vertreibung vorhandener Mieter.Aus einem rein gewerblich genutzten Areal mit rund 2000 Quadratmetern Büro- und 1000 Quadratmetern Lager- und Werkstattflächen werden rund 10 000 Quadratmeter Wohnraum und 2500 Quadratmeter Flächen für die BUF und Gewerbetreibenden aus der Umgebung mit einem eigenen Platz und kostenfreien Veranstaltungsbereich im Keller.

 

Die Miete in dem Gewerbebereich wird von uns langfristig auf einem Niveau von acht Euro je Quadratmeter garantiert. Der Veranstaltungskeller bleibt dauerhaft mietfrei. Hier müssen nur die Nebenkosten bezahlt werden. Die CG Gruppe AG verantwortet in Berlin und anderen Standorten Projekte, die sich auf die Förderung von Kindern konzentrieren, mit sechs- und siebenstelligen Beträgen.

 

Daneben sind wir als Projektentwickler überzeugt von den positiven Wirkungen des kooperativen Baulandmodells und unterstützen an all unseren Standorten Projekte, die den Spagat zwischen Menschen mit geringerem Einkommen und Gutverdienern gewährleisten. Zudem ist unser Unternehmen niemals an Projekten beteiligt, an denen unsere Beteiligung unmittelbar zur Vertreibung von Mietern führt. Besetzte Häuser werden nicht zum Gegenstand irgendwelcher Überlegungen gemacht und kategorisch bei der Auswahl der Projekte aussortiert.

 

Welche Sicherungsmaßnahmen müssen Sie nun ergreifen? Kann es dazu kommen, dass Sie von dem Projekt unter dem Druck der Straße Abstand nehmen?


Die Sicherungsmaßnahmen beschränken sich auf die ganztägige Bewachung des Areals und sind von uns vorher einkalkuliert worden. Selbstverständlich werden wir unter dem Druck der Straße nicht von dem sozial ausgewogenem Projekt Abstand nehmen. Denn die Aufwertung von Städten – von den Linksautonomen geächtet – ist in der Tat unter den richtigen Voraussetzungen, die wir hier gemeinsam mit dem Bezirk und den Nachbarn schaffen, ein wichtiger Beitrag, mit dem wir der Gentrifizierung entgegenwirken.

 

Was können Sie tun, um die Situation in der Rigaer Straße zu befrieden?


Tatsache ist, dass wir in mehr als ein Dutzend Nachbarschaftsinformationsveranstaltungen in den letzten drei Jahren Informationen mit den Nachbarn ausgetauscht und gemeinsam mit der BUF und der IG Rigaer Straße diskutiert und abgestimmt haben. Das war auch am 11. Juni so. Als die Linksautonomen erkannt haben, dass sie die Veranstaltung zwar stören, aber die Verantwortlichen nicht durch ihr Geschrei vertreiben konnten, sind sie unverrichteter Dinge wieder abgezogen und haben den Raum für Gespräche mit Nachbarn und Interessierten freigegeben.

 

Wir werden weiterhin die Bürger und Bürgerinnen auf entsprechenden Veranstaltungen informieren. Auch sind wir interessiert, uns an Projekten des Kiezes zu beteiligen, um die Situation zu entspannen. Dazu haben wir dem Berliner Senat bereits Vorschläge unterbreitet. Aus unserer Sicht ist unser Projekt nur in den Fokus der Linksautonomen geraten, da in unmittelbarer Nachbarschaft Räumungsaktionen erfolgt sind.

 

Bezahlt Ihre Versicherung unter diesen Vorzeichen Schäden an Ihrem Vorhaben? Ist Ihr Projekt durch Auseinandersetzungen in Mitleidenschaft gezogen worden?


Zwar haben die Linksautonomen kurze Zeit nach der Veranstaltung am 11. Juni in ihrer Wut sechs Fahrzeuge der CG Gruppe AG angezündet – ohne uns damit zu beeindrucken. Tatsächlich beeindruckt hat uns aber die schwere Körperverletzung, die die Linksautonomen bei einem Mitarbeiter des Sicherungspersonals vor unserem Leipziger Büro kurz später verübt haben.

 

Das hat zu einer drastischen Erhöhung unserer Sicherungsmaßnahmen geführt. Es ist unerheblich, ob Schäden an Bauvorhaben, Fahrzeugen oder anderen materiellen Werten, die wir erfahren, von der Versicherung reguliert werden. Letztlich zahlt die Gemeinschaft den Schaden. Wir sind in jedem Fall so oder so in der Lage, die Schäden zu beseitigen, ohne großes Aufheben darum zu machen. Nicht reguliert werden können Schäden an den Menschen durch Gewaltakte. Ausschließlich in diesem Bereich ist mit Unterstützung von staatlicher Seite zu rechnen. Ansonsten wissen wir Unternehmer uns seit jeher selbst zu helfen. Wir wissen, dass die staatlichen Institutionen nicht in der Lage sind, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten beziehungsweise durchzusetzen.