Alma U. muss Deutschland verlassen - Albanerin entschärft sozialen Brennpunkt in Dresden und wird dennoch abgeschoben

Erstveröffentlicht: 
20.06.2016

Es sind nur wenige Worte, die René Bastian am 8. Juni kurz nach 7 Uhr mit seiner Kollegin am Handy wechseln darf. Dann geht auf einmal ein Beamter dazwischen. „Frau Alma U. und ihre Familie werden jetzt nach Leipzig gebracht und anschließend in ihre albanische Heimat abgeschoben“, sagt er. Für Bastian ist diese Nachricht ein Schock.

 

Es sind nur wenige Worte, die René Bastian am 8. Juni kurz nach 7 Uhr mit seiner Kollegin am Handy wechseln darf. Dann geht auf einmal ein Beamter dazwischen. „Frau Alma U. und ihre Familie werden jetzt nach Leipzig gebracht und anschließend in ihre albanische Heimat abgeschoben“, sagt er. Für Bastian ist diese Nachricht ein Schock. „Wir haben alle gehofft, dass sich nach der Ablehnung des Asylantrags doch noch was machen lässt, zumal die Familie gerade die Unterlagen für die Härtefallkommission des Landtags zusammengestellt hat“, sagt der Hortkoordinator der 122. Grundschule „Am Palitzschhof“ in Prohlis.

 

Daraus wurde nun nichts mehr. Einen Tag vor Ablauf der Duldung schicken die Polizisten die hochschwangere 33-Jährige mit ihrem Mann und den zwei Kindern wieder nach Albanien, das die Bundesregierung im Oktober 2015, einen Monat nachdem Alma U. in die Bundesrepublik kam, zum sicheren Herkunftsland erklärt hat. Obwohl René Bastian spätestens nachdem auch das Dresdner Verwaltungsgericht den Ablehnungsbescheid bestätigt hatte wusste, dass die Chancen schlecht stehen, bedauert er den Abschied sehr und würde sich wünschen, dass Deutschland ein Einwanderungsgesetz hätte.

 

„Es ist eben nicht ein Fall wie der andere. Als studierte Gymnasiallehrerin, die sechs Sprachen fließend spricht, war sie für uns eine große Bereicherung. Durch ihre Arbeit als Dolmetscherin hat sie es mir und meinen Kollegen ermöglicht, mit manchen Eltern überhaupt erst ins Gespräch zu kommen“, sagt Bastian und fügt an: „Wir sind hier ein sozialer Brennpunkt mit einem Migrantenanteil von 30 Prozent. 25 Landessprachen sind bei uns vertreten. Wenn man kein Albanisch oder Griechisch spricht, kann man einem Großteil der Eltern eigentlich nur einen Zettel in die Hand drücken.“ Allerdings sei dies nicht ausreichend, weil viele gar keine Orientierung hätten.

 

„Es gibt Leute, die kommen hier mit ihrem Wohngeldantrag vorbei, obwohl es bei uns ja ausschließlich um ihre Kinder geht“, sagt der 45-Jährige. Mit ihrer 20-Stunden-Stelle beim Verbund Sozialpädagogischer Projekte, die sie seit Januar innehatte, konnte Alma U. in diesen Fällen eine Menge bewegen. „Ganz gleich, ob bei Eltern-, Entwicklungs- oder Fördergesprächen, sie saß dabei und hat dazu beigetragen, dass die Eltern zum ersten Mal verstanden haben, wie Schule und Hort funktionieren und ob ihre Kinder die nötigen Leistungen erbringen“, sagt Bastian.

 

Obwohl das menschlich verständlich ist, spielen derartige Argumente für die Ausländerbehörde keine Rolle. Eine Beschäftigung rechtfertige im Gegensatz zu einer Berufsausbildung nicht die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Zudem sei das Asylverfahren für politisch Verfolgte gedacht und nicht für Menschen, die hier arbeiten möchten, sagt Stadtsprecher Kai Schulz auf Anfrage.

 

Wie René Bastian berichtet, hatte Alma U. zwar auch einen Asylgrund in Gestalt ihres Mannes, allerdings glaubte man der Familie nicht. „Almas Mann hat in Albanien als regierungskritischer Journalist gearbeitet, in dessen Umfeld es auch zu Sprengstoffanschlägen gekommen ist“, so Bastian. Der Dresdner Anwalt Sönke Bertolatus, der die Familie vor etwa einem Monat vor Gericht vertreten hat, bestätigt diese Version auf Nachfrage. „Wir haben das so vorgebracht.

 

Allerdings ließ sich der Richter nicht überzeugen, dass tatsächlich eine politische Verfolgung vorliegt“, so Bertolatus. Als letzter Anker sei dann noch die sächsische Härtefallkommission geblieben, die bewirken kann, dass ausreisepflichtigen Ausländern aus humanitären oder persönlichen Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird. „Am Ende ist das aber wie würfeln“, denkt Bertolatus, der sich dennoch über das Tempo der Abschiebungen wundert. „Ich habe schon einige Fälle betreut, aber so schnell wie jetzt ging das noch nie“, sagt der Anwalt. Seit Jahresbeginn hat es in Sachsen nach Angaben der Landesdirektion bis Ende April 950 Abschiebungen gegeben, überwiegend in die Westbalkanländer. Im gleichen Zeitraum waren es 2015 gerade mal 169.

 

Im Prohliser Hort herrschen seit Alma U.’s unfreiwilligem Abschied wieder die gleichen Zustände wie vorher. Erneut läuft die Verständigung lediglich mit Händen und Füßen sowie mit einigen von Alma U. übersetzen Flyern ab. „Wir merken jeden Tag, wie sehr wir sie brauchen“, sagt René Bastian, der über eine Petition an den Sächsischen Landtag eine Rückkehr erreichen möchte.

 

Von Stephan Hönigschmid