Sachsen - Kohle-Protest befeuert Landtagsdebatte

Erstveröffentlicht: 
26.05.2016

Selten ging es im Sächsischen Landtag so laut und emotional zu, wie bei der Debatte über die Anti-Braunkohle-Demonstrationen am Pfingstwochenende in der Lausitz. Vor allem CDU und Linke scheuten sich nicht vor persönlichen Angriffen. Die zur Ordnung rufende Glocke von Landtagspräsident Rößler war nahezu im Dauereinsatz. Mahnende und vermittelnde Worte wurden mit wenig Beifall bedacht, dafür kam von der AfD ein Loblied auf das Kohlendioxid.

 

Von Stephan Tittel

 

"Attacke" als Motto im Sächsischen Landtag

 

Die Fraktionen im Sächsischen Landtag haben sich einen heftigen Schlagabtausch zu den Anti-Braunkohle-Protesten am Pfingstwochenende in der Lausitz geliefert. CDU und SPD hatten die Diskussion unter dem Titel "Mit der Braunkohle als Brückentechnologie den Strukturwandel gestalten - die Lausitz braucht Zukunft und keine Gewalttäter" beantragt. 

 

Rößler konnte Glocke kaum aus der Hand legen

 

Die sehr emotional geführte Diskussion war vor allem von gegenseitigen, oft persönlichen Anschuldigungen geprägt. Immer wieder wurden die Redner durch lautstarke Zwischenrufe unterbrochen. Landtagspräsident Matthias Rößler musste mehrmals eingreifen und die Abgeordneten an die Regeln für Landtagsdebatten erinnern. 

 

CDU: Umweltrandalierer und Terroristen in der Lausitz

 

Auftaktredner Lars Rohwer von der CDU ging zum Anfang noch auf den Begriff Brückentechnologie ein und begründete die Notwendigkeit der Braunkohleverstromung mit unzureichenden Speichermöglichkeiten für erneuerbare Energien für wind- und sonnenarme Zeiten. Schnell drehte sich jedoch die Diskussion in Richtung einer Verurteilung der Aktionen am Pfingstwochenende in der Lausitz. Rohwer sprach von Umweltrandalierern, die in der Lausitz nicht erwünscht gewesen seien. Alle Unions-Redner warfen vor allem der Linken, aber auch den Grünen vor, mitverantwortlich für Ausschreitungen und vorsätzlich begangene Straftaten bei den Protesten gewesen zu sein.

Die Abgeordneten Frank Heidan und Alexander Krauß bezeichneten die Demonstranten als Krawallmacher und Terroristen. Dabei bezogen sie ausdrücklich Linke-Abgeordnete mit ein, die vor Ort waren. Krauß warf zudem Linken und Grünen vor, sich im Parlament nicht von der Gewalt distanziert zu haben. Heidan forderte den Linke-Abgeordneten Marco Böhme wegen dessen Protestteilnahme zur Aufgabe seiner Immunität und zur Selbstanzeige auf. 

 

Grüne und Linke: Klimaschützer ernst nehmen statt kriminalisieren

 

Nicht weniger emotional fielen die Redebeiträge und Reaktionen der Grünen- und Linksabgeordneten aus, die allesamt eine Gewaltbeteiligung zurückwiesen. Sie verteidigten den friedlichen Protest als gerechtfertigt und warfen der CDU vor, alle Demonstranten in Kollektivhaftung zu nehmen. Der Grünen-Parlamentarier Gerd Lippold sagte, mit solchen pauschalen Diffamierungen habe die Union mehr klimaschutzengagierte Menschen auf die Straßen getrieben, als Grüne und auch Linke es je mit ihren Aufrufen vermocht hätten. Genauso habe es die Regierung selbst in der Hand, ob sich der Konflikt zuspitze oder entschärfe.

Auch Linke-Abgeordnete warf der CDU vor, eine dringend notwendige Umweltschutzbewegung durch unqualifizierte Angriffe zu kriminalisieren. Die Braunkohleverstromung bezeichnete sie als die klimaschädlichste Energiegewinnungsform. Ihr Parteikollege Marco Böhme sagte, die CDU habe beim Thema Strukturwandel versagt und schere sich einen Dreck um die Zukunft. Stattdessen diskreditiere sie Leute, die dies tun würden. 

 

SPD zwischen Verurteilung und Verständnis

 

Ein gemischtes Bild gab die SPD wider. Wirtschaftsexperte Thomas Baum verurteilte die Proteste und sprach von verbrecherischem Handeln. Vor allem die Gleismanipulationen mit Klemmschuhen und Gleiskrallen seien gezielte Anschläge gewesen. Sein Kollege Henning Homann warnte dagegen vor einer Schwarz-Weiß-Einteilung. Alle 2.000 Teilnehmer an den Protesten dürften nicht mit den 300 gezählten Gewalttätern in einen Topf geworfen werden. Sein Aufruf an das Parlament zu einem friedlichen Dialog einzuladen, erhielt deutlich weniger Beifall, als einige persönliche Attacken von CDU- und Linke-Abgeordneten auf den politischen Gegner.

Auch SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig vertrat Homanns Vermittlungsstrategie und begrüßte den friedlichen Teil des Anti-Kohle-Protestes. Dieser gehöre zum Wesen der Demokratie. Zugleich zeigte er sich enttäuscht, dass Linke und Grüne im Sächsischen Landtag nicht die gleiche Einsicht wie ihre Brandenburger Kollegen gezeigt hätten, dass nämlich die Proteste in der Lausitz wenig hilfreich gewesen seien. Ebenso verurteilte Dulig das teils unbeherrschte Verhalten einiger Abgeordneter in der Debatte. 

 

AfD: CO2 macht die Erde grün

 

Die AfD teilte in der Debatte nach allen Seiten aus. Umweltpolitiker Jörg Urban sprach von Protesten verwirrter junge Menschen in der Lausitz. Dabei habe die grüne und linke Jugend schwere Straftaten unterstützt. Schwarz-Rot warf er im Land und im Bund zu viel Klimaschutz vor. Kein EU-Partner wolle die ehrgeizigen CO2-Einsparziele Deutschlands mittragen. Zudem hätte eine Studie aus China gezeigt, dass der höhere CO2-Anteil das Pflanzenwachstum weltweit begünstige – die Erde sei grüner geworden. Die Braunkohle bezeichnete Urban als unverzichtbar, um unabhängig von teuren Stromimporten zu sein.

 

 

Zitate aus der Landtagsdebatte

 

Dieser Besuch in der Lausitz war nicht erwünscht.

Lars Rohwer, CDU

 

Nichts an dieser Gewaltorgie war gut.

Thomas Baum, SPD

 

Wann wollen Sie (die sächsische Regierung – Anm. d. Red.) endlich anfangen mit Ihrem Strukturwandel?

Kathrin Kagelmann, Linke

 

Schwarz-Weiß-Debatten helfen uns nicht weiter.

Henning Homann, SPD

 

In Sachen Klimaschutz und Kohleausstieg sind Ihre (CDU – Anm. d. Red.) Hauptgegner doch nicht die Grünen-oder die Linken-Abgeordneten hier im Landtag. Ihr Hauptgegner ist die Realität.

Gerd Lippold, Grüne

 

CDU und SPD haben die deutsche Klimahysterie bundes- und sachsenweit erst losgetreten. Nun tragen sie den Popanz von der angeblichen CO2-Katastrophe vor sich her - genauso wie die Grünen in den 80er Jahren den Popanz vom Waldsterben.

Jörg Urban, AfD

 

Es ist unser Wunsch, dass die jungen Menschen endlich mal den Betonköpfen erklären, dass die Braunkohle in der Erde bleiben muss.

Marco Böhme, Linke

 

An diesem Pfingstwochenende hat niemand gewonnen in der Lausitz. Das war keine Sternstunde des Parlamentarismus.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig