Flüchtlinge, Pegida & Co. - Wie Schulen mit den aktuellen Konflikten umgehen

Erstveröffentlicht: 
26.03.2016

"Sachsen hat ein Rassismus-Problem", hat Ministerpräsident Tillich eingestanden. Deshalb brauche es mehr politische Bildung an den Schulen. Denn das, was bei Demos von Pegida und Legida skandiert wird, geht an Kindern und Jugendlichen nicht vorbei. Gerüchte über Flüchtlinge und fremdenfeindliche Vorurteile kursieren eben nicht nur auf den Straßen oder im Netz. Wie gehen die Schulen damit um?

von Lydia Jakobi, MDR INFO

 

Schüler wollen Fragen stellen


Eigentlich haben die Schüler des Leipziger Humboldt-Gymnasiums halb vier Schulschluss. An diesem Donnerstag aber bleiben ein paar Dutzend freiwillig länger. Sie sitzen in der Aula - zusammen mit einer Frau aus Afghanistan, drei Männern aus Syrien und einem aus Kamerun. Die Schüler löchern die Geflüchteten mit Fragen: Warum gibt es Krieg in euren Ländern, habt ihr hier Erfahrungen mit Neonazis gemacht, wieso helfen die Politiker nicht? Die Zehntklässlerin Nora hat die Gesprächsrunde mitorganisiert, weil sie meint, dass die Themen Flucht, Asyl und Rassismus zu selten im Unterricht behandelt werden: "Es gibt ein paar Lehrer an der Schule, die sehr engagiert sind. Es gibt auch ein paar Lehrer, die anders eingestellt sind. Meistens wird das Thema von den Schülern angesprochen."

 

Britta Zehe, Lehrerin für Französisch und Deutsch, sagt, sie lege Wert darauf, mit den Schülern über Fremdenfeindlichkeit und rechte Ideologien zu diskutieren - vor allem in einer Zeit, in der Anschläge auf Asylunterkünfte so alltäglich geworden sind, dass sie nur noch für eine Randnotiz in der Zeitung reichen. Über Pegida sagt Britta Zehe: "Man muss sich nicht wundern. Wir haben eine Erwachsenenschicht, die in zwei Generationen politisch komplett ungebildet ist. Und die sehen wir auf der Straße. Die Schüler müssen von klein auf lernen, hinter die Ursachen, hinter die Vorhänge zu schauen." 

 

DDR-Vergangenheit ist noch immer zu spüren

 

Dafür bieten die Lehrpläne in Sachsen eigentlich einige Möglichkeiten, stellt Kultusministerin Brunhild Kurth klar. In Geschichte, Ethik und Gemeinschaftskunde sowieso. Aber auch andere Fächer seien geeignet, aktuelle politische Themen einzubinden. Allerdings müssten die Lehrer diese Räume auch nutzen. Und das hätten gerade die, die aus der DDR-Erfahrung heraus erstmal jegliche Politik aus der Schule verbannen wollten, lange nicht getan: "Gegebenenfalls haben wir an unseren Schulen das Thema politische Diskussion nicht so in den Fokus gerückt, wie wir es hätten tun müssen."

 

Deshalb wenden sich inzwischen viele Lehrer an außerschulische Initiativen - an das Netzwerk für Demokratie und Courage zum Beispiel, das Workshops zum Thema Rassismus und Diskriminierung anbietet. Leila Schilow erzählt: "Wir merken das seit 2015, seitdem in sehr vielen Schulen der Kontakt zu Geflüchteten da ist. Ganz oft ist es dann so, dass sich die Schulen überlegen, wie sie gut damit umgehen können - wie man Rassismus vorbeugen kann, oder es sind schon rassistische Vorfälle passiert."

 

Lehrer brauchen Fortbildung

Kultusministerin Kurth möchte aber auch die Lehrer selbst darin bestärken, sich an die heißen politischen Eisen heranzuwagen. Deshalb will sie das Beratungs- und Fortbildungsangebot ausbauen. "Es werden Möglichkeiten angeboten, auch für unsere Beratungslehrer. Die reichen aber bei Weitem nicht aus: Dort muss aufgestockt werden - und das ist natürlich nicht ohne finanzielle Untersetzung so. Dafür werde ich mich auch einsetzen." Ein anderer Schritt ist schon getan: Geschichte kann an den Oberschulen künftig nicht mehr abgewählt werden. Und: Das Kultusministerium ermuntert die Schulen, Politiker aller Parteien in den Unterricht einzuladen. Das war bislang nur teilweise erlaubt. Aber, so Kultusministerin Kurth, das sei eben auch ein positiver Effekt aus der Flüchtlingskrise: Dass wieder diskutiert wird.