Nicht nur die Legida-Kundgebungen, auch Randale haben nach Ansicht von Gewerbetreibenden in den vergangenen Monaten das Image Leipzigs beschädigt. Händler, Hoteliers und Gastronomen hoffen nun, dass mit den größeren Pausen zwischen den Demos auch die City wieder attraktiver wird.
Leipzig. Das montägliche Demonstrationsgeschehen rund um Legida und die Ausschreitungen von rechten und linken Gruppierungen haben Leipzig nach Ansicht von Gewerbetreibenden einen nachhaltigen Image-Schaden bereitet. Auch von deutlichen Umsatzeinbußen ist die Rede. Da das islamfeindliche Bündnis Legida seit Januar nur noch einmal im Monat auf die Straße geht, erhoffen sich Händler, Hoteliers und Gastronomen eine Rückkehr zu normalen Geschäften – erwarten aber keine schnelle Kehrtwende.
Umfrage unter Händlern und Passanten:
„Für eine funktionierende Innenstadt ist es der Normalzustand, dass nicht demonstriert wird, dass sich die Menschen frei bewegen können, es eine gewisse Aufenthaltsqualität gibt“, sagt Gunter Engelmann-Merkel, Geschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen in der Region Westsachsen mit Sitz in Leipzig. „Das war viele Wochen lang eingeschränkt und das haben die Händler schmerzhaft erfahren müssen.“ Konkrete Zahlen lägen nicht vor. „Aber mit wem ich auch rede: Das haben alle gespürt“, sagte er gegenüber LVZ.de.
Umsatzeinbußen von bis zu 60 Prozent
Ein Branchen-Insider, der bestens mit den Unternehmen der City vernetzt ist, aber ungenannt bleiben will, berichtet: „Es gibt Einzelhändler, die an Montagen Umsatzeinbußen von 50 bis 60 Prozent haben.“ Mit Verweis auf die längeren Abstände zwischen den Legida-Demos sagt er: „Wir sind alle heilfroh, dass es jetzt so ist, wie es ist.“
Nicht nur Händlern, sondern auch Gastronomen und Hoteliers haben die Demonstrationen in den vergangenen Monaten Probleme bereitet. Hier seien die Umsätze am Wochenanfang um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen, weiß Holm Retsch, Geschäftsführer des Branchenverbandes Dehoga in Leipzig. „Seit über einem Jahr wird die Innenstadt teilweise lahmgelegt. Gastronomie und Hotellerie haben darunter zu leiden, zumal über so einen langen Zeitraum.“ Retsch bezieht sich neben den Legida-Demos auch auf den Gegenprotest sowie Ausschreitungen von rechten und linken Gewalttätern.
Image als weltoffene Stadt angekratzt
„Das Image der Stadt ist auf jeden Fall angekratzt und einige Gruppen tun etwas dafür, um es weiter zu beschädigen“, so der Dehoga-Geschäftsführer. „Wir sind auf dem besten Weg, das, was wir seit 1990 aufgebaut haben, nämlich eine weltoffene Stadt zu sein, zu verspielen.“ Der Verband begrüße die Internationalität Leipzigs. Retsch verweist drauf, dass in Hotellerie und Gastronomie „weit über 30 Prozent Ausländer“ beschäftigt seien.
Von den Demonstrationen sind besonders Geschäfte und Restaurants rund um den Richard-Wagner-Platz betroffen, wo sich seit Monaten Legida-Anhänger und Gegendemonstranten gegenüberstehen. Dass hier an vielen Montagen kein Durchkommen ist, machte sich beispielsweise auch im Café Wagner bemerkbar. Die Kunden seien nach ihren Einkäufen früher nach Hause gegangen und deshalb seltener auf einen Kaffee geblieben, berichtet Inhaberin Celina Kutylo. „Viele haben kein Verständnis dafür, dass das jeden Montag passiert.“ Ähnlich sieht es Francesco Nirta, Inhaber des Restaurants Valentino in den Höfen am Brühl. Weil er seinen Freisitz nicht nutzen konnte, habe er im Sommer an Montagen 40 bis 50 Prozent weniger Umsatz gemacht. „Die Kunden rufen auch vorher an und erkundigen sich, ob Legida demonstriert.“
„Viele potenzielle Gäste sind verunsichert“
Mit Blick auf den Tourismus gebe es bislang keinen Rückgang zu verzeichnen, teilte die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH mit. Allerdings sei Sachsen in eine Situation geraten, „in der es nicht mehr als sympathisches Bundesland angesehen wird“, sagte Geschäftsführer Volker Bremer nicht nur mit Blick auf die Demonstrationen, sondern auch die Übergriffe auf Flüchtlingsheime. „Viele potenzielle Gäste sind verunsichert. Deshalb läuft Leipzig mittelfristig Gefahr, unter dem negativen Sachsen-Image zu leiden, sodass es vor allem Rückgänge bei privaten Reisen geben kann.“ Außerdem bestehe das Risiko, dass Kongresse und Tagungen in Regionen verlegt würden.
Dass es seit Beginn des Jahres seltener zu Beeinträchtigungen durch Demonstrationen kommt, verbinden die Gewerbetreibenden der Innenstadt mit der Hoffnung, dass die City an Montagen wieder attraktiver für Besucher wird. „Aber das muss sich erst herumsprechen“, sagt Gunter Engelmann-Merkel vom Handelsverband Sachsen. Bei einem Teil der Kundschaft sei eine gewisse Vorsicht noch immer vorhanden. Die Situation habe sich noch nicht grundlegend verbessert, die Demonstrationen seien immer noch in den Köpfen, berichtet auch Holm Retsch aus der Hotel- und Gastronomiebranche. „Das geht nicht von heute auf morgen. Das dauert mindestens noch ein halbes bis ein Jahr.“ Die nächste Kundgebung hat Legida für den 7. März angekündigt. Sie soll wieder auf dem Richard-Wagner-Platz stattfinden.
Von Michael Frömmert