Unterschiedliche Arten des Protests gegen AfD-Treffen

Erstveröffentlicht: 
11.02.2016

Mehr als 400 Bürger haben in der Blaubeurer Stadtmitte einen Gegenpol zum AfD-Treffen in Blaubeuren gebildet. In der Nähe des Tagungszentrums protestierten etwa 60 Demonstranten – teils deftig, aber friedlich.

 

„Wir haben keine Flüchtlingskrise, wir haben eine Nazikrise“, stand auf einem Plakat auf dem Blaubeurer Kirchhof. Dort hatten sich am Mittwoch um 16 Uhr bei frischen Temperaturen 400 bis 500 Menschen versammelt, um für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Die Veranstaltung war als Gegenpol gedacht zum gleichzeitig beginnenden „Politischen Aschermittwoch“ der Alternative für Deutschland (AfD) auf den nur wenige Kilometer entfernten Hessenhöfen. Aufgerufen zu dieser Kundgebung mit Musik hatte ein breites Bündnis. „Wir haben heute ein Zeichen gesetzt“, betonte Michael Hermann Arbeitskreis Asyl und Integration, der mit dem „Café International“ einen Treffpunkt für Blaubeurer und Flüchtlinge geschaffen. „Heute findet das Café auf der Straße statt“, sagte Hermann.

 

Auch Bürgermeister Jörg Seibold bezog Stellung gegen die Parolen der AfD, so wie er es vor einigen Wochen bei einem Auftritt der rechtsextremen NPD getan hatte: Mit einer Fahrzeug-Präsentation des städtischen Bauhofs drängte er den NPD-Stand an den Rand des Kirchplatzes. Am Mittwoch sagte Seibold: „Ich möchte nicht durch Lautstärke, durch Verhöhnen oder gar Aggressivität beeindrucken. Vielmehr sollten wir die verschrobenen Plattheiten des rechtsradikalen Spektrums durch Argumente enttarnen.“ Seibold plädierte für eine bürgerschaftliche Haltung, „die mitmenschliche Toleranz in den Mittelpunkt stellt und Fairness als Leitwert hat“.

 

Zur gestrigen Kundgebung waren auch bemerkenswert viele Flüchtlinge gekommen. Unter ihnen Firas Mohamed aus Syrien, der in bewegenden Worten die Haltung der Demonstranten bestärkte: „Wir werden nicht vergessen, was ihr für uns getan habt und werden unseren Kindern davon erzählen.“

 

Die Heimat verlassen zu müssen, gehe an niemandem spurlos vorüber, sagte Manfred Daur, Vorsitzender der Blaubeurer Bürgerstiftung. Nur unglaublicher Druck bringe Menschen dazu. Daur ist Herausgeber des Buchs „Uns wollte niemand haben.“ Darin schildern 40 Blaubeurer ihre Nachkriegserlebnisse mit Flucht und Vertreibung.

 

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis forderte eine „gesellschaftliche Bewegung gegen Rechtspopulismus. Und die gibt es in den Kommunen wie Blaubeuren.“ In Anspielung auf die Flüchtlingsdebatte auch innerhalb der Berliner Koalition sagte Mattheis: „Wir müssen handeln, nicht reden. Und gehandelt wird in den Kommunen.“

 

Mittlerweile war es noch ein paar Grad kälter geworden, die Zuhörerreihen lichteten sich etwas. Der frühere SPD-Stadtrat Peter Rinker berichtete von seinen Erlebnissen als Fünfjähriger auf der Flucht. Andrea Schiele vom „Bündnis gegen Rechts“ fand es „toll, was ihr auf die Beine stellt“. Denn „was auf den Hessenhöfen passiert, ist Müll.“ Und Elias vom „Kollektiv Ulm nazifrei“ mahnte: „Wer flüchtet, tut das, weil Flucht der letzte Ausweg ist.“

 

Schon vor Beginn des „Politischen Aschermittwochs“ der AfD hatten sich nach Angaben des Organisators etwa 60 Demonstranten in der Nähe des Tagungszentrums versammelt. Besucher des Partei-Treffens wurden mit Buh-Rufen, Transparenten („Rassisten wählen AfD“) und Parolen („Nationalismus raus aus den Köpfen“) empfangen. „Die Kommunisten sind los“, sagte ein Mann auf dem Weg zum Tagungszentrum, als er die Demonstranten passierte. Prompte Antwort aus deren Reihen: „Die Nazis sind los.“

 

Die Polizei war vorsorglich mit einem Großaufgebot zu den Hessenhöfen gekommen, darunter berittene Beamte und Hundeführer. Der Großteil der Demonstranten hielt sich an die Auflagen des Landratsamts, bei dem die Versammlung angemeldet worden war. Eine Gruppe von etwa 20 Personen blockierte die Zufahrt zum Tagungszentrum und sah sich deshalb zwei Reihen von Polizisten gegenüber. Trotz mehrmaliger Aufforderung des Organisators beharrte die Gruppe auf ihrer Position. Nach etwa einer Stunde packten aber auch sie ihre Transparente ein. Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und eisigem Wind ging die Demonstration friedlich zu Ende.