Feministisch-antimilitaristischer Redebeitrag zu Krieg in Afghanistan, jetzt in Syrien und zu den Vorfällen in Köln

Dieser Redebeitrag wurde auf der Demonstration gegen den Syrieneinsatz der Bundeswehr in Tübingen am 23.1.2016 von der Tübinger Frauengruppe Zumutung gehalten.

Text:

23.01.2016 –Frauengruppe Zumutung RT/TÜ, Redebeitrag
Krieg ist Terror! Bundeswehr raus aus Syrien und der Türkei
Wir sagen Nein zur Vereinnahmung von emanzipatorischen Begriffen
zur Legitimierung von Militäreinsätzen

Eine Mehrheit des Bundestages hat Ende des vergangenen Jahres den
Kriegseinsatz der Bundeswehr in Syrien beschlossen, an dem sich bis zu
1200 Soldat*innen beteiligen. Nach der Teilnahme der BRD am
Nato-Jugoslawienkrieg 1999 und dem Krieg gegen Afghanistan, der seit 14
Jahren andauert, befindet sich die Bundeswehr somit in einem weiteren
Angriffskrieg.Mit der militärischen Eskalation in Syrien wird das Leid der
Zivilbevölkerung immer mehr vergrößert. Durch die Bombardierungen der
Internationalen Koalition unter Führung der USA sowie durch die
Luftangriffe Russlands wurden im Irak und in Syrien bereits hunderte
Zivilist*innen getötet.

Die Kriegseinsätze der westlichen Staaten unter anderem im Irak, in
Libyen, Mali und in Afghanistan haben dazu beigetragen, dass sich
islamistische Kräfte immer weiter ausbreiten konnten.
Was sind die Auswirkungen von Militäreinsätzen für die Zivilbevölkerung?
Und für emanzipatorische Kräfte vor Ort. Auf dem letzten Imi-Kongress im
Herbst 2015 berichteten Aktivist*innen aus Afghanistan über die
Bedingungen ihres politischen Engagements und der Menschenrechtsarbeit in
wie man es nennen könnte „hochgradig militarisierten Landschaften“ und
über das „Leben unter militärischer Besatzung“. Mariam Rawi von der
Revolutionary Association of the Women of Afghanistan kurz RAWA beschreibt
die Intervention der Großmächte als eine der Ursachen der desolaten Lage
in Afghanistan. „Der aktuelle Krieg“ habe mit der Intervention der
Sowjetunion 1978 begonnen, gegen die es damals schon Widerstand aus der
Bevölkerung gegeben habe. In der Logik des Kalten Krieges hätten daraufhin
die USA die reaktionärsten und fundamentalistischsten Kräfte in
Afghanistan mit Geld und Waffen unterstützt und damit erst jene Eliten
geschaffen, die das Land bis heute in ihrem Griff  haben. Auch durch die
Intervention der NATO hat sich die Lage der Menschen- und Frauenrechte
nicht verbessert. Bis heute werden  junge Mädchen zwangsverheiratet,
mutmaßliche Ehebrecherinnen gesteinigt, Vergewaltigungen von Frauen
bleiben ungesühnt.

Sicherlich erinnert ihr Euch alle, dass als Legitimation für den
Militäreinsatz in Afghanistan die Verteidigung der Frauenrechte und der
explizite Schutz von Frauen und Mädchen herhalten mussten. Und sicher
erinnert Ihr Euch auch daran, dass es damals in feministischen und linken
Kreisen starke Kontroversen darüber gegeben hat, ob man diesen
„überzeugenden“ Kriegsgründen  nicht zustimmen müsse – mit dem Ergebnis,
dass sich gerade Feminist*innen in die militärische Logik einbinden
ließen.
Und heute wird wieder versucht uns zu vereinnahmen. Es geht um den Kampf
gegen die „IS-Dämonen“. Um die Verteidigung „unserer westlichen Werte“,
„unserer Freiheit“, die mit den Anschlägen in Paris angegriffen wurden und
die in Syrien „verteidigt“ werden müssen. Es geht also um nichts weniger
als um die Verteidigung der Menschenrechte. Und wieder werden auch
explizit Feminist*innen verein-nahmt, für die Zustimmung zum militärischen
Schlag gegen die IS-Frauenhasser.
Wieder wird  der Schutz der Zivilbevölkerung, der Schutz von Frauen und
Mädchen in Syrien vorgeschoben.
Und wieder wird uns ein sicherer, ein präziser, ein zielgenauer Krieg
suggeriert - zivile Opfer existieren quasi nicht oder werden als
unvermeidbare Kollateralschäden beschrieben.
Und wieder werden wir, die wir uns gegen den Militäreinsatz stellen, als
naiv denunziert.
Und genau das  passiert fortlaufend, und genau das ist einer unserer
grundsätzlichen Kritikpunkte!
Militärische Einsätze brauchen immer die Mobilisierung an der „Heimatfront“ -
Die Konstruktion der „Anderen“  und des „Wir“  - eine scheinbare Lösung
durch Vernichtung. Und in Wirklichkeit dynamisiert sich die Gewaltspirale,
produziert Tod und Vertreibung. Deshalb müssen  wir raus aus der Logik der
militärischen Interventionen!

Wir fordern
* Das Einrichten von entmilitarisierten Schutzzonen für die Zivilbevölkerung,
* den sofortigen Stopp von Rüstungsexporten,
* die zivilgesellschaftliche Unterstützung und Solidarisierung mit den
emanzipatorischen Kräften vor Ort
* Wir fordern auch die Unterstützung und den Schutz für das  Projekt Rojawa
Und wir fordern den Schutz von Geflüchteten.

In der aktuellen Debatte nach den  sexualisierten Angriffen auf Frauen von
Köln verwehren wir uns dagegen, dass ein breites  Spektrum von plötzlich
aufgewachten Frauenfreunden (und auch –freundinnen) bis hin zu rechten
Populisten, die sogenannte Verteidigung der Rechte von uns Frauen  für
ihre rassistischen Zuschreibungen und Diffamierungen benutzt.
Wir setzten uns für die uneingeschränkte Solidarität mit den Opfern
sexualisierter Gewalt in Köln, Hamburg, Stuttgart und anderswo schon lange
und weiterhin ein.
Dazu braucht es keine neuen Gesetzte - vor allem kein verschärftes
Asylgesetz!
Sondern, dass  sich  alle Geschlechter als Beteiligte und Betroffene
patriarchaler Machtstrukturen  erkennen.
Männlichkeitsbilder, die durch Dominanz, Herrschaft und Gewalt geprägt
sind, begünstigen sexualisierte Gewalt und die wollen wir  bekämpfen!
In jeder Gesellschaft, überall.

Wir fordern:
Keine Hierarchisierung und Spaltungsversuche von geflüchteten Menschen
Keine rassistischen Zuschreibungen, keine Produktion von vereinfachten
Feindbildern, kein Generalverdacht, wie zum Beispiel aktuell gegen „die
Nordafrikaner“, keine Sonderbehandlung von geflüchteten Menschen. Darum
bitten wir Euch: Lasst Euch nicht vereinnahmen!