Schlag gegen Neonazi-Netzwerk "Altermedia" - braunes Echo aus der Vergangenheit

Erstveröffentlicht: 
27.01.2016

Mit bundesweiten Razzien sind Ermittler gegen die mutmaßlichen Betreiber der Neonazi-Seite "Altermedia" vorgegangen. Zwei Personen wurden festgenommen. Innenminister de Maizière hatte das Netzwerk zuvor verboten. Allerdings hatte es ohnehin bereits stark an Bedeutung verloren.
Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Seit der Jahrtausendwende war "Altermedia", das in Deutschland zunächst Störtebeker-Netz hieß, so etwas wie die "Bild"-Zeitung des "Nationalen Widerstands": Nicht nur Schwergewichte der Neonazi-Bewegung meldeten sich hier regelmäßig mit Beiträgen in Strategiedebatten zu Wort, auch Interna sowie Klatsch und Tratsch wurden regelmäßig ausgebreitet.

Hunderte Neonazis beteiligten sich an den Diskussionen auf der Seite, die Zugriffszahlen waren beträchtlich. Vielen NPDlern war "Altermedia" ein Dorn im Auge, weil hier auch Parteiinterna ausgebreitet und diskutiert wurden. Der damalige sächsische Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel bezeichnete im Jahr 2008 "Altermedia" als Dreckschleuder, die “Desinformations-, Verleumdungs- und Spaltungsversuche” betreibe.


Gnadenlose Hetze

"Altermedia" war dennoch hoch angesehen in der Szene; zum einen, weil sich die Betreiber eben auch kritisch zur Führungsrolle der NPD in der braunen Bewegung äußerten und eine befürchtete "Verbürgerlichung" der Partei bekämpften; zum anderen, weil auf "Altermedia" gnadenlos gehetzt wurde, was in den ersten Jahren des Jahrtausends in dieser Form noch nicht Gang und Gäbe war in der Öffentlichkeit.

Wegen der Hetze erstatteten die Betroffenen immer wieder Anzeigen, bis schließlich das "Mastermind" der Seite, ein ehemaliges NPD-Mitglied aus Stralsund, im Jahr 2011 zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Aus dem Gefängnis meldete sich der Neonazi noch mehrmals zu Wort, inszenierte sich als „politischer Gefangener der BRD“. Neonazis organisierten mehrmals Solidaritätsaktionen für den Inhaftieren.


Interessante Quelle

Allerdings profitierten auch Journalisten und Wissenschaftler von den szeneinternen Schlagabtäuschen auf "Altermedia", denn die Neonazis breiteten selbst zahllose Details und Informationen aus. Auch bei staatlichen Stellen gehörte die Lektüre von "Altermedia" zur Routine, wie aus Verfassungsschutzberichten hervorgeht. Beim Nachrichtendienst in Mecklenburg-Vorpommern war in Anlehnung an den ehemaligen Namen "Störtebeker-Netz" fast liebevoll von "Störti" die Rede.

 

war wurde "Altermedia" nach der Verurteilung des Neonazis aus Stralsund weiterbetrieben, doch verlor die Seite zunehmend an Bedeutung. Die sozialen Netzwerke wurden zum neuen Treffpunkt der Szene, dort lässt sich weit schneller und effektiver Propaganda verbreiten.

 

"Altermedia" spielte in den vergangenen Jahren kaum noch eine Rolle in der Szene. Auf Twitter folgten der Seite nicht einmal 1000 Nutzer, auf Facebook konnte "Altermedia" ebenfalls kaum Reichweite generieren. Spätestens mit dem Verbot durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière dürfte "Altermedia" in Deutschland endgültig am Ende sein - für die braune Szene wohl kein großer Verlust.