Schock nach „KZ“-Äußerung: Absichten des Rittergut-Käufers werden geprüft

Erstveröffentlicht: 
22.01.2016
Kohren-Sahlis: Eklat bei Versteigerung schlägt Wellen / Endgültiger Zuschlag für Höchstbietenden ausgesetzt

VON MATTHIAS PUPPE
VON WINFRIED MAHR

 

Leipzig. Nach skandalösen Äußerungen bei der Versteigerung des Ritterguts Sahlis am Mittwoch in Leipzig sollen die tatsächlichen Absichten des neuen Besitzers erst geprüft werden, bevor ein endgültiger Zuschlag erfolgt. Das erklärte Peter Hiensch, technischer Direktor beim Abwasserzweckverband Wyhratal (AZV), gegenüber der LVZ. Das Unternehmen hatte das bisher von Neonazi Karl-Heinz Hoffmann genutzte Objekt nach dessen horrenden Schulden zur Versteigerung gebracht. Eine Vertreterin des anonymen Höchstbietenden erklärte im Anschluss an die Auktion, der Käufer plane ein „Konzentrationslager“ auf dem Gelände.

 

Die Empörung über die Äußerungen schwappte auch bis zum Abwasserzweckverband. „Als Geschäftsleitung darf ich ja eigentlich nicht auf das Geld verzichten, aber in unserem Verwaltungsrat sitzen eben auch Bürgermeister, Stadträte und andere politische Vertreter“, sagte Hiensch, „und die wollen ja vielleicht auch wiedergewählt werden.“

 

Der CDU-Landtagsabgeordnete Georg-Ludwig von Breitenbuch zeigte sich gestern geschockt. „Ob die Entgleisung nun aus einer spontanen Laune heraus oder im Affekt angesichts des Medieninteresses erfolgte – sie macht einen sprachlos!“, sagte der 44-Jährige der Leipziger Volkszeitung. „Wir sind zusammengezuckt, als wir das hörten.“ Der stellvertretende Landtagsfraktionschef gehört auch dem Stadtrat von Kohren-Sahlis an, wo er mit seiner Frau und fünf Kindern lebt. In den 1990er-Jahren hatte er selbst die Rückübertragung des einstigen Familienbesitzes angestrengt, war jedoch an der Treuhand gescheitert. Später ging das Gut an Hoffmann. Bei der Zwangsversteigerung am Mittwoch habe von Breitenbuch nicht mehr mitgeboten: „Seelisch haben wir uns vom Rittergut Sahlis verabschiedet“, erklärte der studierte Volks- und Landwirt, der inzwischen ein anderes denkmalgeschütztes Herrenhaus im Ortsteil Rüdigsdorf als Familiensitz restauriert hat. „Trotz aller Unkenrufe geben wir natürlich die Hoffnung nicht auf, dass Schloss Sahlis in gute Hände kommt, die es im Bewusstsein der Geschichte des Hauses wieder erblühen lassen“, so von Breitenbuch.

 

Die kolportierte KZ-Aussage wollte Pfarrer Matthias Ellinger gestern nicht kommentieren. Ungeachtet dessen hoffe er, dass „das ehrwürdige und geschichtsträchtige Anwesen baulich wiederhergerichtet und sinnvoll genutzt wird“, so der Gemeindepfarrer. „Wünschenswert wäre neben der privaten Nutzung auch, dass es dem Gemeinwohl zugute kommt.“

 

Die am Mittwoch bei der Auktion vereinbarte Aussetzung des Zuschlags bis zum kommenden Mittwoch kommt der angestrebten Aufklärung zupass. In der Zwischenzeit will das Unternehmen aber auch die Bonität des neuen Käufers überprüfen lassen, um eine langfristige Zusammenarbeit sicherstellen zu können, sagte AZV-Direktor Hiensch. Insgesamt 160 000 Euro hatte die Bevollmächtigte des Käufers, der angeblich aus Hessen kommen soll, für das Gebäudeensemble geboten und damit den Zuschlag erhalten. Begonnen hatte die Auktion bei einem Euro, der nun zu zahlende Betrag ist laut Prozessbeobachtern eigentlich zu hoch. „Wir wären mit der Summe natürlich zufrieden. Ursprünglich hatten wir auf 120 000 bis 130 000 Euro gehofft“, sagte Hiensch. Damit wären die gut 100 000 Euro Schulden des Vorbesitzers und die bis zur Versteigerung angefallenen Kosten gedeckt gewesen. Trotzdem hätte sich Hiensch aber einen ganz anderen Käufer gewünscht. „Es wäre gut gewesen, wenn sich der Freistaat hier engagiert hätte. Dann wäre die Versteigerung gar nicht nötig gewesen“, sagte der AZV-Direktor.

 

Das etwa 60 000 Quadratmeter große Gelände gehörte in den vergangenen zehn Jahren dem Neonazi Karl-Heinz Hoffmann, Gründer der inzwischen verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann – einer Art paramilitärischen Einheit von Rechtsextremisten. Für die denkmalgerechte Sanierung hatte Hoffmann 130 000 Euro Fördergelder von der Landesverwaltung bezogen. In den letzten Jahren häuften sich allerdings die Verbindlichkeiten, der Abwasserzweckverband brachte das Objekt zur Zwangsversteigerung.

 

Vorbesitzer Hoffmann soll das Rittergut nicht zuletzt auch deshalb erworben haben, weil dort zwischenzeitlich Dichter Börries von Münchhausen gelebt hatte, der zu den Lieblingsautoren von Adolf Hitler zählte und sich 1945 erhängt hatte.