Bei Dezember-Krawallen in Leipzig wurde abgelaufenes Reizgas eingesetzt

Erstveröffentlicht: 
15.01.2016

Insgesamt 78 Reizgaspatronen, die eigentlich schon überlagert waren, wurden am 12. Dezember bei den Krawallen am Rand einer Nazi-Demo in Leipzig verschossen. Das bestätigte Sachsens Innenminister Markus Ulbig dem Grünen-Politiker Lippmann.

 

Leipzig. Bei den Ausschreitungen am 12. Dezember 2015 in Leipzig hat die Polizei auch überlagerte Reizgaskartuschen auf Gegendemonstranten verschossen. Das geht aus einer Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf Nachfrage von Grünen-Landespolitiker Valentin Lippmann hervor. „Es wurden 78 Reizstoffpatronen (RP721/8-CS und RP723/8-CS der Rheinmetall Waffe Munition GmbH) mit überschrittenem Verbrauchsdatum zum Einsatz gebracht“, so Ulbig. Zudem sollen aktuell auch weitere 280 Patronen mit abgelaufenem Reizgas noch im Bestand der sächsischen Polizei lagern, heißt es weiter aus Dresden.

 

Im Normalfall werden die Patronen ausgetauscht oder nur noch für Übungen genutzt, sobald deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. „Nach erfolgter sachverständiger Munitionsbewertung“ können die überlagerten Patronen auch für eine weitere Nutzungsdauer zertifiziert werden, so der Innenminister weiter. Am 12. Dezember habe es allerdings keine Überprüfung der Munitionscharge gegeben. „Der Einsatz erfolgte aus der Kenntnis heraus, dass eine Verlängerung der Nutzungsdauer regelmäßig bescheinigt wurde“, so Ulbig in seiner Mitteilung.

 

Tränengas-Kartusche mit Ablauf 07/15 #le1212 #Verbraucherschutz (; pic.twitter.com/1rAIGbT4Ex

— W‍ill‍ie W‍. (@weblaie) December 12, 2015

 

Für den Grünen-Landtagspolitiker ist die ausgebliebene Prüfung rechtswidrig und nicht hinnehmbar: „Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass die sächsische Polizei bei einem Einsatz ihr altes CS-Gas quasi entsorgt, ohne vorher zu prüfen, ob dieses noch nutzbar sind. Das mutet an wie ein Feldversuch – zumal das Reizgas auch gegen friedliche Demonstranten eingesetzt wurde“, schreibt Lippmann. Auch schwere Ausschreitung wie am 12. Dezember rechtfertigen nicht den Gebrauch: „Der Einsatz von Reizgas ist eine ultima ratio der Polizei, der stets der Verhältnismäßigkeit zu unterliegen hat.“

 

Lippmann: Ulbig muss Aufsichtspflichten nachkommen


Dass sich der Inhaltsstoff der Patronen Chlorbenzylidenmalondinitril (CS) durch Überlagerung gesundheitsgefährdend verändern könnte, glauben Hersteller und sächsische Polizei zumindest nicht. Bisher gebe es keine Erkenntnisse darüber, so Ulbig weiter. Allerdings könne der Alterungsprozess dazu führen, dass die Pyrotechnik beim Verschluss nicht mehr funktioniert – die Patronen explodieren dann nicht mehr.

 

Angesichts des aktuell nicht unerheblichen Bestandes von 280 überlagerten Reizgaspatronen fordert Landespolitiker Valentin Lippmann vom Innenminister, die betroffene Munition zu überprüfen oder zu entsorgen. „Insgesamt scheint im Beschaffungswesen der Polizei etliches im Argen zu liegen, wenn offensichtlich eine rechtzeitige Ersatzbeschaffung unterblieben ist. Ulbig muss seinen Aufsichtspflichten endlich nachkommen, damit sich ein solch rechtswidriger Einsatz nicht wiederholt“, so der Grünen-Politiker.

 

Am Rand eines Aufmarschs von Rechtsextremen im Leipziger Süden war es am 12. Dezember zu schweren Krawallen von Gegendemonstranten gekommen. Die Polizei sprach im Nachgang von bis zu 1000 Gewaltbereiten, die brennende Barrikaden auf der Karl-Liebknecht-Straße errichteten, Scheiben von Straßenbahnhaltestellen und Banken einwarfen und die Beamten mit Steinen angriffen. Die Polizei reagierte unter anderem mit Reizgas.