69 Polizisten verletzt | Die wichtigsten Fragen zum Straßenterror in Leipzig

Erstveröffentlicht: 
14.12.2015

Schlimmste Krawalle seit Jahren

 

  • VON S. BÜRGER, M. DOBBECK, J. KYNAST, P. GEBAUER UND E. TRÜMPER
  • Leipzig – Brennende Barrikaden, Wasserwerfer, Räumpanzer und Tränengas. Leipzig erlebte am Samstag die schlimmsten Krawalle seit Jahren. 69 Polizisten werden verletzt, 50 Einsatzfahrzeuge demoliert.

Auslöser: drei Nazi-Demos mit gerade einmal 150 Teilnehmern. Ihre Strecke war nur 550 Meter lang, der Aufmarsch dauerte kaum eineinhalb Stunden.

Doch neben 1500 friedlichen Gegendemonstranten zelebrierte in der Südvorstadt ein Mob aus 1000 gewaltbereiten Linken eine mehrstündige Gewaltorgie!


Um 8 Uhr setzen die Linksextremen ein erstes Zeichen: Brandsätze nahe der Haltestellen Connewitz und Plagwitz explodieren. „Offensichtlich sollte die Anreise der Rechtspopulisten erschwert werden“, so Polizeisprecher Andreas Loepki. Um 11 Uhr baut die Polizei Absperrgitter auf. Loepki: „Ein direktes Aufeinandertreffen der Lager konnte verhindert werden. Allerdings nahmen die Linksautonomen das nun zum Anlass, ihre Aggressionen in massivster Form gegenüber der Polizei auszuleben“.

 

Noch bevor die Rechten um 14.37 Uhr los marschieren liefern sich etwa 300 linke Chaoten auf der KarLi, Ecke Kurt-Eisner-Straße, eine Schlacht mit der Polizei. Am Südplatz bewerfen rund 1000 Vermummte die Beamten mit Pflastersteinen. Als die Wasserwerfer kommen, zieht der Mob Richtung Connewitz. „Dabei wurden Mülltonnen und Verkehrsleittechnik auf die Straße gezerrt und in Brand gesetzt“, sagt Loepki.


Am Connewitzer Kreuz randaliert kurz darauf ein wütender Mob: 130 Chaoten zerschlagen Scheiben. Selbst Feuerwehrleute werden angegriffen.

Erst am Abend beruhigt sich die Situation. In der Nacht zum Sonntag brennt noch einmal ein Container auf der Biedermannstraße, an der Arno-Nietzsche-Straße fackelt ein Baufahrzeug ab, an der B2 brennt ein Elektro-Verteilerkasten – die Straßenbeleuchtung fällt aus.

 

Die acht friedlichen Gegendemos mit rund 1500 Teilnehmern waren in dem Chaos kaum wahrnehmbar. Polizeisprecher Loepki kritisiert aber: „Die Gewalttäter konnten sich immer wieder unter friedliche Protestteilnehmer mischen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn sich diese stärker und aktiver abgegrenzt hätten.“


War die Polizei überfordert?

 

Drei Nazi-Aufmärsche und über 1 000 Chaoten, die mit Ansage gewütet haben– die Stadt war sich der Gefahr bewusst!

Dennoch waren kaum 1 000 Beamte im Einsatz. Mehr gab´s nicht, denn neben zahlreichen Demos ist die Polizei mit der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften, Terrorabwehr und Fußballspiele mittlerweile im Dauereinsatz – bundesweit.

 

„Wir sind nicht an der Grenze der Belastbarkeit, sondern haben diese bereits überschritten”, so GdP-Chef Hagen Husgen. Kein Wunder also, dass die Polizisten am Samstag immer wieder das Gefühl hatten, die Lage nicht mehr unter Kontrolle zu haben...


Woher kamen die Chaoten?

 

Etwa 750 Linksextremisten gibt es im Freistaat, bis zu 300 von ihnen leben in Leipzig.

 

Aber die Polizei sprach am Samstag von mindestens 1 000 vermummten Gewalttätern. Nach Einschätzung der Behörden Krawall-Touristen. Schon vor Wochen riefen linksautonome Gruppen im Internet dazu auf, am 12. Dezember nach Leipzig zu kommen.


Das „Komitee der 1. Liga für Autonome“ hat Leipzig sogar den fragwürdigen Titel „Randalemeister 2015“ verliehen und schreibt: „Für die gemeinsame Party aller autonomen Gruppen schlägt das Komitee die Weihnachtsfeier des ‚Antifa e.V.‘ am 12. Dezember in Connewitz vor.“

 

Wieso wurde die Nazi-Demo in der Südvorstadt überhaupt genehmigt?

Artikel 8 des Grundgesetzes sichert allen Bürgern das Recht auf Versammlungsfreiheit zu. Das bedeutet auch, dass der Ort frei wählbar ist. Fakt ist aber auch: Die von den Rechten ursprünglich beantragten Route durch Connewitz war eine Provokation.

 

Das reicht aber nicht, um eine Demo zu verlegen oder gar zu verbieten. Das geht nur, wenn andere Grundrechte oder die öffentliche Sicherheit gefährdet werden.


Aus Connewitz konnte die Versammlungsbehörde die Rechten raus halten. Als Gründe wurden u.a. Veranstaltungen in der Paul-Gerhardt-Kirche sowie der HTWK genannt. In der Südvorstadt sah die Behörde dagegen keine Argumente, die Demo zu verbieten.

 

Wieso wurden nur 23 der 1000 Chaoten gefasst?

Landfriedensbruch, Vandalismus, Körperverletzungen: Die Liste der am Samstag verübten Straftaten ist lang. Dennoch wurden kaum mehr als 50 Verfahren eingeleitet, nur 23 der gut 1000 Chaoten in Gewahrsam genommen.

 

„Der Lage Herr zu werden, hat bei solchen Einsätzen immer Vorrang vor der Strafverfolgung“, sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Damit waren im Prinzip schon alle Kräfte gebunden.“ Zudem ist die Strafverfolgung äußerst schwer, wenn etwa alle ähnlich angezogen sind.


„Das wissen die Krawallmacher und nutzen dies auch aus.“

 

Wird es wieder so schlimm wie in den 1990ern?

 

Die Bilder vom Samstag – viele Leipziger erinnerten sie an die frühen 1990er Jahre. Damals kam es in Connewitz regelmäßig zu Straßenschlachten zwischen Rechten und Linken. Wird es wieder so schlimm wie damals?


„Die Gegner sind heute andere“, so ein Insider zu BILD. „Die Rechten haben sich aus der Stadt weitgehend zurück gezogen. Denn anders als damals kämpfen nicht mehr Antifa und Neonazis um die Vorherrschaft, Hauptgegner der „neuen Autonomen“ ist der Staat, sind Polizisten, Justiz, die Banken...“

 

Die selben Gegner haben heute auch die Neonazis. Die nehmen zz. die Asylpolitik zu Anlass, um „das System“ anzugreifen. Extremismusexperten beobachten, wie Linke und Rechte aufrüsten. „Die Gewaltbereitschaft steigt in beiden Lagern“, heißt es.