[LÜB] Auffallende Ähnlichkeiten - Die AfD und das Neonazi-Netzwerk im Spreewald

Zukunft Hei­mat in Lüb­benau mit AfDler Andreas Kal­bitz in der ers­ten Reihe

Selt­same Alli­an­zen haben sich dem Anschein nach im Süden Bran­den­burgs gebil­det. Gegen den „Aus­tausch des Vol­kes“ gehen dort „besorgte Bür­ger“ gemein­sam mit der AfD auf die Straße. Mit dabei sind auch Neo­na­zis aus dem Umfeld der ver­bo­te­nen „Spree­lich­ter“. „Zukunft Hei­mat“ heißt die Initia­tive, die mobil macht gegen Flücht­linge. Bei einer Demons­tra­tion vom „Zukunft Hei­mat“ am 31. Okto­ber in der Spree­wald­stadt Lüb­benau kamen 900 Per­so­nen zusam­men. Bei einer zwei­ten Aktion am 5. Dezem­ber in Lüb­ben waren es 500.

 

Ihren Ursprung hat „Zukunft Hei­mat“ in einer Bür­ger­in­itia­tive aus dem Dorf Züt­zen. Die Initia­tive „Pro Züt­zen“ hatte im Som­mer die Unter­brin­gun­gen von 100 Flücht­lin­gen in dem 350-Einwohner-Dorf kri­ti­siert, aber nicht grund­sätz­lich abge­lehnt. Züt­zen ist ein Orts­teil der Stadt Gol­ßen im Dahme-Spreewald. Eine Demons­tra­tion fand am 30. Juni unter dem Motto „Demo­kra­tie wagen“ statt. Nach eige­nen Anga­ben ver­sam­mel­ten sich über 100 Men­schen auf dem Markt­platz in Gol­ßen. Zu den For­de­run­gen gehörte der Ruf nach “ mehr Bür­ger­be­tei­li­gung“ und die dezen­trale Unter­brin­gung von Flüchtlingen.

 

Aus „Pro Züt­zen“ hat sich mitt­ler­weile „Zukunft Hei­mat“ ent­wi­ckelt. Es han­delt sich um einen Anfang August gegrün­de­ten, ein­ge­tra­ge­nen Ver­ein.  Vor­sit­zende sind Chris­toph Berndt, haupt­be­ruf­lich an der Ber­li­ner Cha­rité, und Anne Haber­stroh, Fri­seu­rin in Gol­ßen. Wei­tere Aktive wie Alex­an­dra Hentsch und Lars Köh­ler kom­men eben­falls aus Golßen.

 

„Zukunft Hei­mat“ ist wesent­lich radi­ka­ler als „Pro Züt­zen“. „Gegen die Auf­lö­sung unse­res Vol­kes“ gelte es „Wider­stand zu leis­ten“, heißt es in schar­fem Ton auf der Home­page. Von den „Block­par­teien“ dürfe man dabei nichts erwar­ten. Auf der Face­book­seite wird ver­kün­det, dass man mit dem „Unge­hor­sam des deut­schen Staats­vol­kes“ die „vater­lands­lo­sen Gesel­len in der Regie­rung und Medien“ besie­gen wer­den könne.

 

Offen­kun­dig nicht zu den „Block­par­teien“ wird von „Zukunft Hei­mat“ die AfD gezählt. Deren Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter Andreas Kal­bitz durfte bei der Demons­tra­tion in Lüb­benau in der ers­ten Reihe lau­fen und eine Rede hal­ten. Der Bur­schen­schaft­ler Kal­bitz ist in sei­ner Par­tei am äußers­ten rech­ten Rand posi­tio­niert, wie ver­schie­dene Berichte bele­gen. Als die AfD dann am 7. Novem­ber zu einer Groß­de­mons­tra­tion in Ber­lin auf­rief, war auch „Zukunft Hei­mat“ mit dabei. Für den kom­men­den Don­ners­tag (16.12.) ruft indes der AfD-Jugendfunktionär Jean-Pascal Hohm zu einer wei­te­ren Demons­tra­tion auf. Das Motto des Auf­mar­sches in Zos­sen: „Für die Zukunft unse­rer Hei­mat“. Unter­stüt­zung bei der Facebook-Mobilisierung kommt wenig über­ra­schend von „Zukunft Hei­mat“ selbst. Das ist reich­lich viel Par­tei­nähe, für ein „Bür­ger­bünd­nis“, das offen­sicht­lich eigent­lich über­par­tei­lich wir­ken will.

 

Auch Neo­na­zis aus dem Netz­werk der 2012 als „Wider­stand­be­we­gung Süd­bran­den­burg“ ver­bo­te­nen „Spree­lich­ter“ waren bei den „Zukunft Heimat“-Demonstrationen dabei. Unmit­tel­bar vor der Aktion in Lüb­ben tru­gen Neo­na­zis Pro­test­pla­kate mit der Auf­schrift „Schnauze voll“. Das berich­te­ten die Pots­da­mer Neu­es­ten Nach­rich­ten (PNN). Mit­ten in die­ser Gruppe war, so die PNN, der ehe­ma­lige Spreelichter-Anführer Mar­cel Forst­meier. Wäh­rend der Demo saß Forst­meier dann bei einem Bäcker, zusam­men mit zwei wei­te­ren Per­so­nen, eine dazu in einem Organisatoren-T-Shirt, heißt es bei der PNN. Andere Neo­na­zis, die zum Umfeld der Spree­lich­ter gezählt wer­den, waren im Auf­zug, mach­ten Fotos. Der Ein­druck, der so ent­ste­hen kann: Die Neo­na­zis sind in die Orga­ni­sa­tion womög­lich ein­ge­bun­den, ver­su­chen dies aber zu tarnen.

 

Auch sti­lis­tisch und rhe­to­risch ähneln man­che Äuße­run­gen von „Zukunft Hei­mat“ denen der frü­he­ren „Spree­lich­ter“. Vor allem über soziale Medien wie Face­book, Twit­ter und YouTube wurde schnell damit begon­nen, Inhalte gegen den „Volks­aus­tausch“ zu ver­brei­ten — nicht unähn­lich zu den War­nun­gen der „Spree­lich­ter“, die noch einen „Volks­tod“ befürch­te­ten. Die sti­lis­ti­sche Ähnlich­keit der schwüls­ti­gen Videos und die Auf­ma­chung der Kam­pa­gnen­sei­ten zu den alten Spreelichter-Projekten sind teils frap­pie­rend. Die Schrift­art, mit der das Front-Transparent der Lübbenau-Demo beschrie­ben war, tauchte auch auf eine Inter­net­wer­be­gra­fik für die Demo auf — und wurde Jahre zuvor von den „Spree­lich­tern“ selbst benutzt.

 

Die Ver­net­zung von „Zukunft Hei­mat“ mit extrem rech­ten Per­so­nen und Grup­pen wird am Twit­ter­ka­nal des Ver­eins sicht­bar. Auch Bei­träge eines „Den­nis­Ko­er­ner“ wer­den dort immer wie­der geteilt. Bei ihm han­delt es sich um eine Per­son, die seit 2009 in hoher Fre­quenz zum „Volks­tod“, zum „Volks­aus­tausch“ und zu netz­po­li­ti­schen The­men pos­tet. Es wäre keine son­der­lich steile These, wenn man „Den­nis­Ko­er­ner“ zum Spreelichter-Umfeld zäh­len würde.

Nach ihrem Ver­bot ver­öf­fent­lich­ten die „Spree­lich­ter“ einen Stra­te­gie­text zu ihrer „Unsterblichen“-Kampagne, den man als Blau­pause für das lesen kann, was nun mög­li­cher­weise im Spree­wald umge­setzt wer­den soll: Als Neo­na­zis im sozia­len Nah­raum mit­mi­schen bei Anti­flücht­lings­pro­tes­ten, sich dabei aber nicht erkenn­bar geben. Das Thema „Volks­tod“ bezie­hungs­weise die „Über­flüs­sig­keit eigen­stän­di­ger Völ­ker“ müsse in die gesell­schaft­li­che Debatte gebracht wer­den, hieß es damals.  Volks­nähe und Kon­takt zu „ganz nor­ma­len“ Men­schen solle auf­ge­baut wer­den und dafür könne man aus dem Hin­ter­grund agieren:

„Schon jetzt sind viele als UNSTERBLICHE unter­wegs, die zuvor nie mit poli­ti­schem Akti­vis­mus in Berüh­rung kamen. Es sind ganz nor­male Arbei­ter, Stu­den­ten, junge Eltern sowie deren Freunde und Bekannte (…). Weil die­ses Anlie­gen so viel wich­ti­ger als jede Detail­po­li­tik, weil es die Grund­vor­aus­set­zung für zukünf­tige Poli­tik über­haupt ist, füh­ren UNSTERBLICHE weder Wahl­kampf– noch sons­tige detail­po­li­ti­sche Ver­an­stal­tun­gen durch, tra­gen keine Sze­ne­kla­mot­ten’ und geben sich keine Grup­pen­na­men. Für die UNSTERBLICHEN ist klar: Poli­ti­sche Inhalte sind wich­tig, viele The­men sind wich­tig, Pro­pa­ganda ist wich­tig. Und all die­sen Anlie­gen wer­den sie im pas­sen­den Rah­men gerecht – aber nicht als UNSTERBLICHE, son­dern auf poli­ti­schen Ver­an­stal­tun­gen oder mit Wort und Tat im Fami­lien– und Freun­des­kreis. Die UNSTERBLICHEN machen fried­lich auf den dro­hen­den Volks­tod auf­merk­sam – nicht weni­ger, aber auch nicht mehr.“

Die hier beschrie­bene Alli­anz von „besorg­ten Bür­gern“, der AfD und Neo­na­zis hat den Effekt, dass sie für ihre Demons­tra­tio­nen rela­tiv viele Men­schen mobi­li­sie­ren kön­nen und die Öffent­lich­keits­ar­beit pro­fes­sio­nell abge­wi­ckelt wird. Die „Spree­lich­ter“ gal­ten bis zu ihrem Ver­bot in der Nazi­szene als beson­ders radi­kal. Mit ihrer offe­nen anti­de­mo­kra­ti­schen Hal­tung („Die Demo­kra­ten brin­gen uns den Volks­tod“) über­tra­fen sie sogar die NPD. Die Kam­pa­gnen­kom­pe­tenz ist noch vor­han­den — nun aber ist der Ton gemä­ßig­ter, ent­spre­chend den vor Jah­ren ange­stell­ten stra­te­gi­schen Überlegungen.

 

Die bei den „Zukunft Heimat“-Aktionen Begriffe „Volks­aus­tausch“ und „#gren­zen­dicht“ ver­wei­sen indes auch auf die Kam­pa­gnen der „Iden­ti­tä­ren Bewe­gung“. Diese völkisch-neurechte Orga­ni­sa­tion hat für 2016 eine Kam­pa­gne in Bran­den­burg ange­kün­digt — Kon­takte beste­hen offen­bar ohne­hin. Der Twitter-User Den­nis­Kör­ner ver­öf­fent­licht Gra­fi­ken und Bil­der unter dem Identitären-Slogan „Der große Aus­tausch“, die eben­falls den Gra­fi­ken von „Hei­mat Zukunft“ ähneln. Auf der Demo in Lüb­ben wurde außer­dem für die Initia­tive „ein­pro­zent“ gewor­ben, aus dem neu­rech­ten Spek­trum des „Insti­tut für Staats­po­li­tik“ kommt. Bei eben­die­sem Insti­tut sorgte kürz­lich mit Björn Höcke ein wei­te­rer AfD-Rechtsaußen durch eine offen ras­sis­ti­sche Rede für Aufmerksamkeit.

 

Wohin sich „Zukunft Hei­mat“ ent­wi­ckeln wird, scheint der­zeit offen. Die offene Nähe zur AfD und die selt­sa­men Kreuz­punkte mit Neo­na­zis und ein neu­rechts inspi­rier­ten Rhe­to­rik könnte ein Modell­pro­jekt für flücht­lings­feind­li­che Mobi­li­sie­run­gen sein, deren Bedeu­tung über den Spree­wald hin­aus­geht: Lokale Ver­an­ke­rung durch eta­blierte Per­sön­lich­kei­ten aus der Gegend, ein par­la­men­ta­ri­scher Arm durch die AfD, dazu Neo­na­zis in nicht allzu gro­ßer Ferne.