Von der Haft zur Altersarmut

Erstveröffentlicht: 
01.11.2015

Eine Gewerkschaft für Häftlinge? Eine deutsche Initiative stellte sich in Innsbruck vor. Sie fordert eine Pensionsversicherung für Häftlinge.

Von Sabine Strobl

 

Innsbruck – „Wir wollen ganz unten anfangen. Man könnte ein ähnliches Modell für Österreich entwickeln“, resümiert Oliver Rast nach der ersten Informationstour der deutschen „Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) durch österreichische Städte. Die Ansage: Beschäftigte Häftlinge sollen sozialrechtlich als Arbeitneh- mer anerkannt werden.

 

In Deutschland und in Österreich arbeiten viele Insassen in den Betrieben der Justizanstalten, als Freigänger oder, wenn angesucht wird, auch für externe Arbeitgeber. „Den Vorteil haben die Behörden und die Unternehmer“, sagt Rast, „die Inhaftierten arbeiten knapp über der Gratismarke. Das heißt, in Deutschland verdienen arbeitende Häftlinge rund 15 Euro am Tag.“ Wie die TT bereits berichtete beträgt in Österreich der Stundenlohn, der nach Abgaben bleibt, zwischen 1,20 und 1,80 Euro. Diese Praxis „ist ein Ticket in die Altersarmut“ und habe nichts mit Resozialisierung zu tun. Rast fordert Mindeststandards beim Lohn, eine Einrechnung der Arbeit in die Pensionskasse und eine Möglichkeit der beschäftigten Häftlinge zum Informationsaustausch. Generell soll die Gewerkschaft Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen vertreten, hinter und vor Gittern. Der gelernte Buchhändler ist Vorsicht bei diesem Thema gewohnt. Er selbst wurde wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. In der Haft kam ihm die Idee, eine Gewerkschaft zu gründen. Die Initiative besteht seit eineinhalb Jahren und zählt 850 inhaftierte Mitglieder in 70 deutschen Haftanstalten. Zu Tiroler Vertretern des Gewerkschaftsbundes hat die Initiative noch keinen Kontakt aufgenommen, erklärt der Tiroler ÖGB-Vorsitzende Otto Leist.