Experte: Pegida wächst durch Flüchtlingskrise

Erstveröffentlicht: 
07.10.2015

Patzelt kritisiert: Politik reagiert zu spät

 

Dresden. Die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung verzeichnet wieder steigenden Zulauf und hat am Montag bis zu 9000 Menschen in Dresden versammelt. Diese Zahl schätzte die studentische Gruppe "Durchgezählt" am späten Abend. In der vergangenen Woche hatte die Statistikgruppe die Zahl der Teilnehmer an der Pegida-Demonstration im Zentrum Dresdens mit etwa 7500 Menschen angegeben. Am Rande dieser Kundgebung in der Vorwoche waren auch Journalisten von Demonstrationsteilnehmern angegriffen worden. Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt sieht einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem wachsenden Zulauf und den akuter werdenden Problemen bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen.


Journalisten berichteten von einer zunehmend aggressiven Stimmung bei den Demonstrationen. Vertreter des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), des Zeitungsverlegerverbandes und der DJV-Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (DJV) hatten bereits zuvor mehr Sicherheit für Medienvertreter gefordert und gegen Hetze und Gewalt gegen Medien protestiert. Das Aufputschen von teilweise Tausenden Anhängern der Bewegungen mit den Rufen "Lügenpresse" sei nicht nur für alle Medienvertreter unerträglich. Sie beschädige auch die Demokratie, schaffe eine Stimmung der Verunsicherung in der Bevölkerung und provoziere Handlungen bis hin zum Einsatz von Gewalt, hieß es in einer Erklärung.


Die Dresdner Polizei war am Montagabend mit knapp über 200 Beamten im Einsatz, um die Pegida-Kundgebung und vereinzelte Gegenproteste abzusichern. Während der Versammlungen seien keine Störungen zu verzeichnen gewesen, teilte die Polizei mit. Nach Ende der Versammlungen kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen fünf Personen, bei der drei Männer verletzt wurden. Einer von ihnen wurde im Krankenhaus behandelt. Es wurden Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen.


Die Pegida-Bewegung war erstmals im Oktober 2014 in Dresden aufmarschiert. Anfang des Jahres zogen die Kundgebungen mehr als 20000 Menschen an. Der Politikwissenschaftler Patzelt sagte, die Zuwanderung nach Deutschland mit ihren offenkundigen Folgeproblemen würde die Pegida-Bewegung gleichsam mästen. Weil die Flüchtlingszahlen seit dem Sommer aufs Deutlichste angestiegen seien, sähen sich Pegida-Anhänger mehr denn je in ihren Sorgen und in ihrer Kritik bestätigt.


Patzelt wertete es als groben Fehler von Politik und Medien, die Themen der Demonstranten zunächst nicht ernst genommen zu haben. Erst jetzt, unter dem Druck der Tatsachen, würden die Einwanderungsprobleme offen angesprochen und reagiere die Politik auf sie, etwa mit dem neuen Asylgesetz. Mit den "jetzt geplanten Maßnahmen hätte man im Herbst oder noch im Januar Chancen gehabt, Pegida wichtige Themen und Mobilisierungskraft zu nehmen", erklärte er. Nun aber sei "ein solches Maß an Aversion, an Wut über die politische Klasse und über Journalisten entstanden, dass mehr und mehr zum zentralen Thema wird: Angela Merkel muss weg, diese ganze politische Klasse muss weg!", sagte der Politologe.