Eigentlich wollte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry ihren Wuppertaler Anhängern am Sonntag in einem griechischen Restaurant etwas über Asyl- und Innenpolitik erzählen. Bereits mehrere Tage vorher wurde allerdings auf dem linksradikalen Onlineportal „Indymedia Linksunten" dazu aufgerufen, dem Wirt mitzuteilen, wer da seine Räume gemietet hat. Scheinbar haben das einige getan: Einen Tag vor der Veranstaltung stand die AfD ohne Räumlichkeiten da. Auch andere Gastwirte wollten die rechte Kleinpartei offenbar nicht in ihren Kneipen und Restaurants haben. Die AfD spricht davon, dass die Wirte von „der Antifa" bedroht worden seien. Der griechische Wirt hat auf unsere Anfrage, wieso er tatsächlich abgesagt hat, bislang nicht reagiert.
Antifa kapert AfD-Demo
17 Uhr, Wuppertal-Barmen: Vor der Schwebebahn-Haltestelle versammeln sich die ersten AfD-Demonstranten: Besorgte Bürger, wütende Rentner und der gestriegelte AfD-Nachwuchs der „Jungen Alternative NRW". Mit dabei ist auch der vor kurzem zurückgetretene stellvertretende Landesvorsitzende der Parteijugend—der selbsternannte „Hatefucker" und aufgeflogene Laiendarsteller Maximilian Kneller.
Frauke Petry ist noch nicht da—dafür lassen sich nach einigen Minuten die ersten Gegendemonstranten blicken. Einzelne laufen an den AfD-lern vorbei und rufen „Refugees are welcome here", der Rest der etwa 40 Gegendemonstranten steht ein paar Meter weiter und beginnt zu pfeifen, als der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen AfD-Jugend zum ersten Mal versucht, durch sein Megaphon zu sprechen. Die Polizei ist so gelassen wie unterbesetzt.
Als auch die AfD-Vorsitzende zu ihren etwa 60 versammelten Anhängern dazu stößt, soll die Demonstration durch die relativ leere Einkaufsstraße beginnen—kommt aber erstmal nur ein paar Meter. Schnell kommen die Gegendemonstranten näher und stellen sich in den Weg. Nach kurzem und harmlosem Gerangel mit der Polizei ist schnell klar: Die AfD-Demonstration wird heute zur Antifa-Demo für Flüchtlinge—zumindest in der Außenwirkung. Die AfD-Demonstranten können zwar nach wenigen Minuten weiterlaufen, sind aber von sichtbar gut gelaunten Antifas umzingelt.
Sogar das Fronttransparent stellt die Antifa: „Deutsche Zustände aufmischen" ist das erste, was Passanten von der AfD-Demo sehen. Auf der linken Seite der Demonstration laufen weitere Gegendemonstranten mit einem „Refugees Welcome to Wuppertal"-Banner. Neben ohrenbetäubendem Trillerpfeifen-Lärm hören die Passanten vor allem Refugees-Welcome-Gesänge und Parolen wie „AfD Faschistenpack, wir haben dich zum Kotzen satt". Die eingekreisten AfD-ler dringen mit ihren wenigen Rufen kaum nach außen. Zwischendurch sind aber Parolen gegen die „Antifa-Faschisten" zu hören.
Die Polizei bleibt während der gesamten Aktion erstaunlich gelassen. Das Hauptaugenmerk der Beamten scheint vor allem zu sein, dass die Gegendemonstranten nicht unter die Räder des vorfahrenden Polizeiwagens kommen. Dabei bleibt auch alles ziemlich friedlich. Körperliche Aggressionen gehen nur zwei Mal von Teilnehmern der AfD-Demo aus. Einmal will ein Demonstrant den Antifas vor ihm das Transparent entreißen und wird handgreiflich, einige Zeit später versucht ein weiterer einem jungen Mann seine Trillerpfeife wegzunehmen. Beide Male gibt es nur kurz Gerangel, bevor die Polizei die Situation beruhigt hat.
Der Erfolg des Tages: Grade mal zehn Minuten Petry
Eigentlich soll die AfD-Demo auf dem Alten Markt, einem größeren Platz am Ende der Einkaufsstraße, enden. Als die Gegendemonstranten am Rand des Platzes einfach stehen bleiben, ist allerdings klar, dass es so nicht kommen soll. Die Polizei ist immer noch nur mit wenigen Streifenpolizisten im Einsatz—zu wenige, um die Antifas einfach weg zu schieben.
Bei den AfD-Demonstranten macht sich deshalb noch mehr Frust breit: Immerhin sind sie doch gekommen um ihre große Vorsitzende reden zu hören. „Voll die Hurensöhne", meint ein junger AfD-Anhänger mit Blick auf die wenige Meter entfernten Gegner. Nach einer Weile kommt der Polizei die zündende Idee, wie Frauke Petrys verhinderte Zuhörer doch noch zufrieden gestellt werden: In Gelsenkirchen ist gerade das Fußballspiel gegen Köln zu Ende gegangen. In einer halben Stunde könnte der eingesetzte Kölner Hundertschaftszug in Wuppertal sein. Als der Vorsitzende der „Jungen Alternative NRW" das bekannt gibt, jubeln die AfD-ler.
Einige Zeit später tauchen die Hundertschafts-Beamten tatsächlich auf—wie aus dem Nichts aus einer Seitenstraße. Direkt fangen sie an, die Gegendemonstranten soweit abzudrängen, dass die Trillerpfeifen nicht mehr stören. Auf den wenige Meter entfernten Platz schafft die Demo es dennoch nicht. Die Parteivorsitzende muss auf einer Bank stehend durch ein Megaphon sprechen. Zuhörende Passanten gibt es hier nicht. Die Stimmung erhellt sich trotzdem sichtlich, als Frauke Petry zu sprechen beginnt. So etwas wie in Wuppertal, sagt sie, hätte sie noch nicht erlebt. In Sachsen und Thüringen hätten sie solche Verhältnisse nicht. Das stimmt: Bei der letzten AfD-Demonstration in Erfurt haben Neonazis und Hooligans die Gegendemonstranten als „Judenpack" beschimpft und dann durch die Stadt gejagt.
Als Frauke Petry spricht, geht es auch um Meinungsfreiheit—das ursprüngliche Thema der Demonstration. Ihren Anhängern scheint es aber nicht um die Meinungs- und Pressefreiheit aller zu gehen: Journalisten, die Fotos der Parteivorsitzenden machen, werden von Demonstranten abfotografiert, bedrängt, gepöbelt und weggeschubst—unter den Augen des nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden und Europaabgeordneten Marcus Pretzell. Die Möglichkeit, sich von ihrer besten demokratischen Seite zu zeigen, hat die AfD ein weiteres Mal verpatzt.
Als Erfolg wird die Partei den Tag kaum verbuchen können. Nachdem die Demonstration beendet wurde, läuft Petry gemeinsam mit Pretzell, ihrem breitschultrigen Bodyguard und einigen Polizisten schnellen Schrittes zu ihrem Auto zurück. Als sie an der Schwebebahn-Haltestelle vorbeilaufen, wird sie ein letztes Mal angepöbelt. „Hau ab aus Wuppertal" rufen ihr ein paar junge Aktivisten im schwarzen Antifa-Dress zu. Sie schaut sich besorgt um und verschwindet noch ein bisschen schneller von der Wuppertaler Bühne.