Glücklos im rechten Sumpf - Sachsens Innenminister Ulbig unter Druck

Erstveröffentlicht: 
30.08.2015

Nur Pleiten, Pech und Pannen? Sachsens Innenminister Ulbig steht unter Druck. Kritiker werfen dem CDU-Politiker vor, mit einer verfehlten Politik Szenen wie in Heidenau, wo ein rechter Mob ein Flüchtlingsheim bedrohte, erst möglich gemacht zu haben.

 

Dresden. Sein couragiertes Eintreten gegen die Neonazi-Szene in der Sächsischen Schweiz hat Markus Ulbig (51) einst über die Parteigrenzen hinweg Respekt eingebracht. Damals war der Christdemokrat aus dem Osterzgebirge Bürgermeister von Pirna. Seit 2009 sitzt er als sächsischer Innenminister am Kabinettstisch von Stanislaw Tillich (CDU). Und dort beweist er beim Thema Asyl und den immer hässlicher werdenden rechten Umtrieben keine glückliche Hand. Fast sinnbildlich sein Auftritt beim Willkommensfest für Flüchtlinge in Heidenau am Freitag: Linke Demonstranten und Flüchtlinge schreien ihn nieder, als er dort auftaucht und Interviews geben will.

 

Unter „Hau ab“-Rufen und bedrohlich bedrängt wird er von Personenschützern in Sicherheit gebracht. Und ist nach wenigen Minuten wieder weg. Die Heftigkeit der Ablehnung, den Hass kann er nicht verstehen. „Weil ich mit dafür gesorgt habe, dass diese Veranstaltung hier stattfinden kann“, sagt er noch, bevor er im Auto verschwindet. Was er nicht sagt: Das Fest für die Flüchtlinge genau eine Woche nach dem Ausbruch der rechten Gewalt rund um die Unterkunft stand bis zuletzt auf der Kippe. Und das Versammlungsverbot, von dem es dann in letzter Minute per Eilentscheid des Oberverwaltungsgerichts (OVG) doch noch ausgenommen wurde, wurde mit der Tatsache begründet, dass seine Polizei aufgrund der personellen Lage nicht imstande sei, aus eigenen Kräften für ausreichend Sicherheit zu sorgen. Das Bundesverfassunsgreicht kassierte am Samstag den Richterspruch des OVG.

 

Polizei am Limit

 

Auch ein Effekt der von Ulbig eingeleiteten Reform „Polizei 2020“. Von 2010 bis 2014 wurden die Polizistenstellen in Sachsen um knapp 680 auf 10.865 reduziert. Und die Zahl der Beamten nimmt weiter ab. Zwar wurde der Einstellungskorridor für junge Polizeianwärter auf jährlich 400 erhöht, doch die müssen erst ausgebildet werden. Je nach eingeschlagener Laufbahn dauert das Jahre. Viel zu lange hielt Ulbig an dem 2013 vorgestellten Konzept fest. Die sächsische Polizei ist längst am Limit: Demonstrationen von Rechten und Linken so ziemlich jeden Tag irgendwo im Freistaat halten sie ebenso in Atem wie Flüchtlingsunterkünfte, die mit großem Aufgebot gegen Angriffe und Proteste von Rechtsextremen gesichert werden müssen, Von den Ost-Derbys in der 3. Fußballliga mal ganz zu schweigen. Auch die montäglichen Pegida-Demos - so wenig Beachtung sie inzwischen auch finden mögen - binden noch immer Kräfte. 

 

Im Umgang mit den fremdenfeindlichen Rechtspopulisten um Lutz Bachmann machte Ulbig keine wirklich gute Figur. Lange warnte er vor einer Stigmatisierung. Und er war es, der sich im Januar mit Teilen der Pegida-Führung traf. Sehr zum Ärger des Koalitionspartners SPD, der das Treffen als persönliche Entscheidung eines Kabinettsmitglieds bezeichnete. Die Opposition sprach vom „Kniefall vor Pegida“.

 

Unglücklich geriet auch ein Besuch Ulbigs, der sich gern als Hardliner zeigt und die harte Abschiebepraxis in Sachsen betont, bei einer kurdisch-syrischen Flüchtlingsfamilie im April. Kuchen essend saß er dort medienwirksam auf dem Sofa, ein Kind auf dem Schoß. Wenige Wochen später wurde die Familie samt schwangerer Mutter mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, sollte abgeschoben werden. Der Versuch scheiterte zwar zunächst, aber der PR-Super-Gau war perfekt.

 

Auch die Ankündigung, Sondereinheiten für ausländische Intensivtäter zu bilden, just in dem Moment, als Pegida Ende vergangenen Jahres in Dresden so richtig in Fahrt kam, wurde ihm übelgenommen. Und zwar vor allem wegen des Wegs, auf dem er diese Nachricht in die Welt brachte: per Zeitungsinterview mit reißerischer Schlagzeile. 

 

Vielleicht war das aber auch schon Wahlkampf. Anfang Juni trat Ulbig als Oberbürgermeisterkandidat in Dresden an. Das Ergebnis: desaströse 15,4 Prozent. Die CDU verlor den letzten Chefsessel in einer deutschen Großstadt. Wahrlich kein guter Lauf für Ulbig.

 

Martin Fischer