Linksextremisten in Leipzig: Funken in der Nacht

Erstveröffentlicht: 
12.06.2015

In Leipzig haben Linksextreme eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Mit Anschlägen wollen sie den Niedergang Deutschlands und am liebsten der ganzen EU erreichen. Landesregierung und Polizei sind alarmiert.

 

Selbst erfahrene Polizisten waren sprachlos. Als mehrere Beamte dem sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) berichten sollten, was in der Nacht zum 6. Juni in Leipzig geschehen war, sagten sie, die Tat habe alles bisher Erlebte überschritten. Überfallartig waren gut einhundert teils vermummte Autonome durch die Innenstadt gezogen. Sie hatten Böller und Bengalos gezündet, Farbbeutel, Molotowcocktails und mit Exkrementen gefüllte Gläser geworfen, mit mehr als 200 Pflastersteinen Haltestellen „entglast“ und Autos demoliert. Auch Polizisten und öffentliche Gebäude wurden angegriffen, darunter das Bundesverwaltungsgericht, an dem Fensterscheiben zu Bruch gingen. Eine Dreiviertelstunde später war alles vorbei. Zahlreiche Polizisten, denen Pflastersteine in Kopfhöhe in die Autos geworfen wurden, waren verletzt. Zudem wurden die Scheiben eines vorbeifahrenden Reisebusses zertrümmert und in der Stadt eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz sprach von „kriegerischen Angriffen“ und einem „absoluten Gewaltexzess“, den er nun mit einer eigens gegründeten Sonderkommission, in der Kriminal- und Staatsschutzbeamte zusammenarbeiten, aufklären will.

 

Es gibt kaum Zweifel, dass die Täter aus dem linksautonomen Milieu stammen. Mutmaßlich von den Randalierern im Internet veröffentlichte Fotos zeigen, wie sie bei ihrer Gewaltorgie ein Transparent mit der Aufschrift „Troika, G7, Frontex, Leipzig, Deutschland – Es kotzt uns an! Der Aufstand wird kommen!“ vor sich hertragen. Darüber hinaus ist es der in diesem Jahr bereits sechste, wenngleich wohl heftigste Gewaltausbruch in Leipzig. Schon im Januar hatten Autonome mehrfach Polizeistationen überfallen, Fahrzeuge zerstört und das Amtsgericht demoliert, im März attackierten sie das Gebäude der Staatsanwaltschaft und schmierten „Gegen Staat und Repression“ an die Fassade. Im April griffen sie das Technische Rathaus sowie die Ausländerbehörde der Stadt Leipzig an und zerstörten 40 Fensterscheiben. Auf der Internetseite Indymedia rechtfertigten die mutmaßlichen Täter unter der Signatur „No Border – No Nation“ diesen Angriff mit ihrer Ablehnung von Änderungen des Asylrechts sowie der „rassistischen Politik der Inklusion und Exklusion“, welche die Ausländerbehörden verwalteten. „Wir wollen, dass sowohl Deutschland als auch die EU zu Grunde gehen“, heißt es dort zum Abschluss, und: „Wer migrieren will, soll eine reguläre Fähre nehmen können.“

 

Dies ist ein Aufruf zur Revolte

 

Sachsens Verfassungsschutz beobachtet seit einigen Jahren eine Konzentration und Radikalisierung der Szene in Leipzig. Der gewaltbereite Kern bestehe aus etwa 180 Personen, die einigen wenigen Ideologen folgten, sagt der Sprecher des Landesamtes, Martin Döring. Leipzig spiele bundesweit mittlerweile in der ersten Liga linksextremer Krawalle. Zwar habe die Szene in der Messestadt nicht so viele Akteure wie Hamburg oder Berlin, sie bestehe im Gegensatz dazu jedoch aus einer „ideologisch geschlossenen, homogenen Gruppe“, die „konsequent, konspirativ und aktionsorientiert“ vorgehe. Von bisher 95 linksextremistischen Gewalttaten in diesem Jahr in Sachsen ereigneten sich 81 in Leipzig, das sind schon jetzt 50 Prozent mehr als im gesamten Vorjahr.

 

Es ist eine Steigerung mit Ansage, Fortsetzung sehr wahrscheinlich, wenn man einem Ende vergangenen Jahres im Internet veröffentlichten „Aufruf zur Gewalt“ der Leipziger Szene glauben darf. Darin werden unter Rubriken wie „Staat“, „Bullen und Repression“, „Parteien“, „Banken und Versicherungen“ sowie „Sonstige Scheißfirmen“ 50 Angriffsziele mit Adressen aufgelistet. „Wenn die bürgerliche Fassade Europas und Deutschlands bröckelt, wollen wir nicht der billige Kitt sein, der versucht, die Risse zu überkleben“, heißt es zur Begründung. „Wir wollen nachtreten.“ Jeder „Akt der Zerstörung“ sei ein „kleiner Funken der Hoffnung in einer dunklen Nacht“.

 

Am Donnerstag kündigte Innenminister Ulbig im Landtag an, hart gegen die Gewalttäter vorzugehen. „Wir werden alle unsere Möglichkeiten ausschöpfen“, sagte Ulbig in einer emotionalen Debatte, in der zwar alle Fraktionen die Exzesse verurteilten, aber auch ideologische Gefechte führten. AfD und CDU warfen Linkspartei und Grünen vor, die Gewalt zu relativieren. „Verstehen wollen heißt nicht rechtfertigen“, sagte ein Vertreter der Linkspartei. Der Grünen-Abgeordnete Valentin Lippmann stellte klar, dass die Täter keine politischen Aktivisten, sondern Kriminelle seien, die vom Rechtsstaat verfolgt werden müssten. Er gab aber zu bedenken, dass 100 Chaoten den Staat nicht ins Wanken bringen könnten. In Leipzig herrschten weder Chaos noch Anarchie. Mehr Polizisten jedoch, wie sie unter anderen Polizeipräsident Merbitz gefordert hatte, werde es vorerst nicht geben, sagte Ulbig. Schon heute sei in Leipzig ein Drittel aller Polizisten Sachsens stationiert.