WMA-Anzeige gegen Folter

Folter des hl. Georg

Die Welt Ärzte-Vereinigung (WMA) hat auf internationaler Ebene Alarm geschlagen: sie hat sich die Klage einer Gruppe argentinischer Mediziner zu eigen gemacht, die eine Untersuchung fordern bezüglich der Zustände in spanischen Gefängnissen. Dabei geht es um Foltervorwürfe und um das Schweigen der Gerichtsmediziner der Audiencia Nacional, dem für “Terrorismus“ zuständigen spanischen Sondergericht. Diesen Gerichtsmediziner/innen wird vorgeworfen, dass sie über Jahrzehnte hinweg bei Foltervorwürfen wegggeschaut, entsprechende Folter-Anzeigen von -Betroffenen nicht ernst genommen, nicht dokumentiert und nicht weitergeleitet hätten. Die große Mehrheit der Gefolterten sind baskischer Herkunft, Militante von ETA, aber auch viele jugendliche Aktivist/innen.

 

Aufgrund dieser Anzeige waren die Medizinerinnen Susana Etchegoyen und Mirta Fabre in Bilbao, um deutlich zu machen, dass der Weltärztebund (Asociación Médica Mundial – AMM / World Medical Association – WMA) sich die am 18.Mai eingereichte Anzeige zu eigen macht, die von Experten aus den Bereichen Gesundheit und Menschenrechte in Argentinien ausgeht. Diese Experten werfen den Gerichtsmediziner/innen der Madrider Staatsanwaltschaft “schweres ethisches Fehlverhalten“ vor im Zusammenhang mit Folter von Untersuchungs-Häftlingen. Dass die WMA die Klage annimmt, daran haben die beiden Frauen keinen Zweifel. Mehrfach schon hat die WMA bereits festgestellt, dass Gerichtsmediziner häufig eine Mitverantwortung tragen in Fällen von Folter, Misshandlungen oder unwürdiger Behandlung. Die von der Staatsanwaltschaft beauftragten und bei Gericht tätigen Mediziner seien angehalten, alle Beobachtungen zu dokumentieren, die auf solche Vorwürfe hindeuten könnten. Sollte die WMA sich die Klage der Mediziergruppe zu eigen machen, könnte dies für die spanischen Kolleg/innen weitreichende Folgen haben. Soweit, dass sie ihre Zulassungen als Ärzte verlieren könnten.


Vor der Ärztekammer Bilbao stellten die beiden Medizinerinnen fest, die Untersuchung sei zustande gekommen aufgrund fortwährender Anzeigen von Verhafteten und Verurteilten. Trotz sieben Verurteilungen von Seiten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Anti-Folter-Kommitees der UNO habe der spanische Staat an dieser fragwürdigen Praxis nichts geändert. Etchegoyen, bekannte Medizinerin und Universitäts-Professorin geht davon aus, dass die Praxis der Gerichtsmediziner/innen der Audiencia Nacional darin besteht, dass Folter oder mögliche Hinweise darauf grundsätzlich nicht anzeigt werden. Damit machten sie sich zu Helfern dieser Praxis, die Etchegoyen als illegal und strafbar bezeichnete. Sie sagte, es gäbe Hinweise darauf, dass die Gerichtsmedinzier in einigen Fällen genau gewusst hätten, was vor sich ging, die Vorfälle jedoch behandelt hätten als seien sie normal. Im Einzelnen ging es um Anzeigen der U-Häftlinge Ainara Bakedano, Anabel Prieto, Beatriz Etxebarria, Sandra Barrenetxea, Gorka Lupiañez und Unai Romero, die die beteiligten Mediziner schwer belasten. “Und wenn es nur ein einziger Fall gewesen wäre“, sagte Etchegoyen, “wäre das nicht hinnehmbar“. Sie hob hervor, bei der Folter wegzusehen sei für einen Mediziner ein “schwerstes moralisches Vergehen“, für das es keinerlei Rechtfertigung gäbe.


Die Argentinierin Susana Etchegoyen ist klinische Ärztin und Pharmakologin, derzeit lehrt sie an den Universitäten La Matanza und Buenos Aires. Zusammen mit acht anderen Expert/innen hat sie die Klage unterschrieben, die an den Weltärztebund weitergeleitet wurde und die sich gegen die Gerichtsmediziner/innen der Audiencia Nacional richtet. Ein Interview:


Sie haben eine Klage eingereicht gegen die Gerichtsmediziner der spanischen Audiencia Nacional mit dem Vorwurf, sie hätten bei Folter weggesehen?
Es ist dokumentiert, dass die Gerichtsmediziner von ihnen beobachtete Verletzungen zwar beschrieben haben, aber nie angezeigt. Das ist gemäß dem von uns Medizinerinnen geleisteten Eid unmöglich. Wir haben die moralische Pflicht, jeden Schaden anzuzeigen, den eine Person erleidet, egal, in welcher Situation sie sich befindet, auch wenn es sich um Gefangene handelt. Die WMA hat ganz spezielle Regeln aufgestellt für die Behandlung von Gefangenen, dabei kommt klar zum Ausdruck, dass den Gerichtsmediziner/innen eine privilegierte Bedeutung als Zeug/innen zukommt, denn sie bekommen die Gefangenen zuerst zu Gesicht. Wenn ein Mediziner im Zweifelsfall keine Anzeige macht oder nicht nachforscht, macht er sich zum Komplizen. Das ist, als ob er selbst gefoltert hätte. Wenn wir unseren Eid brechen sind wir keine Ärzte mehr. Niemand kann uns mehr vertrauen.


Sie haben sich mit den Opfern in Verbindung gesetzt? Und mit den Medizinern, die angeklagt werden?
Wir haben die Opfer angehört, mit den Medizinern von der Audiencia Nacional haben wir nichts zu besprechen. Sie wissen, was sie zu tun haben und das haben sie unterlassen. Wir fangen keine Diskussion an, die keinen Sinn macht. Es gibt eine übergeordnete Instanz, das ist die WMA, bei der alle Ärzte-Verbände Mitglieder sind. Spanien hat das unterschrieben, deshalb muss der Verband jetzt dafür sorgen, dass die erforderlichen Untersuchungen eingeleitet werden.


In Anbetracht solcher Anzeigen macht die spanische Regierung üblicherweise Gegendruck. Wird das auch jetzt geschehen?

Es ist schwierig, das zu negieren, was die Gerichtsmediziner selbst geschrieben haben. Wir haben sechs Fälle vorgelegt, die sie selbst eigenhändig unterschrieben haben. Zum Beispiel den Fall Unai Romano, auch wenn es nicht der einzige ist. Er starb fast an der Folter und die Gerichtsmedizinerin beschreibt seinen Zustand einfach. Das waren keine Verletzungen, die er sich selbst zufügen konnte. Hier geht es nicht um Ansichten. Die Gerichtsmediziner selbst haben die Verletzungen beschrieben. Sie haben die Verletzungen gesehen und nicht gefordert, dass das untersucht wird. Dabei wäre das ihre Pflicht gewesen.


Madrid argumentiert, dass sich Gefangenen manchmal Verletzungen selbst beibringen und dass es ein Handbuch dafür gibt.

Bei den Verletzungen, die wir beschreiben, gibt es keine Zweifel. In der ganzen Welt ist bekannt, wenn ein Fall möglicher Folter vorliegt, muss eine Untersuchung durchgeführt werden. Das war nicht der Fall. Unai Romero hat sich das nicht selbst angetan. Das kann aus medizinischer Sicht niemand denken. Die Gerichtsmediziner, die das sagen, lügen, das ist nicht hinnehmbar. Außer im Fall von Unai Romano, der besonders schwerwiegend war, denn er befand sich in Todesgefahr, wurden in den übrigen Fällen die Verletzungen nur aufgezeichnet und unterbewertet. Das ist allerwenigstens Mittäterschaft.


Welche Strafen werden Sie fordern?
Das muss die Vereinigung entscheiden. Wir, die wir die Klage unterschrieben haben, gehen davon aus, dass ein Mediziner, der an der Folter teilgenommen hat, oder sie gedeckt hat, oder zum Mittäter geworden ist, nicht weiterhin Arzt sein kann. In unserem Land haben wir beantragt, dass solche Leute nicht mehr praktizieren dürfen. Einige Ärzteverbände haben solchen Leuten den Ärzte-Status entzogen. Mir steht keine Entscheidung zu, das ist Sache des Verbandes.


In Argentinien gibt es Erfahrung auf diesem Gebiet.
Es gibt noch offene Verfahren, aber es ist viel Zeit vergangen. Es stehen Verfahren an gegen Ärzte, die an Folter und an Kindesentführung beteiligt waren, das ist ein harter Kampf. Denn die Ärzteverbände verteidigen ihre Mitglieder, die so was gemacht haben. Dennoch hat die WMA einen hart formulierten Bericht an die irakische Regierung geschrieben, in dem der Einsatz von Ärzten bei der Misshandlung von Gefangenen scharf kritisiert wird. Deshalb hoffen wir, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen wird und dass der spanische Staat auf die Vorwürfe reagieren muss.


(Quelle: GARA 2015-06-03: Alerta internacional por el amparo de forenses de la AN a la tortura) (Artikel und Übersetzung Baskinfo)