Pegida-Demos: Viele Dresdner wähnen das Abendland in Gefahr - andere die Toleranz

Erstveröffentlicht: 
02.12.2014

Dresden. Keine Moschee weit und breit. Doch in Dresden scheint die Gefahr der Islamisierung für viele Bürger greifbar. Zumindest treibt eine imaginäre Angst seit Wochen Tausende auf die Straße. Was im Oktober mit 200 Sympathisanten noch übersichtlich begann, ist inzwischen stark angeschwollen. Am Montagabend kamen laut Polizei rund 7500 Menschen zum „Abendspaziergang“ des Bündnisses „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ - kurz Pegida.

 

Doch auch der Widerstand gegen die selbst ernannten Patrioten wächst. Mehr als 1200 bis 1500 Gegendemonstranten blockierten die Marschroute der Pegida-Leute und zwangen sie zur Umkehr. Damit ist das Problem freilich nicht gelöst. Seit Tagen bemühen Politiker in Sachsen die Weisheit, wonach man die Sorgen der Menschen ernst nehmen müsse.

Genau das ist der Punkt, an dem Pegida-Chef Lutz Bachmann ansetzt. Der 41-Jährige glaubt nicht mehr daran, dass Politiker den Menschen zuhören. Seither versucht er den zur Wende geprägten Ruf „Wir sind das Volk“ gegen die jetzigen Regierenden zu richten. Diskussionsangebote wie die Bürgerversammlung der Stadt laufen bei den Pegida-Unterstützern ins Leere. Auch offizielle Zahlen finden kaum Gehör.

Vieles klingt bei Pegida nach Verschwörungstheorie. Das Vertrauen in Medien geht gegen Null. „Die verdrehen einem doch nur das Wort im Munde“, sagt eine Frau am Montagabend, als sie von einem Kamerateam nach dem Grund ihrer Teilnahme gefragt wird.

 

Hans Müller-Steinhagen, Rektor der Technischen Universität Dresden, sorgt sich nicht um die Islamisierung des Abendlandes, sondern vielmehr um den Ruf der Stadt Dresden. Die Pegida-Demonstrationen behinderten Aktivitäten für ein weltoffenes und tolerantes Dresden. In der Welt entstehe so ein Bild Dresdens, „das in erster Linie abschreckt, unsere Stadt als ausländerfeindlich darstellt und an die vergangen geglaubten Aufmärsche der Neonazis im Umfeld des 13. Februars erinnert“.

 

Die Forderungen von Pegida sind ein buntes Sammelsurium. Auch Pressefreiheit und Meinungsfreiheit werden eingefordert, als dürften die Demonstranten nicht seit Wochen durch die Stadt ziehen. Bachmann beteuert immer wieder, dass man nicht gegen Flüchtlinge oder gegen Ausländer im Allgemeinen sei. Auch am Asyl sei nichts auszusetzen - sofern es Menschen aus Kriegsregionen betrifft. Doch hier beginnen schon die Unterschiede. Denn „Wirtschaftsflüchtlinge“ will man nicht. Manche Sprüche der Pegida-Leute sagen viel über ihren Geist aus. „Bitte weiterflüchten“ heißt es zynisch auf einem Plakat. Auch die rechtsextreme NPD läuft bei den Aufmärschen mit, ohne dass die Menge dagegen rebelliert.

 

Wohin sich Pegida entwickelt, ist noch unklar. Bachmann verweist auf Nachahmer in Städten wie Kassel, Düsseldorf, Leipzig, München, Rostock, Magdeburg, Ostfriesland, Würzburg und Bonn. In den meisten Fällen hat sich das bisher auf einzelne Solidaritätsbekundungen oder Mahnwachen beschränkt. Zur ersten Kasseler Demo kamen am Montag lediglich 70 Teilnehmer bei rund 500 Gegendemonstranten.

Die am Dienstag öffentlich gemachte kriminelle Vergangenheit Bachmanns, der mehrfach vorbestraft ist und sich einst durch Flucht nach Südafrika vor dem Gefängnis drücken wollte, dürfte Bürger als Mitläufer künftig eher abschrecken. Schon auf der Abschlusskundgebung am Montag hatte er eingeräumt, in der Vergangenheit Mist gebaut zu haben. Besonders Paradox: Bachmann, der sich Woche für Woche für eine Abschiebung krimineller Ausländer ausspricht, lebte damals selbst mit falscher Identität in Südafrika, wie er inzwischen zugeben musste. Erst, als ihm die dortigen Behörden auf die Schliche zu kommen schienen, kam er nach Deutschland zurück.