Delitzsch. Das Delitzscher Aufbegehren gegen Intoleranz wächst zur Tradition heran. Bereits zum dritten Mal versammelten sich am Sonnabend Bürger und Gäste der Stadt zur Kundgebung unter der Überschrift "No dancing with nazis", gefolgt von Workshops und Gesprächen und einem sechsstündigen Konzertmarathon in der Nacht zu gestern.
Der Veranstalter, der Delitzscher Verein Kultur und Zukunft (KuZ), zählte rund 140 Teilnehmer. "Ich finde es klasse, dass geschätzte zwei Drittel der Menschen, die hier Gesicht zeigen, aus Delitzsch sind", sagte Toni Müller vom KuZ. Die übrigen kamen vorwiegend aus Leipzig, reisten per Bahn an. Darunter auch die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) sowie Vertreter des Projektes Chronik-LE, das rassistisch motivierte Straftaten dokumentiert.
Gegen 15.30 Uhr setzte sich der Demonstrationszug am Unteren Bahnhof in Verbindung. Die sogenannte Streetparade führte durch die Eilenburger, Linden- und Securiusstraße in Richtung Delitzsch-Nord. "Zeigt Gesicht für ein tolerantes Delitzsch", lautete die zentrale Forderung, ausgerufen über den Lautsprecherwagen, den der Leipziger Sportverein Roter Stern angerollt hatte.
Gesicht gezeigt wurde tatsächlich, aber eher an den Fenstern am Straßenrand. "Ich würde mir wünschen, dass die Zuschauer von heute sich beim nächsten Mal auf der Straße anschließen", sagte Toni Müller. Rechtsradikalen Aktionen in Delitzsch etwas entgegenzusetzen, darum gehe es, erklärte KuZ-Sprecherin Karoline Kissing. Damit stehen die Vereinsleute nicht alleine. Mitstreiter des Schalom-Begegnungszentrums reihten sich erstmals ein. Auch die Stadtverwaltung und der Stadtrat beteiligten sich. Weniger augenfällig, aber doch wirkungsvoll. Der KuZ erhielt 2000 Euro Förderung auf Beschluss des Kulturausschusses.
Das Geld aus dem kommunalen Vereinsfördertopf wurde für das bunte
Programm eingesetzt, das auf die Demo folgte: Workshops und Konzerte im
Jugendhaus Yoz. Mit dabei zum Beispiel Solveig Prass von der Eltern- und
Betroffenen-Initiative gegen psychische Abhängigkeit. Kein Platz im
Workshop-Raum blieb leer, als sie über die gemeinsamen historischen
Wurzeln von Rechtsideologien und brauner Esoterik sprach. Die
Opferberatung des Vereins RAA Sachsen informierte über Möglichkeiten,
sich gegen rechte Gewalt zur Wehr zu setzen. Im Workshop des Vereins
Eduventis wurde der Toleranz-Gedanke im Rap verarbeitet, das
Schalom-Zentrum lud zur Diskussion über gewaltfreien Widerstand.
"Ich freue mich, dass dieses No dancing with nazis so gut gelaufen
ist", resümierte Toni Müller. Und dankte allen geld- und tatkräftigen
Unterstützern, darunter auch die Amadeu-Antonio-Stiftung, die 1000 Euro
beisteuerte. Immerhin: Viele Kosten waren zu decken, nicht zuletzt für
die Musik. Eine ganze Riege von Bands - darunter namhafte Formationen
wie Berliner Weisse und Skarface aus Frankreich - holte der KuZ ins
Yoz..
Die Polizei meldete bis gestern keine besonderen
Vorkommnisse. Etwa 80 Beamte, darunter auch Bereitschaftspolizei aus
Dresden, sicherten insbesondere die Demo ab. Die Bundespolizei sondierte
zuvor per Hubschrauber die Bahnstrecke Leipzig-Delitzsch. Die
Ereignisse von 2013, als am Tag der Streetparade Reifen auf den Gleisen
brannten, sollten sich nicht wiederholen. Zu tun gibt es allerdings noch
im Yoz: Neue Sofas werden gebraucht. Bei der Buttersäure-Attacke in der
Nacht zum Freitag (wir berichteten) wurden mehrere Polstermöbel in
Mitleidenschaft gezogen.