Menschenflut gegen Verhaftungen

Luftaufnahme der Demospitze

Gegen die erneuten Verhaftungen von linken baskischen Aktivisten haben in Donostia - San Sebastian etwa 50.000 Menschen demonstriert. Aufgerufen zur Demonstration hatten ALLE baskischen Parteien und Gewerkschaften, die damit der Repression und der Vorbereitung des Verbots der Gewerkschaft LAB entschlossen und gemeinsam entgegen traten. Madrid wirf der Bevölkerungsmehrheit vor, die "Strategie der ETA" zu verteidigen.

Es war ein eindrucksvolles Bild. Die vierspurige Straße am Strand von Donostia-San Sebastian, Bürgersteige und Radwege einbezogen, war auf der gesamten Länge angefüllt mit Menschen. Da die Straße um die Bucht die Form eines Bumerangs annimmt, bietet sich ein Vergleich an. Die Verhaftungen der Herren der Nacht, die diesmal auch den ehemaligen Generalsekretär der linksnationalistischen Gewerkschaft in spanische Kerker gebracht haben, werden zum Bumerang für die spanischen Nationalisten. Erstmals seit Jahren haben wieder, über alle Grenzen hinweg, alle baskischen Parteien und Gewerkschaften gemeinsam dazu aufgerufen, gegen diesen erneuten Angriff auf elementare demokratische Rechte auf die Straße zu gehen.

 

Der umstrittene Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, der für die jeweiligen Regierungen die Repression gegen unliebsame Parteien, Organisationen und Kommunikationsmedien vorantreibt, hat inzwischen den Ex-Generalsekretär der Gewerkschaft Rafa Díez Usabiaga (LAB) in Untersuchungshaft gesteckt. Die Person, die er einst einsetzte, um der ETA ein Verhandlungsangebot der spanischen Regierung zu unterbreiten zu lassen. In den Knast musste erneut auch der Ex-Batasuna Sprecher Arnaldo Otegi und der Batasuna-Verhandler Rufi Etxeberria. Sein Fall ist auch deshalb besonders delikat, weil er gerade erst freigelassen werden musste, weil man es in der Höchstzeit der Untersuchungshaft nicht geschafft hat, ihm den Prozess zu machen. Doch das hindert natürlich einen Richter wie Garzón nicht darin, ihm erneut die Mitgliedschaft in der Untergrundorganisation ETA vorzuwerfen, die er bisher in keinem Fall beweisen könnte.

 

Realsatire darf man es nennen, wenn man sich den Beschluss des Richters zur Inhaftierung fünf der zehn Verhafteten anschaut. Es wird daraus eigentlich klar, was das Ziel des neuen Angriffs auf die baskische Linke war. Es ging darum einen neuen Friedensprozess und genau eine Vereinigung aller, die für ein souveränes Baskenland eintreten, zu verhindern. Im Beschluss heißt es, Arnaldo Otegi habe "verdeckte Waffenruhen" der ETA erreichen wollen, wobei er gleichzeitig Mitglied sein soll. Es grenzt schon an Wahn, jemanden als Terroristen zu bezeichnen, der eine Untergrundorganisation zu einer Waffenruhe bewegen will. In zwei Fällen, in zwei Friedensprozessen, war es Otegi sogar gelungen, die ETA hinter einen Vorschlag zu einer friedlichen Beilegung des Konflikt zu bringen. Dass er sich jetzt, außerhalb der neuen Anklage, für den letzten Friedensvorschlag auch noch auf die Anklagebank setzen soll, ist ebenfalls ein recht spanisches Rechtsverständnis.

 

Müsste sich nicht auch der spanische Regierungschef Zapatero daneben setzen, der schließlich sogar noch mit der ETA verhandeln ließ, nachdem die schon am Madrider Flughafen gebombt hat. Wenn es für die Angeschuldigten nicht so ernst wäre (schließlich sitzt der Rest der Parteiführung ohnehin längst schon im Knast), könnte man sich über derlei Vorgehen totlachen. Doch Garzón, der auch Kommunikationsmedien illegal verbietet, was in jedem demokratischen Staat zu seiner sofortigen Suspendierung führen müsste, deckt ja auch die Folter im eigenen Land, während er sich international zum Rächer der Menschenrechte aufspielt. Alle diese von ihm aufgedeckten angeblichen "Terrororganisationen", die er in Spanien in elf Jahren verboten hat, sind, so merkwürdig das klingt, im französischen Teil des Baskenlands alle legal tätig, auch wenn sie von Spanien sogar auf die EU-Liste terroristischen Organisationen gesetzt wurden.

 

Von ähnlicher Qualität sind auch die Argumente des baskischen Regierungschefs Patxi Lopez, der ohnehin nur auf dem Stuhl sitzt, weil mit den Verboten ein verdeckter Wahlbetrug durchgezogen wurde. Im Fall der spanischen Liste, wurde sogar ganz offen Wahlbetrug eingesetzt, um sie aus dem Europaparlament fern zu halten. Auch deren Verbot bereitet er schon mal vor, um sie mundtot zu machen, denn auch sie wird von ihm erwähnt. Damit kommt er ebenfalls dem Ansinnen der Regierung nach, deren Verbotsantrag am Verfassungsgericht scheiterte. Er wirft allen Parteien und Gewerkschaften vor, die zur Demonstration aufgerufen haben, sie unterstützten die "Strategie der ETA". Dann fügte er an, die "Formationen, die heute mit den radikalen Patrioten demonstrieren, das demokratische System in Frage stellen". Komisch, wer die Demokratie verteidigt, müsste eigentlich die Versammlungs-, Vereinigungs- Meinungs- und Pressefreiheit verteidigen, anstatt alles zu verbieten, was den Status Quo in Spanien in Frage stellen könnte.

 

Doch dessen Chef hatte zuvor aus dem spanischen Innenministerium die Marschrichtung vorgegeben. Innenminister Alfredo Rubalcaba wärmte die die alte Story auf, wonach im Baskenland anscheinend alle von der ETA gesteuert werden: "Was auf der Straße verteidigt wird, ist eine politisch-militärische Strategie, die von der ETA entworfen wurde". Es ist erstaunlich welche Stärke eine Organisation zu haben scheint, deren baldiges Ende er bei jeder Verhaftung eines Kommandos beschwört. Klasse ist auch, dass die selbsternannten Superdemokraten wie Rubalcaba, die sich nie von den von ihnen auf den Weg geschickten staatlichen Todesschwadronen distanziert haben, nun erklären. Otegi, bzw. Batasuna müssten die "ETA davon überzeugen das Morden einzustellen", wenn sie Politik machen wollen. Das ist nicht anderes, als die legale Bewegung in Geiselhaft zu nehmen, weil man auch nach 50 Jahren offenbar keinen Weg findet, mit der ETA fertig zu werden.

 

Ohnehin zeigen die "Sozialisten" mit den absurden Vorwürfen gegen die große Mehrheit der Bevölkerung im Baskenland nur, wie nervös sie sind. Sie haben eine solch geeinte Antwort auf ihre Strategie nicht erwartet, die vielleicht verhindert, dass die Gewerkschaft LAB alsbald verboten wird. Peinlich ist, dass sich die beiden großen spanischen Gewerkschaften nicht an der Demo beteiligt haben. Man muss schon ein verblendeter Anhänger der postfaschistischen Volkspartei (PP) oder von der Spanischen "Sozialistischen Partei der Arbeiter" (PSOE) sein, die von Arbeitern und vom Sozialismus nichts mehr hat, aber viel spanischen Nationalismus, um das von Garzón und Rubalcaba vorgetragene Zeug zu glauben. Sie glauben es ja selber nicht.

 

Dass die PSOE im Baskenland mit den ranzigen Postfaschisten regieren kann, die sich nie vom Putsch gegen die Republik und die 40jährige Diktatur distanziert haben, sagt viel. Dabei kratzen diese Rechtsradikalen den Sozis in Spanien die Augen aus. Gestern mobilisierten sie in Madrid ein paar Hunderttausend Menschen gegen deren Abtreibungsgesetz, mit dem die Abtreibung vollständig endlich entkriminalisiert werden soll. Naja, die Sozis schaffen es ja auch mit der UPN in Navarra, ähnlich wie die CSU im Verhältnis zu CDU (nur noch deutlich rechter) zu regieren, die sogar die Abtreibung gegen die bisherigen Gesetze in Navarra verhindern.

 

Ralf Streck, den 18.10.2009

 

 P.S. Zu der Demo in Madrid auf der angeblich 2 Millionen Menschen waren (faktisch wohl knapp 60.000) findet ihr hier einen Artikel: http://www.heise.de/tp/blogs/8/146371

Es ging den Postfaschisten nur angeblich um das Abtreibungsgesetz, tatsächlich blasen sie zum Sturm auf die Regierung

 

Hier wäre auch noch was zur wirtschaftlichen Entwicklung, Spanien als Hochrisikoland, sagt die EU-Kommission. http://www.heise.de/tp/blogs/8/146366