Worch-Partei im Spagat

Erstveröffentlicht: 
13.10.2014
13.10.2014 - Ex-Anführer zweier verbotener Neonazi-Vereinigungen halten auch in den nächsten beiden Jahren beim nordrhein-westfälischen „Die Rechte“-Landesverband die Fäden in der Hand. Ihr Bundesvorsitzender Christian Worch will von einer „Wesensnähe“ zum Nationalsozialismus nichts wissen.

 

Wie „Die Rechte“ mitteilte, wurde der Landesvorstand am Samstag bei einem Parteitag in Dortmund im Amt bestätigt. Vorsitzender bleibt Dennis Giemsch (29), „Kopf“ des 2012 verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ (NWDO) und inzwischen Ratsmitglied in der Ruhrgebietsstadt. Als Stellvertreter fungiert Michael Brück, Betreiber des „Antisem“-Versandhandels und früher mit Giemsch in der Führungsriege des NWDO aktiv. Als Beisitzer gehört nach wie vor Sascha Krolzig, der inzwischen in Bielefeld lebende Ex-Anführer der ebenfalls vor zwei Jahren verbotenen „Kameradschaft Hamm“, dem Vorstand an. Nicht namentlich genannt wird der zweite Beisitzer. In dieses Amt war den beim Bundeswahlleiter eingereichten Unterlagen zufolge vor zwei Jahren Dietrich Surmann gewählt worden – auch er ehemals beim NWDO aktiv.

Nicht nur personell erweist sich der „Rechte“-Landesverband als Nachfolgeorganisation verbotener oder vom Verbot bedrohter Neonazi-Gruppen. Auch sein innerer Aufbau ähnelt immer noch mehr dem Netzwerk von „Kameradschaften“ als der Struktur einer normalen Partei. Die Kreisverbände genössen „im Rahmen der geltenden Gesetze vollständige Autonomie“, wird Giemsch im Bericht über den Parteitag zitiert. Sie seien „sowohl für ihre inhaltliche, als auch ihre aktionistische Ausrichtung selbst verantwortlich“. Der Landesvorstand sei hingegen „in erster Linie eine Verwaltungseinheit“. Seine Aufgabe sei „beispielsweise die Mitgliederverwaltung und Einziehung von Beiträgen, jedoch nicht die politische Arbeit vor Ort“.

 

Diskussion über den Umgang mit der NPD


Tatsächlich war bisher von einem einheitlichen Auftreten des Landesverbandes oder einer Steuerung durch seinen Vorstand wenig zu spüren. Zwar unterstützten sich die Kreisverbände gegenseitig bei größeren Aufmärschen. Doch es blieben gravierende Unterschiede. In Dortmund oder Hamm setzte man (auch) auf die Beteiligung an Wahlen – andernorts herrschte in Sachen Wahlen Desinteresse. Einige „Die Rechte“-Akteure unterstützten offensiv die NPD in Wahlkämpfen – andere setzten auf schroffe Ablehnung. Einige zeigten provokative Präsenz in der Öffentlichkeit – andere pflegten eher das Kameradschaftsleben in Hinterzimmern und bei braunen Schulungsveranstaltungen oder betätigten sich bevorzugt im Virtuellen. Dass einzelne Parteigliederungen – wie der Bezirksverband im Münsterland oder der Kreisverband in Soest – ihre Arbeit längst wieder eingestellt haben, konnte der Landesverband nicht verhindern.

„Partei“ ist man in NRW nur notgedrungen, weil der Parteienstatus vor Verboten schützen soll. Mehr Partei wünscht sich offenbar „Rechte“-Chef  Christian Worch. Wie die taz berichtete, soll bei einer Bundesvorstandssitzung am Sonntag in Algermissen (Kreis Hildesheim) unter anderem über den Umgang mit der NPD diskutiert werden. Die Spanne ist weit: Worch, der seit Jahren tut, was er kann, um der NPD zu schaden, auf der einen Seite – einer wie sein Stellvertreter Christian Drewer auf der anderen Seite. Er trat am vorletzten Wochenende bei einer Demonstration der Jungen Nationaldemokraten im sächsischen Döbeln als Redner auf und ließ wissen, es sei ihm darum gegangen, „ein Zeichen partei- und organisationsübergreifender Zusammenarbeit“ zu setzen.

 

SS-„Treuelied“ geschmettert


Wieder in den „Rechte“-Vorstand soll bei dem Treffen in Algermissen dem taz-Bericht zufolge die Ex-DVU-Funktionärin Ingeborg Lobocki aufgenommen werden. Sie hatte bis zum Sommer als Schatzmeisterin der Parteispitze angehört, war dann aber unter Hinweis auf „gesundheitliche Probleme“ ausgeschieden. Gut möglich, dass ihre Arbeitskraft nun wieder stärker benötig wird. Und schließlich will Worch sich die Zustimmung für eine Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen besorgen: Die Landesregierung solle die Behauptung einer „Wesensnähe“ seiner Partei zur NSDAP unterlassen.

Am Ende des Dortmunder Parteitags schmetterten die Neonazis das Lied „Wenn alle untreu werden“. Die SS hatte es zu ihrem „Treuelied“ gemacht. Es verkörpere „den Geist, der für viele Aktivisten Ansporn im täglichen, politischen Kampf ist“, heißt es im Veranstaltungsbericht über den Parteitag. Eine „Wesensnähe“ zum Nationalsozialismus: Die singenden „Die Rechte“-Kameraden dürften das weniger als Vorwurf und mehr als Kompliment auffassen.