Bedroht, nicht beschützt

Erstveröffentlicht: 
17.09.2014

Kommentar zum Polizeieinsatz auf dem Ölberg
Von Nicole Bolz

 

Innerhalb von zwei Wochen wurde der Ölberg am Freitagabend erneut zum Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen Autonomen und der Polizei. Wieder versuchte eine Gruppe Autonomer ein seit Jahren leer stehendes Haus an der Marienstraße zu besetzen, um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen. Wieder erschien die Polizei in Übermacht, um dagegen vorzugehen.


Nun geht es im Fall einer Hausbesetzung für die Polizei nicht um Inhalte. Sie ist laut Gesetz dazu verpflichtet, einzugreifen und ihren Job zu machen – auch um Straftaten zu verhindern. Was jedoch viele Anwohner bewegt, ist die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes. Die Polizei selbst spricht von rund 20 Autonomen, die rund um das Haus an der Marienstraße 41 demonstriert beziehungsweise versucht haben, in das Gebäude zu gelangen. Über die Anzahl der Polizisten allerdings gibt es „aus einsatztaktischen Gründen“ keine Angaben. Wer aber allein die Menge an Einsatzfahrzeugen und Polizisten an vergangenen Freitag gesehen hat, der musste davon ausgehen, dass die Polizei mindestens 100 schwer bewaffnete Gegner dort erwartet hat ...


Es heißt, die Polizei handele dabei auch zum Schutz der Bevölkerung. Vielleicht können sich die Beamten das nicht vorstellen, aber ein solches Auftreten verursacht bei den Bewohnern Panik. Wenn ich abends nicht zu meiner Wohnung komme, weil jede Zufahrt zum Ölberg von der Polizei abgeriegelt wird, wenn ich auch zu Fuß die Marienstraße nicht durchqueren darf, wenn an jeder Ecke Polizisten in Schutzmontur und mit Schlagstöcken stehen und immer wieder Gruppen von ihnen einzelne Personen durch die Straßen jagen, dann wähne ich bürgerkriegsähnliche Zustände vor meiner Haustür – und nicht 20 Autonome in und um ein Haus herum verteilt. Mögen sie auch Messer und Schlagdorne mit sich tragen. Nicht ohne Grund sprach der „Verein Unternehmer/innen für die Nordstadt“ in einer Erklärung nach dem ersten Vorfall von „einem Belagerungszustand durch die Polizei“.


Die Autonomen legen den Finger mit ihrer Aktion in die richtigen Wunden. Dass sie sich mit einer Hausbesetzung nicht überall Freunde machen und das Einschreiten der Polizei bewusst herausfordern, liegt auf der Hand. Aber dass sich die Polizei derart provoziert fühlt, dass sie mit einer solchen Mannschaftsstärke und Härte dagegen vorgeht, ist erschreckend und spricht gerade nicht für ein überlegtes und souveränes Handeln. Als Bürgerin fühle ich mich so nicht geschützt, sondern gefährdet.


Es steht zu befürchten, dass es bald wieder zu weiteren Einsätzen auf dem Ölberg kommen wird. Damit wird die wichtige Diskussion um Leerstände, Nahversorgung und gezieltes Herunterwirtschaften von Immobilien nicht etwa gefördert, sondern in den Hintergrund gedrängt. Zum Wohl des Stadtteils und seiner Menschen muss man hoffen, dass Autonome und Polizei ihr Vorgehen auch in den eigenen Reihen kritisch diskutieren.

Wuppertaler Rundschau, 17. September 2014