Pressemitteilung von Josefs Soligruppe aus Jena zum Urteilsspruch Am Dienstag, dem 22. Juli, wurde Josef nach drei Prozesstagen in allen drei Anklagepunkten - versuchte schwere Körperverletzung, schwere Sachbeschädigung und Landfriedensbruch in Rädelsführerschaft - für schuldig erklärt. Er wurde zu 12 Monaten teilbedingter Haft, d.h. 4 Monaten unbedingter und 8 Monaten bedingter Haft, verurteilt. Da er bereits ein halbes Jahr im Knast saß, wurde er am Dienstag auf freien Fuß gesetzt. Das schriftliche Urteil mitsamt den Auflagen der bedingten Haft steht aber noch aus. Wir sind erleichtert, dass Josef endlich enthaftet wurde, können aber politisch von keinem zufriedenstellenden Ergebnis sprechen, im Gegenteil!
Es hatte sich von Anfang an um einen rein politischen Prozess gehandelt, bei dem Staatsanwaltschaft und Richter gemeinsam an einem Strang zogen. Dabei ging es weniger um Josef und seine individuellen Taten, als um die Verurteilung der NoWKR-Demonstration. Die Staatsanwaltschaft sprach in der Anklageschrift von „kriegsähnlichen Zuständen“ und „Demo-Söldnern“ und steigerte sich bis zum Abschlussplädoyer noch zum „Terrorismus“, gegen den der Staat sich wehren müsse. Damit sollte die antifaschistische NoWKR-Demonstration delegitimiert werden. Richter Spreitzer nahm den Faden gerne auf und schob in der Urteilsverkündung Josef und den Antifaschist*innen sogar noch die Schuld für die antisemitische Rhetorik der Burschenschafter und der FPÖ zu. Der Bundesvorsitzende der Freiheitlichen Hanz-Christian Strache (ehemals Burschenschaft Vandalia) hatte nach den Protesten 2012 sich und die Ballbesucher*innen als die „neuen Juden“ bezeichnet und die Situation mit der Reichskristallnacht verglichen. Das, so Spreitzer, „wäre ohne Ausschreitungen nicht passiert.“
Mit der in Österreich ersten - zumindest uns bekannten - Anwendung des Landfriedensbruch-Paragraphen auf eine politische Demonstration, hat das Gericht einen Präzedenzfall geschaffen. Zukünftig können mit Verweis auf dieses Urteil pauschal alle hinter Gitter gebracht werden, die an einer Demo teilnehmen, die mehr als ein gemütlicher Spaziergang ist. Die Signalwirkung ist klar: Es geht um Einschüchterung.
Wir begrüßen daher, dass Josef am Donnerstag, dem 24. Juli, in Berufung gegangen ist und unterstützen ihn dabei. Wir tun das jedoch nicht, weil wir glauben, der sogenannte „Rechtsstaat“ sei eine im Prinzip und meistens gut funktionierende Sache, sondern weil wir hoffen, dass der Staat Österreich im Fall eines Freispruchs die Gerichtskosten aufgehalst bekommt und nicht Josef. Zudem darf es nicht passieren, dass der Landfriedensbruch-Paragraph als Repressionsmittel gegen unliebsame politische Demonstrationen salonfähig gemacht wird.
Wir haben uns sehr über die kritische und breite Medienberichterstattung gefreut, halten sie aber nicht für unproblematisch. Die Skandalisierung des Prozesses stützte sich zu einem großen Grad auf Annahmen über Josefs Charakter, der die ihm zur Last gelegten Taten gar nicht begangen haben könnte, weil sie nicht seinem "Naturell" entsprechen. Anstatt auf eine Prozessführung zu pochen, in der der Angeklagte als unschuldig gilt solange der Staat nicht entsprechend belastbare Beweise vorweisen kann (die es in diesem Fall nicht gab!), wurde die Unschuldsvermutung häufig implizit auf der Grundlage eingefordert, weil Josef unschuldig wirkt. Jemand, der kein*e Student*in und Katholik*in mit einem entsprechend freundlichen Aussehen aufweist, darf im Umkehrschluss nach dem Rechtsverständnis der Presse auch ohne Beweise schuldig gesprochen werden.
Dass zudem die meiste Solidarität aus dem bürgerlichen Lager ausgeblieben wäre, hätte Josef auch nur ein Steinwurf nachgewiesen werden können, steht für uns außer Frage. Auch die Empörung (als Ausdruck einer unfreudigen Überraschung) über den Bruch mit den rechtsstaatlichen Prinzipien können wir nicht ganz teilen. Zwar haben auch wir durch unsere Öffentlichkeitsarbeit versucht, darauf hinzuwirken, dass bei Josef die rechtsstaatlichen Prinzipien gewahrt bleiben, eben weil das in dieser Situation der einzig gangbare Weg war, ihn in der Konfrontation mit der Justiz zu unterstützen, und manche von uns hofften bis zum Ende auf einen Freispruch. Doch ist für uns nicht neu, dass der Justizapparat gegen linke Aktivist*innen zuweilen sehr flexibel mit dem geltenden Recht umgeht – und das nicht nur in Österreich, wie viele Artikel nahelegen, sondern auch in Deutschland. Mensch muss schon die Augen verschließen, um zu übersehen, dass die selbe Scheiße auch in Deutschland passiert: Gerade letztes Jahr war Tim in Dresden für die Worte „Kommt nach vorne!“ mithilfe des Landfriedensbruch-Paragraphen zu knapp zwei Jahren Haft verurteilt worden. Gerade dieses Jahr saß der Antifaschist Adel in Berlin 4 Monate in U-Haft, weil sich ein paar Nazis und Zivilbullen in ihrer „Ehre“ verletzt sahen.
Doch wir lassen uns von solchen Manövern, egal ob rechtsstaatlich oder nicht, nicht einschüchtern. Schon jetzt wird dazu mobilisiert, den nächsten Akademikerball zu verhindern. Dem können wir uns nur anschließen. Solidarität kann sich hier ganz praktisch darin zeigen, das Anliegen, wegen dem auch Josef auf der NoWKR-Demo gewesen ist, nächsten Januar wieder entschlossen auf die Straße zu tragen.
Vienna Calling! Jetzt erst Recht!