Ermittlungen in München - Anschlagsserie gegen Justizzentrum

Der Bau des geplanten Strafjustizzentrums dauert voraussichtlich ein Jahr länger - ob sich die Schutzmaßnahmen noch auswirken, ist unklar.
Erstveröffentlicht: 
26.06.2014

Eingeworfene Fenster, angezündete Autos: Die Polizei verzeichnet 220 Straftaten, mit denen radikale Linke den Gerichtsneubau am Münchner Leonrodplatz verhindern wollen. Einzelne Personen und Gebäude müssen speziell geschützt werden.

 

Mit einer Serie von Anschlägen versucht eine anarchistische Gruppe, in München den Neubau des Strafjustizzentrums zu verhindern. Die radikalen Linksaktivisten haben nach Informationen der Süddeutschen Zeitung seit Oktober 2012 insgesamt 220 Straftaten verübt. Das Polizeipräsidium bestätigte, dass Hauswände beschmiert, Fenster eingeworfen und Autos angezündet wurden.

 

Betroffen sind neben Behörden auch mehrere mit der Planung und dem Bau des Gerichtsgebäudes beauftragte Firmen. Das Polizeipräsidium hat für sie inzwischen "individuelle Schutzmaßnahmen" angeordnet.

 

Sachschaden beläuft sich auf 320.000 Euro


Die unbekannten Täter rufen auf Plakaten im gesamten Stadtgebiet zur "Sabotage" der Justiz auf. Unter der Parole "Justizzentrum verhindern" wird auch zu "direkten Angriffen" wie "Entglasungsaktionen" ermuntert. Farbbeutel an Hauswänden und zertrümmerte Fensterscheiben waren seither die Folge. Mit Farbe beschmissen wurde auch das Freigängerhaus für Strafgefangene in Neuhausen. Überdies wurden mehrere Fahrzeuge angezündet, was vermutlich ebenfalls auf das Konto der radikalen Justiz-Gegner geht.

 

Über die genaue Zahl der beschädigten Autos hielt sich die Polizei auf Anfrage bedeckt. An den Tatorten fanden sich vielfach anarchistische Sprüche: "Revolte heißt Leben", "Burn all Prisons" und "Smash the state" wurde an Wände geschmiert. Der Sachschaden durch die Anschlagsserie belaufe sich mittlerweile auf 320 000 Euro, sagt Polizeisprecher Carsten Neubert.

 

Nur einige Täter ermittelt


Die für linksextremistisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutzabteilung am Polizeipräsidium hat bislang nur einige wenige Täter ermittelt und geht davon aus, dass sich die Anschlagsserie fortsetzt. Eine Gruppe von fünf Unbekannten zeigte vor drei Wochen offen ihren Protest und verteilte im Umfeld des Leonrodplatzes in Neuhausen, wo das neue Gerichtszentrum von 2015 an gebaut werden soll, Flugblätter mit dem Foto eines einstürzenden Gebäudes.

 

Zwar glaubt die Polizei, die für die Straftaten verantwortlichen Täter zu kennen. Das Problem sei aber, so ein Ermittler, die Taten den einzelnen Personen zuzuordnen. Ob die Baustelle am Leonrodplatz speziell gesichert oder überwacht werden muss, dazu wollte sich Neubert nicht äußern. Ein Ermittler geht aber bereits davon aus, dass die Baustelle "die am besten bewachte in München" sein wird. Das Justizzentrum soll bis 2019 fertig gestellt werden.

 

Einzelne Personen und Gebäude werden speziell geschützt


Die Bau- und Planungsbüros, die für das 234 Millionen Euro teure Projekt des Freistaats engagiert wurden, sind von der Polizei in Beratungsgesprächen sensibilisiert worden. Einzelne Personen und Gebäude werden speziell geschützt, nachdem auf einer von Linksaktivisten betriebenen Internetseite eine Adressenliste der Firmen aufgetaucht war und diese gezielt angegriffen wurden. Auf der Liste stehen auch die Namen von Justizangehörigen und der Mitglieder der Jury des Architektenwettbewerbs für das Neubauprojekt.

 

Das neue Strafjustizzentrum soll das bisherige Gerichtsgebäude an der Nymphenburger Straße ersetzen, das 1977 gebaut wurde und inzwischen marode ist. Ursprünglich sollte der Neubau bis spätestens 2018 stehen, als München noch mit dem Zuschlag für die Olympischen Winterspiele rechnete.

 

Sieben Justizbehörden unter einem Dach


Nun dauert es voraussichtlich ein Jahr länger, wobei noch nicht abzusehen ist, ob sich mögliche Schutzmaßnahmen auf die Bauzeit auswirken werden. Im neuen Strafjustizzentrum - einem mächtigen Baukörper mit drei Innenhöfen - sollen künftig etwa 1300 Staatsanwälte, Richter und Justizangestellte arbeiten.

 

Sieben Justizbehörden, die derzeit noch über das Stadtgebiet verteilt sind, kommen am Leonrodplatz unter ein gemeinsames Dach. Hier soll auch ein drängendes Problem der Gerichte in München behoben werden. Im laufenden NSU-Verfahren und im Steuerhinterziehungs-Prozess gegen Uli Hoeneß zeigte sich, dass die vorhandenen Gerichtssäle bei größerem Publikums- und Medienandrang viel zu klein dimensioniert sind. Im neuen Justizzentrum soll es deshalb zusammenlegbare Gerichtssäle geben.