[Wendland] Die Nazis von nebenan

Erstveröffentlicht: 
03.05.2014

In Wibbese wohnen drei Rechte gegen die sich Widerstand formiert - Panikmache? bp Wibbese. Ein ruhigerer Ort als Wibbese ist eigentlich kaum vorstellbar. Auf halber Strecke zwischen Jameln und Zernien liegt etwas verschlafen das Dorf. Vielleicht ist es genau diese Stille, die drei Menschen vom rechten Rand schätzen. Mit der Ruhe ist es mittlerweile allerdings längst vorbei. Einige Wibbeser wehren sich gegen den Zuzug. Vor einer Woche haben einige von ihnen zusammen mit dem Bündnis gegen Rechts eine Informationsveranstaltung im Breselenzer Gemeindehaus organisiert. Weitere Aktionen sollen unter dem Motto "Schöner leben ohne Nazis" etwa bei der Kulturellen Landpartie folgen. Alles begann damit, dass vor etwa vier Jahren ein Ehepaar nach Wibbese zog. Nett und offen habe man den Mann gefunden, erinnern sich einige.

 

Niemand rechnete damit, was sich später herausstellte: Der gebürtige Ostfriese hatte sich im dortigen Nationalen Widerstand bewegt, eine lose organisierte Jugendgruppe. In Wibbese hingegen lebt er unauffällig, rechte Veranstaltungen besucht er offenbar nicht mehr. Der Mann betätigt sich als Ökolandwirt im Selbstversorger-Stil, züchtet Nutztiere. Eine ökologische Lebensweise ist in einigen rechten Kreisen beliebt. Die Argumentation: gesunder Körper, gesundes Leben, gesundes deutsches Volk. Alles das blieb lange unentdeckt. Doch irgendwann habe der Mann im Sommer mit freiem Oberkörper im Garten gearbeitet, erinnert sich ein Nachbar, und da sei so manches keltische Zeichen ans Sonnenlicht gekommen, das nachdenklich gestimmt habe. Nachdenklich stimmt einige auch, dass vor etwa einem halben Jahr zwei weitere Rechte nach Wibbese gezogen sind. Das Pärchen sei offenbar wesentlich aktiver im organisierten rechten Spektrum. Beide seien auf rechten Demonstrationen aufgetreten, im vergangenen Jahr etwa beim Naziaufmarsch in Demmin, Anfang April dieses Jahres bei der rechten Demonstration in Wittenberge. Bei solchen Anlässen sei die Frau oft als Frontbannerträgerin aufgetreten, eine Position, die laut Experten eine Art Ehrenaufgabe ist, die nur besonders Stramme unter den Strammrechten wahrnehmen. "Sie hat enge Kontakte zu hohen Funktionären in der Neonaziszene und das Potenzial, junge Menschen für die extreme Rechte zu gewinnen", sagt Olaf Meyer von der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen. Einige Wibbeser und das Lüchow-Dannenberger Bündes gegen Rechts, zu dem unter anderem die Bürgerinitiative Umweltschutz und der Kulturverein Platenlaase gehören, befürchten, dass weitere Neonazis nach Wibbese ziehen könnten, wo schließlich einige Häuser leerstehen. In Mecklenburg-Vorpommern ist das in den zurückliegenden Jahren passiert, Dörfer wie Jamel gerieten in Nazi-Hand. Dass es auch in Wibbese so weit kommt, wollen dessen Einwohner verhindern. Zumindest einige. Denn die Zugezogenen spalten das Dorf. Einige wollen aus Angst nichts mit dem Thema zu tun haben, andere haben guten Kontakt mit den neuen Nachbarn. Einige befürchten Nazitreffen. Schon heute gebe es Treffen am Lagerfeuer samt Rechtsrock, sagen Anwohner. Ortsvorsteher Günter Grunzke berichtet, dass es Nachbarn gebe, die Angst hätten. Das gehe aus seiner Sicht nicht, weshalb er das Gespräch gesucht und die Erwartung geäußert habe, dass die Situation nicht eskaliere. "Mit denen kann man reden", so Grunzkes Eindruck. Es gelte, junge Menschen vor dem Einfluss von Rechts zu schützen. "Bei uns bekommen die keine rekrutiert", ist Grunzke überzeugt, da seien nun auch umliegende Vereine und Feuerwehren gefragt. Die "Rechtsszene, die wir hier haben" passe ihm gar nicht, aber er halte ebensowenig von Stimmungsmache. Ähnlich schätzt das Phänomen auch die Polizei ein. Zwar seien "Personen mit Rechtsgesinnung", die "der Szene zuzuordnen" seien, nach Wibbese gezogen. Allerdings gebe es bisher aus "polizeilicher Sicht keine politischen Aktivitäten" in dem Ort, sagt Polizeisprecher Kai Richter. Es liege aktuell "nichts Unrechtes vor", und dass möglicherweise Freunde aus der Szene zu Besuch kämen, habe "eher privaten Charakter". Bisherige Auseinandersetzungen, bei denen die Polizei habe eingreifen müssen, hätten eher den Charakter von Nachbarschaftsstreitigkeiten gehabt. Die Polizei mahnt zur Sachlichkeit und regt ein Gespräch aller Beteiligten miteinander an. Ungeachtet dieser Einschätzung habe die Polizei aber ein Auge auf die Situation. Die EJZ hat versucht, auch mit der Gegenseite ins Gespräch zu kommen. Die Bereitschaft dazu war allerdings gering. Nur soviel wollten die Rechtsgesinnten sagen: Auch sie würden sich bedroht fühlen und seien auf tätliche An- und Übergriffe vorbereitet.