"Bitte unterlassen Sie das Anlegen von Vermummung"

Erstveröffentlicht: 
25.03.2014

Die "moderne und transparente" Polizei erweitert das Angebot der Öffentlichkeitsarbeit, aber wie reagiert der moderne Demonstrant auf eine Twittermeldung der Polizei?

 

Am Samstag werden sich manche Teilnehmer der bundesweiten Demonstranten "Zusammen gegen Repression" vielleicht gewünscht haben, sie wären in der Türkei. Denn dort ist bekanntlich seit einigen Tagen Twitter verboten. Der islamistisch-konservative Ministerpräsident, der wenig Ahnung von den gar nicht mehr so neuen Medien hat, hegt wohl noch immer die Vorstellung, Twitter könne man so verbieten wie eine kritische Zeitung.

In Deutschland hingegen sind die staatlichen Instanzen schlauer. Sie verbieten Twitter nicht, sondern nutzen sie. Die von autonomen Gruppen organisierte Antipressionsdemonstration, die von einem politischen Spektrum vorbereitet wurde, das kein großes Interesse an einer Kooperation mit der Polizei hat und auf deren Lautsprecherdurchsagen in der Regel mit einem Pfeifkonzert zu reagieren pflegt, wurde zum Pilotprojekt für die twitternde Polizei. Erst wenige Tage zuvor stellte der Berliner Polizeipräsident die neueste Kommunikationsform der Öffentlichkeit vor.

"Wir wollen mit Twitter unser Angebot der eigenen Öffentlichkeitsarbeit erweitern und beabsichtigen, mit dem Engagement auf Twitter uns als moderne und transparente Polizei zu präsentieren. Damit bezwecken wir, auch bei unseren Einsätzen besser wahrgenommen zu werden. Außerdem setzen wir mit der Nutzung von Twitter in der Nachwuchsgewinnung ein wichtiges Zeichen und zeigen, dass wir auf der Höhe der Zeit bleiben. Mit dem Kurznachrichtendienst können wir eigene Standpunkte, Nachrichten, Informationen und Hinweise schnell und unverfälscht mitteilen."

Neben den neuesten Mitteilungen aus Polizeisicht wird ein gesonderter Kanal bei Großeinsätzen von der Polizei zur Verfügung gestellt.

"Entfernen Sie sich bitte in die angegebene Richtung"

Die Demonstration vom vergangenen Samstag, die von den Veranstaltern auch als Kampfansage an die Polizei verstanden wurde, war nun das erste Pilotprojekt für die neue Kommunkationsstrategie. Demonstranten erhielten plötzlich Mitteilungen dieser Art:

"Bitte unterlassen Sie das Anlegen von Vermummung in der Versammlung."
"Wir weisen Sie nochmals auf das Ende der Versammlung hin. Entfernen Sie sich bitte in die angegebenen Richtungen."

Für manche Demonstranten war es tatsächlich eine neue Erfahrung. Wurden ähnliche Durchsagen aus dem Lautsprecherwagen bisher meist mit einen Pfeifkonzert beantwortet, war jetzt die Frage, wie man auf eine Twittermeldung reagiert. Die Reaktionen waren im Ton unterschiedlich, in der Tendenz aber unsicher. Der freundliche Demonstrant reagierte mit einem nonchalanten Tweet:

"Bitte unterlassen sie das twittern."

Die etwas entschiedenere Variante lautete dann: "Ich twittere nur vermummt!" oder "Ihr glaubt jetzt nicht das Leute in der Demo euren Account lesen und auf euch hören". Die etwas trotzigere Variante hieß:

"Ihr habt mir gar nichts zu sagen. Ihr seid nicht meine Mutti!“

Die Datenspuren, die diese Kommunikation verursachte, zieht sich bis zur Tageszeitung, die einige dieser Kurzdialoge veröffentlichte.

Erfolg für die Polizei?

Via Twitter erfuhr man auch, dass manche Polizisten den gewaltfrei verlaufenden Aktionstag von Samstag mit der Bemerkung "Die Autonomen schwächeln" kommentierte. Das sehen auch manche Aktivisten der linken Szene so. Auf Indymedia wurde er als gescheitert bezeichnet, eine Einschätzung, die viel Zustimmung bekam.

Merkwürdigerweise hat niemand formuliert, was denn überhaupt das Kriterium für einen Erfolg oder ein Scheitern bei einer solchen Demonstration ist. Vielleicht auch die Twitterdialoge?

Schließlich machen sie auch deutlich, dass auch für den staatsfernen Linken auf Demonstrationen gilt: nicht ohne mein Handy oder Smartphone. Da kann die Diskussion über vermeidbare Datenspuren nicht viel ändern. Da werden vielleicht manche tatsächlich wünschen, die deutschen Behörden würden Twitter verbieten.